Zumindest um dieses Problem dürfte ihn manch ein Firmenchef beneiden: «Wir wachsen sehr schnell.» Dies sei der Grund, weshalb sich sein Büro im Business-Center D4 in Root befinde, erklärt Michael Peetz. Nur für drei Jahre, da inzwischen der Firmensitz in Wolhusen umgebaut werde. Die Investition von mehr als 20 Mio Fr. zeige, dass Geistlich Pharma am bisherigen Standort festhalte. Das Schweizer Umfeld sei sehr gut für Medizinaltechnikfirmen und deren Führungskräfte: «Wir fühlen uns sehr wohl hier», summiert der gebürtige Deutsche auch seine persönliche Erfahrung.

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Das Wohlgefühl kommt nicht von ungefähr. Der Managing Director betont zwar im Gespräch immer die Leistungen seines Teams. Trotzdem: Vieles von dem, was in den letzten Jahren den vormals unprofitablen zu einem äusserst erfolgreichen Geschäftszweig machte, trägt aber seine Handschrift eine glückliche Mischung aus fachlichen Kenntnissen und persönlichen Eigenschaften.

Zielstrebig und wissenshungrig

Er habe sich nie als Apotheker gesehen, sondern Pharmazie studiert, weil das Studium breit gefächert war und Einblick in verschiedene naturwissenschaftliche Gebiete gewährte. Den wissenschaftlichen Hintergrund, Zusatzausbildungen in Betriebswirtschaft und Management sowie Erfahrungen als Projektmanager im damaligen Chemiemulti Hoechst-Roussel konnte Peetz seit 1990 äusserst Gewinn bringend für seinen heutigen Arbeitgeber einsetzen.

Zwar gibt sich das Familienunternehmen bedeckt, was Zahlen betrifft, offenkundig ist aber: Bei der Division Biomaterials ist «Wachstum» das vorherrschende Thema. Für das Management heisse das, dass die Komplexität sehr schnell zunehme und dass oft wenig Zeit für Entscheide bleibe, weil entweder die Grundlagen dafür nicht so schnell erarbeitet werden können oder gar nicht vorliegen. Peetz' Rezept, um in solchen Situationen mutige Entscheide treffen zu können, stark vereinfacht: «Sich auf das Wesentliche konzentrieren und die Disziplin aufbringen, an der strategischen Positionierung festzuhalten.»

Konzentriert auf den Markt

Geistlich Biomaterials verfügt mit den Produkten Bio-Oss und Bio-Gide über eine Plattform, die den Wiederaufbau von Knochen, Knorpel und Weichgewebe erleichert und in der Zahnmedizin und der Orthopädie weltweit Anwendung findet. Mit dieser Plattform, deren Grundsteine bereits 1985 entwickelt wurden, verfügt die Firma über einen guten Vorsprung - der Markt ist jedoch sehr attraktiv, und andere Anbieter drängen hinein. Ziel sei es, eine schmale Palette von Produkten anzubieten, die jeweils das Potenzial zum Marktführer haben.

Um aus der Fülle von Ideen die richtigen auszuwählen, kommt Peetz seine wissenschaftliche Grundausbildung zugute: «Man muss verstehen und einschätzen können, was die Forschung leistet.» Und auf der anderen Seite die Kundenbedürfnisse wirklich verstehen. Dass gerade seine Klientele - mehrheitlich Zahn- und Humanmediziner - besonders schwierig sei, lässt er nicht gelten: «Jeder Kunde wird einfach, wenn wir sein Problem lösen können.» Dazu sei es wichtig, ihm gut zuzuhören.

Über mangelnde Gelegenheit zum Zuhören fehlt es nicht. Der brillante Netzwerker verfügt über Kontakte zu weltweit 100 Universitäten. Auch die Gründung der Osteology-Stiftung vor zwei Jahren, die den interdisziplinären wissenschaftlichen Austausch fördern will, kann man ihm durchaus als klugen Schachzug auslegen: Im vergangenen Jahr besuchten 2000 Zahnärzte den Osteology-Kongress in Luzern, um dort über neue Therapiekonzepte zu diskutieren.

Gut zuhören, übersetzen, vernetzen

Um die Firma konsequent nach den Marktbedürfnissen auszurichten und vor allem die Innovationsprozesse zu beschleunigen, hat Peetz ihre Strukturen grundlegend verändert. Das Prozessmanagement wurde verstärkt, und er hat Projektteams geschaffen, die über verschiedene Abteilungen hinweg interdisziplinär arbeiten. Veränderungen in einem solch rasanten Rhythmus bedingten einen grossen Kommunikationsaufwand, erklärt Peetz, für den gute Kommunikationsfähigkeit ohnehin unabdingbar für erfolgreiche Führung ist. Seine Aufgabe sei es, alle Beteiligten miteinander zu vernetzen und auf das gleiche Ziel auszurichten.

Die Tatsache, dass ein Fünftel seiner rund 200 Mitarbeitenden Akademiker sei, habe Vor- und Nachteile: «Das bedeutet zwar 20% mitdenkende Köpfe, aber auch ebenso viele, die eigene Ideen haben.» Auch hier zeigt sich seine Kunst, Unterschiedliches zu einem fruchtbaren Ganzen zu vereinen: Für den Erfolg brauche es jeden an seinem Ort. Querdenkende Forscher für die Ideenfindung ebenso wie auf Prozesse, Abläufe und Zyklen bedachte Mitarbeitende in Marketing, Entwicklung und Produktion. Die Aufgabe des Managements sei es, dafür zu sorgen, dass die gemeinsame Verständigung funktioniere und alle das gleiche Ziel anpeilten.

Hohe Ansprüche grosses Engagement

Bei der Rekrutierung achte er auf Intelligenz, Persönlichkeitsstruktur und Teamfähigkeit, erklärt Peetz. Wenn die Grundausbildung stimme, könne man Fachliches im Team leicht dazulernen: «Die Sozialkompetenz muss man mitbringen.» Seinen Führungsstil bezeichnet er als «in den Grundzügen kooperativ». Von Aussenstehenden wird bestätigt, er sei keiner, der mit harten Bandagen kämpfe. Wenn die Leute das richtige Ziel vor Augen haben, ihre Freiräume wahren und selbstverantwortlich arbeiten, könne er sich seiner Freizeit widmen, scherzt er.

Seinem gründlichen Wesen, seiner Identifikation mit der Aufgabe und seinen persönlichen Zielen kommt die Unternehmensstruktur einer mittelständischen Firma entgegen: «Man muss sehr viel Geduld haben, um in Grosskonzernen etwas bewegen zu können.» Geduld ist allerdings nicht seine Stärke. «Schwächen sind eigentlich überzogene Stärken», präzisiert Peetz. Die veröffentlichten Zahlen geben ihm Recht: In den letzten beiden Jahren verdoppelte sich der Umsatz von Geistlich Biomaterials.

Michael Peetz'

Führungsprinzipien

1. Antizipieren, verbunden mit Empathie.

2. Mitarbeitern vertrauensvoll begegnen und Freiraum für persönliche Entfaltung gewähren.

3. Selbstständiges Arbeiten fördern, für Vernetzung sorgen.

4. Stets transparent und nachvollziehbar kommunizieren, kontinuierlich zur Auseinandersetzung mit Zielen, Chancen und Risiken ermuntern.

5. Motivator und Pulsgeber sein für Entscheide und für deren Umsetzung.

Zur Person

Michael Peetz (48) ist in St. Ingbert (D) geboren und hat in München und Austin/USA Pharmazie studiert und in pharmazeutischer Chemie promoviert. Nach längerem Forschungsaufenthalt in Kalifornien und zwei Jahren als Projektmanager bei Hoechst-Roussel begann 1990 seine Karriere bei Geistlich Pharma. Seine Freizeit verbringt er gerne in der Natur. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Geistlich-Gruppe

Biomaterial für die Medizin: Die Geistlich-Gruppe ist eine Familien-Aktiengesellschaft mit Aktivitäten in der chemischen Branche an den Standorten Schlieren ZH und Wolhusen LU. Seit der Gründung im Jahr 1851 hat sich die Firma vom traditionellen Familienbetrieb zu einer Gruppe von modernen Industrieunternehmen entwickelt. Die breit diversifizierten Aktivitäten umfassen Arzneimittel und Biomaterialien für den Medizinalbereich, Fette für die Tierfütterung sowie Klebstoffe und Polymerpulver für technische Anwendungen.