Es war ein Meilenstein in der Geschichte des «unmöglichen Möbelhauses»: 1973 eröffnete Selfmademan Ingvar Kamprad in Spreitenbach die erste Ikea-Filiale ausserhalb Skandinaviens.

Zur Eröffnung kamen 1000 Neugierige. Wenige Wochen später zwischen Weihnachten und Neujahr waren es schon am ersten Sonderverkaufstag 5000. Ikea hatte eingeschlagen wie eine Bombe. Die Schweden führen inzwischen in der Schweiz sechs Einrichtungshäuser und generierten im letzten Jahr einen Umsatz von 521 Mio Fr.

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Doch Ikea hat mit seinen abholbereiten Fertigmöbeln zu günstigen Preisen nicht nur den Schweizer Möbelmarkt kräftig aufgemischt. Auch was die Unternehmenskultur anbelangt, setzten die Schweden hier zu Lande neue Massstäbe. Zumindest teilweise. Ganz nebenbei waren die Möbelmanager aus dem Norden die allerersten, die Schweizerdeutsch in der Werbung einsetzten. Legendär ist die weltweite Duz-Kultur. Zwar haben andere Ketten wie etwa H&M längst Gleiches durchgesetzt. Trotzdem steht noch immer vor allem Ikea für das Du zwischen oberstem Management und Lagermitarbeitern.

Mutterschaft und Teilzeitjobs

«Die Unternehmenskultur hat sich über die Jahre nicht verändert. Ikea steht nach wie vor für schwedische Bescheidenheit. Unsere Vision, den Menschen einen besseren Alltag zu schaffen, steht noch immer zuoberst», sagt Ikea-Pressesprecher Peter Mager. Wiederholt haben die Schweden in den vergangenen Jahren weltweite Mitarbeiter-Umsatztage durchgeführt. Als Ikea in der Schweiz das 25-Jahr-Jubiläum feierte, ging der gesamte Umsatz eines Tages an die Angestellten, die sich damals über rund zusätzliche 3000 Fr. freuen konnten. Eine gleiche Aktion ist zum 30-Jahr-Jubiläum gemäss Sprecher Mager nicht vorgesehen. «Wir planen für unsere Leute aber einen grossen Überraschungsevent.»

Noch in den späten 90er Jahren stand das familienfreundliche Image des Konzerns allerdings aus Sicht der Gewerkschaften im Widerspruch zur Realität. «Gibt sich fortschrittlich, ist es aber nicht», lautete damals der Tenor. Seither greift diese Kritik zu kurz. Ikea hat aufgeholt und ist inzwischen auf verschiedenen Ebenen durchaus vorbildlich, auch in Sachen Mindestlöhne: Ohne Druck von aussen wurden schon vor Jahren 3300 Fr. eingeführt.

Rasch reagiert hat Ikea auch auf die wiederholte Ablehnung der Mutterschaftsversicherung seitens des Schweizer Stimmvolkes. Nach dem letzten Nein im Juni 1999 führte die Möbelkette von sich aus einen zu 100% bezahlten Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen ein. Unbezahlte Urlaube sind heute eine Selbstverständlichkeit, und an Kinderzulagen bezahlt der Konzern in der Regel 50 Fr. mehr als der jeweils übliche kantonale Tarif. Innovativ ist das Unternehmen in Sachen Teilzeitmodelle. Zurzeit läuft ein Pilotprojekt, das diese auch für Kader ermöglichen soll, wie Stephan Lötscher, Work Relation Manager bei Ikea Schweiz, bestätigt (siehe Kasten).

Kein GAV und keine Kinderkrippe

Weniger fortschrittlich stehen die Schweden bis heute bezüglich Kinderbetreuung am Arbeitsplatz da. Derweil die Kinder der Kundschaft in Kinderparadiesen unter Aufsicht herumtollen, während Mama und Papa auf Einkaufstour sind, gibts für die Mitarbeitenden keine solchen Strukturen. Stephan Lötscher begründet das damit, dass die Angestellten oft aus einem sehr grossen Einzugsgebiet stammten und ihnen deshalb eine Krippe am Arbeitsort nicht unbedingt entgegenkäme.

Daniel Huber von der Fachstelle UND Familien- und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen hat vor einem guten Jahr im Auftrag von Ikea eine Betriebsanalyse zum Thema Familienfreundlichkeit erstellt.

Er lobt zwar die offene Kommunikationskultur und betont diverse positive Aspekte wie etwa den Mutterschaftsurlaub. Trotzdem kam er nach der Analyse, der in Kürze ein «Follow-up» folgen wird, zum Schluss: «Das Image der Firma ist im Grossen und Ganzen wohl noch immer besser als die Realität.» Huber kritisiert unter anderem, dass die Ikea-Mitarbeitenden keinem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen.

Das Fehlen eines solchen kommentiert Stephan Lötscher damit, dass in der Branche praktisch nirgends ein verbindlicher GAV existiere. «Das stimmt natürlich nicht», ärgert sich Robert Schwarzer, Generalsekretär der Gewerkschaft VHTL, und nennt Coop und noch die Migros als Positivbeispiele. «Eine verbindliche Sozialpartnerschaft gehört einfach zu einem fortschrittlichen Unternehmen», so Schwarzer.

Für Daniel Huber ist Ikea trotzdem ein Vorzeige-Beispiel. «Sie sind am Thema dran und wissen, dass sie noch besser werden müssen.»

Arbeitszeitmodelle: Teilzeitarbeit auch für Kader

Vor rund einem Jahr hat Ikea Schweiz ein Projekt gestartet, das die Teilzeitarbeit auch bei Kadern auf allen Stufen fördern soll. Die Personalabteilung hat sich einen Prozentsatz von 20% (Teamleiter) und 10% (Abteilungsleiter) zum Ziel gesetzt.

Ein Grund für das Projekt war, dass oft gerade Frauen aus Linienfunktionen in Spezialisten-Jobs abwanderten, um Teilzeit arbeiten zu können. Das soll künftig vermieden werden. Entscheidend sei gemäss Stephan Lötscher, Work Relation Manager, dass die Aufgaben genau definiert würden, die beim Abbau der Arbeitszeit nicht mehr wahrgenommen werden. Damit soll verhindert werden, dass die gleiche Arbeitslast einfach in weniger Zeit bewältigt werden muss.

Auf Stufe Abteilungsleitende arbeiten heute 8% (drei Frauen und zwei Männer) Teilzeit. Bei den Teamleitenden sind es 12%, wobei jede vierte Frau auf dieser Stufe kein volles Pensum absolviert. (miz)