Die Spitalapotheker wollen den Medikamentenmarkt aufmischen. «Wir werden die Preispolitik der Pharmaindustrie anstossen», verkündet Enea Martinelli, Präsident der Gesellschaft der Amts- und Spitalapotheker (GSASA). Um die hohen Medikamentenpreise in der Schweiz ins Purzeln zu bringen, setzt Martinelli jetzt auf die Karte Parallelimport. «Wir haben einen Partner gefunden und die Bewilligungen eingeholt. Im Sommer kanns losgehen.»

Martinelli hat für den Parallelimport vorerst Röntgenkontrastmittel im Auge. Die Kontrastmittel Optiray und Ultravist kosten in Deutschland bis 80% weniger als in der Schweiz. Der Spitalapotheker rechnet mit erheblichen Einsparungen. «Die Mittel werden etwa sechs oder sieben Mal billiger.»

Dank Martinellis Projekt scheint das Eis beim Parallelimport von Medikamenten endlich zu brechen. Bisher fand nämlich gar kein Parallelimport statt, obwohl dies seit Anfang 2002 möglich ist. «Es hat bis heute nur vereinzelte Anfragen gegeben», berichtet Samuel Vozeh, Leiter rezeptpflichtige Arzneimittel bei der Zulassungsbehörde Swissmedic. «Wir sind überrascht über das geringe Interesse.» Dabei würde das neue Heilmittelgesetz Parallelimporte von Arzneimitteln erlauben, sofern deren Patentschutz abgelaufen ist. Auf diesen Kompromiss hatte sich das Parlament vor zwei Jahren geeinigt. Linke Parlamentarier hatten auch den Parallelimport von patentgeschützten Medikamenten gefordert, während die Pharmalobby Parallelimporte gänzlich hatte verhindern wollen.

Der Pharmamarkt ist nicht der einzige Markt, in dem der Wettbewerb nicht spielt. Konsumenten zahlen in der Schweiz im Schnitt für dasselbe Produkt 30% mehr als in der EU. 44% der Preisdifferenz lässt sich laut der Beratungsfirma Infras mit mangelnder Wettbewerbsintensität erklären. Insbesondere im Nahrungsmittel- und Automarkt gilt mangelnder Parallelimport als wesentliches Wettbewerbshindernis (siehe Kästen).

Laut Martinelli besteht eine Schwierigkeit darin, im Ausland genügend Ware zu einem genügend tiefen Preis aufzutreiben. Der Parallelimport ist nicht gratis: Die im Ausland eingekauften Medikamente werden umgepackt und neu beschriftet. Denn Verpackung und Arzneimittelinformation müssen mit dem bereits im Inland zugelassenen Arzneimittel übereinstimmen. In der EU übernehmen spezialisierte Firmen das Umpacken. Für den kleinen Schweizer Markt lohnt sich der Aufwand nicht in jedem Fall.

Klar ist: Parallelimporte setzen die Pharmaindustrie unter Druck, die Preise im Inland zu senken. Die Preise der 70 umsatzstärksten Medikamente der Spezialitäten-Liste sind in der Schweiz gegenüber den Nachbarländern bis zu 28% teurer. Das Beispiel des Röntgenkontrastmittels macht deutlich, dass Prämienzahler und öffentliche Haushalte jährlich um mehrere 100 Mio Fr. entlastet werden könnten.

Dass die Einsparungen hierzulande nicht realisiert werden, überrascht angesichts der auferlegten Hürden wenig. Parallelimporteure aus Deutschland liebäugeln zwar durchaus mit Geschäften in der Schweiz; so die Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH, der zweitgrösste Parallelimporteur Deutschlands. Geschäftsführer Andreas Mohringer hat die Fühler bereits in die Schweiz ausgestreckt ? und sie schon wieder eingezogen. Abklärungen hätten eine zusätzliche Hürde für Parallelimporte in die Schweiz ans Licht gebracht: Der Name des parallel importierten Arzneimittels muss mit dem in der Schweiz registrierten Namen des Medikaments identisch sein. Dieser Umstand könnte den Parallelimporteuren einen Strich durch die Rechnung machen: Viele Medikamente tragen im Ausland andere Namen als in der Schweiz. So heisst das international meistverkaufte Medikament, Lipitor von Pfizer, in der Schweiz Sortis.

Was bisher unbekannt war: Unterschiedliche Marken im In- und Ausland könnten Parallelimporte von Arzneimitteln in die Schweiz verunmöglichen. Denn der Markeninhaber kann verhindern, dass der Parallelimporteur den in der Schweiz registrierten Namen verwendet. Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum bestätigt: «Das Arzneimittel mit einer anderen Marke zu versehen, könnte eine Markenrechtsverletzung darstellen.»

*«Parallelimporte sind der

Todfeind der Pharmaindustrie»*

Hält die Pharmaindustrie also mit Bedacht noch einen markenrechtlichen Trumpf in der Hinterhand? «Nein», beteuert Thomas Cueni, Generalsekretär von Interpharma, dem Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz. Er glaubt nicht an eine unüberwindliche Hürde durch unterschiedliche Namen. Solche Unterschiede seien ohnehin die Ausnahme und nicht die Regel.

Dass es in der Schweiz zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über Parallelimporte kommen könnte, ist aber nicht auszuschliessen. Pharmaindustrie und Parallelimporteure sind sich spinnefeind. «Parallelimporte sind der Todfeind der Pharmaindustrie», sagt Mohringer. Dort spielt man den Ball an den Parallelimporteur zurück. «Der Enthusiasmus in den EU-Ländern ist verflogen. Die Parallelimporteure stecken 80% der Preisunterschiede in den eigenen Sack», sagt Cueni und veweist auf eine neue, von Johnson & Johnson gesponserte Studie: Danach belaufen sich die Einsparungen für die Krankenversicherungen durch Pa-rallelimport auf 0,3 bis zu 3,6%. Bei einem Schweizer Marktvolumen von 3,9 Mrd Fr. käme aber auch so eine schöne Summe zusammen.

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