Stolz» und «Glanz» sind in der Maschinenindustrie Begriffe aus dem Vokabular der Nostalgiker. Schlagwörter der stärksten Schweizer Exportbranche heute sind «Fokus auf Wachstumsmärkte», «Herausforderung Produktionsverlagerung» oder «Steigerung der Innovationskraft». In den harten Jahren nach dem Millienniums-Boom waren die Maschinenbauer gezwungen, ihren Industriezweig noch agiler und flexibler zu formen als in den Jahren der Strukturbereinigungen zuvor. Mit Erfolg: Im zu Ende gehenden Geschäftsjahr werden die Maschinenindustrieunternehmen wohl so viel Gewinn erzielen wie seit 2000 nicht mehr. 250% dürfte die Gewinnsteigerung der kotierten Maschinenindustrieunternehmen gegenüber dem Vorjahr betragen, schätzt die Bank Vontobel.

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Grund zum Jubeln sieht der Präsident der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem), Johann Schneider-Ammann, deshalb nicht. «Viele Unternehmen mussten intensive Kuren durchlaufen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern», sagt er gegenüber der «HandelsZeitung». Um im stetig stärker werdenden Konkurrenzdruck bestehen zu können, müssten die Unternehmen weltmeisterliche Standards halten.

Der Realitätssinn hat mancherlei Gründe. In der sehr heterogenen Schweizer Maschinenindustrie glänzt längst nicht alles. Natürlich: ABB hat sich vom kurz vor dem Knock-out stehenden Industrieriesen schneller als erwartet zum wieder expandierenden Energie- und Automationstechniker entwickelt. Im Jahr eins unter der Führung des neuen Chefs Fred Kindle dürfte ABB 2005 zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder einen Reingewinn ausweisen.

Kindles vorheriger Arbeitgeber, der Winterthurer Sulzer-Konzern, profitiert wie ABB von den derzeit hohen Erdölpreisen und der Investitionsbereitschaft des Energiesektors, wächst im laufenden Jahr zweistellig und wird den Vorjahresgewinn deutlich übertreffen. Vor fünf Jahren steckte Sulzer noch übergewichtig im Jammertal.

Georg Fischer wächst schneller als der Markt

Im Vergleich zur Konkurrenz steht auch Georg Fischer glänzend da. Der Schaffhauser Konzern hat sich verstärkt auf die Automobilindustrie konzentriert, wächst derzeit schneller als der Markt und feilt unermüdlich an seiner operativen Stärke. Auch die Maschinenbau-Tochter Agie Charmilles hat sich vom Einbruch im Investitionsgüterbereich erholt und ist im Jahr 2004 wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt. Und der Lift- und Fahrtreppenhersteller Schindler hat dank seines Fitness-Programms seine Ertragskraft verbessert. Der grosse Konkurrent Otis aus den USA hat aber immer noch die Nase vorne.

Unter Ertragsschwäche leiden aber noch Unternehmen wie die auf Anlagen für Widerstands-Schweissen spezialisierte Schlatter-Gruppe oder der Maschinenbauer Schweiter Technologies. Beide zeigten aber im 3. Quartal 2005 vollere Auftragsbücher. Schlatter wird zudem eine Kapitalerhöhung durchführen, deren Erlös zur Rückzahlung von Schulden und Bilanzbereinigung verwendet wird.Auch die WerkzeugmaschinenGruppe Starrag-Heckert hat nach den erfolgten Redimensionierungen noch nicht ihr volles Potenzial ausgeschöpft.

Die Bieler Mikron-Gruppe hat kürzlich das Geschäft mit den Kunststoffkomponenten verkauft und nach Jahren hart am Abgrund für 2005 ein operativ mindestens ausgeglichenes Ergebnis angekündigt. Nach einem starken 2004 hat beispielsweise der Kabelmaschinenhersteller Komax im 1. Halbjahr 2005 eine flauere Nachfrage in Europa und den USA gespürt. Der Drehmaschinenbauer Tornos hat sich bereits wieder auf härtere Zeiten eingestellt, nachdem der Bestellungseingang Ende vergangenen September eine Delle zeigte.

Der Wind kann im Investitionsgüter-Bereich schnell drehen. Beda Moor, Zentralsekretär der Gewerkschaft Unia und für Industrie zuständig, warnt vor der Möglichkeit plötzlicher Veränderungen oder Verschiebungen im Markt wie ein steigende Erdölpreis oder Rohstoffengpässe, die auf die Industrie wie eine Vollbremse wirken können.

Die Märkte im Osten locken Schweizer Industrie

Der Arboner Saurer-Konzern baute in China im letzten Jahr rasant Kapazitäten für die Herstellung von Textilmaschinen auf und wurde vom Nachfragestopp frontal getroffen. Dem Winterthur Rieter-Konzern widerfuhr ähnliches. Hätten die meisten Schweizer Maschinenbauer nicht zwei oder mehr Standbeine wie Saurer oder Rieter, wären sie gegenüber Marktschwankungen äusserst exponiert.

Neben der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Ertragskraft war der Mega-Trend der letzten Jahre der Drang nach Osten: In den neuen EU-Ländern, in der Türkei, in Pakistan, Indien und vor allem China ist der Bedarf an Investitionsgütern enorm. Schweizer Unternehmen drängen in die aufstrebenden Märkte. Billigere Produktionsbedingungen sind dabei ein Vorteil, der aber vor allem in Verbindung mit der Erschliessung neuer Absätzmärkte Zählbares bringt. In Branchen wie der Automobilindustrie ist für Zulieferer die geografische Nähe des Produktionsstandortes sogar schon Bedingung.

Schweiz behauptet sich als Produktionsstandort

Die Schweiz ist als Produktionsstandort nur bedingt benachteiligt, wie eine Studie Basel BAK Economics in Zusammenarbeit mit Swissmem im vergangenen Frühjahr zeigte: Zwar sind die durchschnittlichen Arbeitskosten in den EU-Oststaaten sechs Mal niedriger als hier. Punkto Produktivität sind die Schweizer aber weiterhin ein Musterbeispiel, sodass sich der Kostenvorteil auf 20% reduziert.

Auch wenn in der MEM-Industrie die Anzahl Beschäftigter innerhalb von zehn Jahren um knapp 10% auf derzeit rund 304000 sank und der Druck zu Verlagerungen anhält, malt die Branche nicht schwarz: Erstens werden auch im Osten die Kosten laufend steigen, sodass sich der Abstand weiter verringert. Zweitens herrscht in der Schweiz ein Bedarf gut ausgebildeten Fachkräften, der durch ein angeregtes Innovationsklima bestehen bleibt.

Gewerkschafter Moor fordert hier mehr Mut: Es brauche einen Stimmungsumschwung bezüglich Investitionsverhalten, nur so könne sich auch der Binnenmarkt weiterentwickeln. Als für die Exportwirtschaft absolut positiv wertet Moor die Annahme der Bilateralen Verträge II. Ähnlich sieht dies Swissmem-Präsident Schneider-Ammann. Werden die Rahmenbedingungen weiter angepasst, dürfte mancher Investitionsentscheid zugunsten des Schweizer Standorts ausfallen.

Insofern schmerzte beispielsweise der Entscheid von Sulzer, die Brennstoffzellen spezialisierte Venture-Division Hexis einzustellen. Für Anleger und Investoren war die Maschinenindustrie in den vergangenen zweieinhalb Jahren sehr attraktiv: Seit dem Tiefpunkt im März 2003 hat der Machinery-Index (SXMA) an der Börse die Punktezahl knapp verdreifacht, während jene des SMI sich verdoppelte.

Maschinenindustrie im ablaufenden Geschäftsjahr 2005: Das Wachstum kommt aus Europa

Auch wenn der Osten und China in der Maschinenindustrie im Trend liegen: Das Hauptanstoss für das Exportwachstum kommt aus der EU. 65% der jährlichen Exporte der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) im Wert von derzeit rund 60 Mrd Fr. gehen in westeuropäische Länder. Der wichtigste Abnehmer ist Deutschland. In den ersten neun Monaten 2005 nahmen die Ausfuhren ins nördliche Nachbarland um 5,5% zu. Die MEM-Industrie ist für 2006 recht optimistisch, was die EU betrifft. Die Mitglieder beurteilen ihre Absatzchancen für das kommende Jahr besser als noch im 1. Halbjahr 2005. Im zweistelligen Bereich, aber vergleichsweise noch immer auf tiefem Niveau, sind die Exportwachstumsraten in Osteuropa. In Asien, mit 15% zweitwichtigste Schweizer Exportregion, verlief das 1. Quartal schwach. Doch die Dynamik hat zugenommen. Aus China und Hongkong wird eine weitere Belebung erwartet.

In den USA machte sich bereits im 3. Quartal 2005 das langsam abflachende Wirtschaftswachstum bemerkbar. Eine allfällige US-Konjunkturschwäche hätte globale Folgen, auch für die Schweizer Maschinenindustrie. (hy)

UmsatzVerände-

(in Mio Fr.)rung (in %)

1. ABB 257336.7

2. Schindler 82596.9

3. Liebherr 63111.5

4. Georg Fischer 35408.7

5. Rieter 31731.8

6. Saurer 24936.1

7. Sulzer 206713.2

8. Bobst 171021.3

9. Bucher Industries 16416.9

10.Bühler 14639.3

Quelle: :Top 2005, «Handelszeitung»

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Nachgefragt: «Druck geht nicht nur über Preise»

Swissmem-Präsident Johann Schneider-Ammann erwartet, dass genügend Mittel in die Forschung und Bildung gesteckt werden, damit die Schweizer Maschinenindustrie dem zunehmenden Wettbewerb standhalten kann.

Swissmem hat nach dem 3. Quartal 2005 die Perspektiven optimistisch beurteilt. Bestätigt sich der Ausblick? Ja, die Industrie hat gute Chancen, ihre positive Entwicklung in den nächsten Monaten fortzusetzen. Die anhaltend steigende Nachfrage auf dem Weltmarkt wird die Exportentwicklung weiterhin stützen. Die Swissmem-Mitglieder werten ihre Perspektiven für die kommenden zwölf Monate recht optimistisch.

Die Schweizer Maschinenindustrie erweist sich als wettbewerbsfähiger als in manchen Szenarios dargestellt. Waren diese nur Schwarzmalerei? Nein. Viele Unternehmen mussten intensive Kuren durchlaufen. Nur dank dem Einsatz aller Mitarbeiter war es möglich, diese Konjunkturdelle zu überstehen.

Der Wettbewerb wird weiter zunehmen: Welche Rahmenbedingungen braucht die Industrie, um zu bestehen? Swissmem erwartet, dass genügend Mittel in die angewandte Forschung und in die Bildung gesteckt werden. Durch die Revision der Exportrisikogarantie und den Einbezug des privaten Käuferrisikos erreichen wir hoffentlich bald gleich lange Spiesse wie die ausländische Konkurrenz. Ich denke aber auch an den Strommarkt: Hier müssen wir auf Preise herunterkommen, die uns im Auslandvergleich konkurrenzfähiger machen.

Die Beschäftigtensituation in der MEM-Industrie hat sich stabilisiert. Erwarten Sie eine weitere Konzentration? Hoffentlich nicht. Die Beschäftigtenzahl konnte etwas gesteigert werden. Künftig werden die Produktivitätssteigerungen nur dann zusätzliche Arbeitsplätze ermöglichen, wenn das Volumen überproportional gesteigert werden kann. Dies ist nur bei hoher Innovationskraft und gesteigerter Konkurrenzfähigkeit möglich. Das heisst: Die Kostenverhältnisse in der Schweiz müssen stimmen. Hier besteht gewaltiger Handlungsbedarf.

Es werden Anbieter aus dem Osten und Asien auf angestammte Märkte drängen. Droht ein noch härterer Preiskampf? Der Druck geht nicht nur über die Preise, sondern auch über die Qualität und die Innovationsfähigkeit. Wenn die Schweizer Firmen in diesen Punkten stark sind, können sie international mithalten.

Das allein genügt? Je mehr Förderprogramme, umso höher sind die Innovationschancen. Je besser die Herstellprozesse, desto tiefer sind die Kosten, ergo um so höher ist die Produktitivität. Und den Arbeitsmarkt halten wir in bester sozialpartnerschaftlicher Zusammenarbeit weiterhin flexibel.