Der Antritt war stürmisch. Eine Woche bevor Meinrad Fleischmann im Juni die operative Verantwortung der Möbel Pfister AG übernahm, hatte Verwaltungsratspräsident Herbert Gamper das Unternehmen Knall auf Fall verlassen. «Zu diesem Abgang habe ich nichts beigetragen», hält Fleischmann fest. «Das war ein Prozess, der innerhalb des Stiftungs- und Verwaltungsrats abgelaufen ist.» Er habe ein gutes Einvernehmen mit Gamper gehabt, auch mit dem übrigen Verwaltungsrat. Präsidiert wird der Stiftungsrat vom früheren Swissair-Präsidenten Eric Honegger.

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Ruppige Zeiten ist Fleischmann gewohnt. Letztes Jahr verliess er selbst ebenso unvermittelt die Modegruppe Schild, wo er sich nicht nur als CEO engagiert hatte, sondern durch ein Management-Buy-out auch Mitbesitzer war – und massgeblich verantwortlich für die Integration der Spengler-Geschäfte in Schild. «Wir hatten unterschiedliche Auffassungen über die Führungsart.» Mehr will er dazu nicht sagen. «20 Jahre lang war ich ‹Lumpenhändler›. Jetzt bin ich bereits ein begeisterter ‹Einrichter›.»

Als Bauernsohn ins Kloster

Trotz stürmischem Einstieg als CEO bei Möbel Pfister konnte sich Fleischmann auf seine neue Funktion als Möbelchef gründlich vorbereiten. Seit diesem März arbeitet er im Unternehmen und durchlief quasi als Volontär alle Abteilungen. Dabei hat er sich nicht gescheut, mit anzupacken. Er war an der Verkaufsfront in den Filialen tätig, mit dem Auslieferungsteam unterwegs in der Westschweiz und im Tessin, und hat Möbel geschleppt und montiert. «Ich hoffe, die Möbel halten noch», lacht er.

Anpacken ist er als Bauernsohn vom Feusisberg SZ über dem Zürichsee gewohnt. Er und seine sieben Geschwister haben beim Heuen und beim Melken der 15 Kühe mitgeholfen. Der Pfarrer und der sich als Atheist deklarierende Dorflehrer überredeten die Eltern, den Meinrad ins Gymnasium zu schicken. So kam er nach Einsiedeln in die Klosterschule. Ein Kulturschock: Statt Kühe und Wiesen gregorianische Gesänge und Latein, statt Naturluft der Staub von barocken Gewölben und die Klosterbibliothek. Und in der Klosterschule lernte er, sich im Team zu behaupten.

Unternehmen entstauben

Mit dem Schritt in die katholische Klosterschule war klar, dass Fleischmann eine akademische Laufbahn einschlagen würde. Nach der Matura studierte er an der Hochschule St. Gallen Finanz- und Rechnungswesen. Mehr aus Zufall: «Ich folgte einem Schulkollegen.» Während des Studiums hat ihm ein Praktikum beim Warenhaus Globus derart gefallen, dass er sich dort nach Hochschulabschluss beworben hat und prompt beim Herren Globus angestellt wurde: Die erste Stufe einer Karriere, die ihn vom Merchandiser über Einkaufsleiter, Versandleiter, Verkaufsleiter bis zum Unternehmensleiter führen sollte, bis er schliesslich 1999 die Leitung des Warenhauses ABM übernahm. Dort bekam er die Aufgabe, zu retten, was noch zu retten war. Bereits nach zwei Jahren hat er das Warenhaus wieder verlassen, weil er eine andere Strategie für ABM als die damalige Konzernleitung von Migros verfolgen wollte.

Firmen umkrempeln, die sich in einem Modernisierungsprozess befinden und ihr verstaubtes Image ablegen wollen: Diese Aufgabe zieht sich wie ein roter Faden durch Fleischmanns Leben – sei das nun Herren Globus, ABM, die Modekette Schild oder nun Möbel Pfister. «Das ist kein Zufall. Solche Unternehmen sind für mich extrem herausfordernd.» Dabei sei er nicht härter, sondern reifer geworden. Und ein Stück weit auch desillusioniert: «In der Wirtschaft geht es zu 80% um Ansehen, Macht und Geld und nicht um Aufgaben. Ich aber will ein Ziel erreichen, das mich herausfordert.»

Als passionierter Marathonläufer und Mountainbiker hat sich der schlaksige Manager Ausdauer, Hartnäckigkeit und Balancegefühl antrainiert. Rund 60000 km sei er in 25 Jahren bereits gelaufen. «Der Marathon ist das Leben im Zeitraffer», erklärt er, «da geht es auch darum, das Ziel in einer gewissen Zeit in guter Verfassung zu erreichen. Dabei spielen das Erlebnis unterwegs, die Freude, der Spass, aber auch die Krise und schliesslich das Glücksgefühl im Ziel eine wesentliche Rolle.» Jedes Wochenende läuft Fleischmann allein einen «longjog» – für ihn «eine Quelle der Inspiration für neue Ideen, aber auch eine Form der Verarbeitung».

Trotz durchgebrochenem Blinddarm hat er einst bei Schild weitergearbeitet. Der Arzt hatte damals fälschlicherweise eine Lebensmittelvergiftung diagnostiziert. «Ich bin nicht hart, sondern ausdauernd und bleibe dran, auch wenn es mit Schmerzen verbunden ist. Ich bin auf das Ziel fokussiert, und am Schluss habe ich Freude, das Ziel erreicht zu haben.»

Entscheidend ist für ihn die «Life Balance»: «Unter der Woche kann ich sehr viel arbeiten, aber das Wochenende nehme ich mir frei.» Frei für seine Familie. Er lebt in einer Patchworkfamilie mit Partnerin. Seine Partnerin arbeitet im Warenhaus Globus auch am Samstag, sodass Fleischmann an diesem Tag Zeit für sich selber findet. «Ich bin heute sehr glücklich», sagt er. Man glaubt ihm. Vor einem Jahr, nach dem Abgang bei Schild, hatte er noch sehr angespannt gewirkt.

Noch ist Fleischmann nicht ganz auf Pfister eingestellt – zumindest privat. Er hat erst den Gartentisch und die Gartenstühle von Pfister erworben. Der grosse Teil der Möbel in seiner Attikawohnung in Au stammt von Interio, ein Unternehmen, das seinem früheren Arbeitgeber Globus gehört. «Einrichten und das Heim schmücken ist ein Dauerlauf.»

Einzelkämpfertum bekämpfen

Von seinem Bürobalkon in Suhr zeigt Fleischmann stolz auf den

40 Mio Fr. teuren Umbau des Stammhauses. Überrascht haben den ehemaligen Textiler die riesigen Flächen der Pfister-Einrichtungshäuser von 20000 m2 in Suhr und 15000 m2 in Dübendorf. Bei Schild waren es bescheidene 1500 m2. Überrascht hat ihn auch, wie ruhig es nach dem abrupten Abgang des VR-Präsidenten im Unternehmen geblieben ist. Zusammen mit einem Team von 15 Mitarbeitenden hatte er sich kurzfristig für drei Tage in die Klausur zurückgezogen. Um Sicherheit zu schaffen und Visionen für 2008 zu planen.

An der eingeschlagenen Modernisierungsstrategie will er nichts ändern, aber die Teamkultur weiter verbessern. «Bisher herrschte hier ein starkes Einzelkämpfertum, das sich durch das ganze Unternehmen durchzieht. Ich will aber den Teamgeist fördern.» Nur so resultiere am Schluss eine gute Gesamtleistung.

In Zukunft möchte er alle sechs Monate solche Klausurtage durchführen, aber auch die zwischenmenschliche, informelle Ebene im Alltag pflegen. So nimmt er, wenn immer möglich, das Mittagessen mit Arbeitskollegen ein.

Nähe zu Mitarbeitern und Kunden

Sein ursprünglicher Plan, die 20 Pfister-Filialen häufig zu besuchen, muss er vorerst auf Eis legen. Denn mit dem Austritt von Gamper hat er auch dessen Führungsfunktionen in den anderen Unternehmen der Pfister-Gruppe übernommen. Dazu gehören das Einrichtungshaus Svoboda in Schwarzenbach SG, die Egger Möbel-Küchen in Emmen LU, der Pfister Vorhangservice, der Pfister Interior Service oder die Arco Immobilien Management AG, welche die Liegenschaften der Unternehmensgruppe verwaltet. «Zum Glück muss ich am Standort Suhr, wo rund 750 Mitarbeitende tätig sind, nur ein paar Schritte aus meinem Büro gehen, dann bin ich bei den Mitarbeitern und bei den Kunden. Und spüre so, was verlangt wird.»

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ZUR PERSON

Steckbrief

Name: Meinrad Fleischmann

Funktion: CEO Pfister-Gruppe, Suhr

Alter: 46

Wohnort: Au (Zürich)

Familie: Partnerin, zwei Kinder

Ausbildung: Lic. oec. HSG St. Gallen

Karriere:

1997–1999 Unternehmensleiter bei Herren Globus

1999–2001 Unternehmensleiter bei ABM

2002–2006 Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Schild

Seit Juni 2007 CEO der Möbel Pfister AG und der Pfister-

Gruppe

Führungsprinzipien

1. Teamarbeit: Betroffene frühzeitig zu Beteiligten machen.

2. Zielorientierung: Jedem Mitarbeiter ist bekannt, was die Firma will und welches sein persönlicher Beitrag dazu ist.

3. Stärkenorientierung: Stärken ausbauen statt Energie ins Ausmerzen von Schwächen stecken.

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Firma

Pfister-Gruppe

Alleinaktionärin ist die Stiftung Pfister Arco Holding. Die Gruppe beschäftigt 1900 Mitarbeitende. Kerngesellschaft ist die Möbel Pfister AG, Marktleader im schweizerischen Einrichtungsfachhandel, die 2006 631,5 Mio Fr. umsetzte.