Die Migros ist nicht bekannt, sich politisch aufs Glatteis zu wagen. Wesentlich frecher positioniert sich der Online-Händler Galaxus – eine Tochtergesellschaft des orangen Riesen. Die Galaxus-Werbung polarisiert immer mal wieder. Jetzt haben es die Marketing-Chefs in Deutschland wohl etwas übertrieben. Galaxus ist nämlich seit 2018 in unserem Nachbarland tätig und versucht sich dort zu etablieren.
Was als harmloser Social-Media-Gag gedacht war, entwickelt sich für Galaxus gerade zum politischen Minenfeld. Dabei beginnt der rund 40-sekündige Clip eigentlich harmlos: Eine junge Frau spielt das Partyspiel «Wer bin ich?». Doch statt um Promis oder Alltagsbegriffe geht es plötzlich um Politik.
Ihre Fragen deuten klar auf eine Richtung – «Bin ich in manchen Teilen Deutschlands erfolgreicher?», «Hat eine blonde Frau mit Schweiz-Bezug etwas mit mir zu tun?» – bis sie schliesslich die entscheidende Frage stellt: «Und wählen mich auch Idioten?» Die Schauspielerin kommt zum Schluss: «Bin ich Alice Weidel?» Sie tut so, als müsste sie sich übergeben und gibt ein Kotz-Geräusch von sich. Aber sie ist nicht Alice Weidel. Das freut die junge Dame. Sie sagt: «Zum Glück. Dann bin ich Galaxus.»
«Geschmacklose Anti-AfD-Werbung»
Der Spot schlägt ein. Fast sechs Millionen Aufrufe auf Youtube in zehn Tagen, unzählige Kommentare auf Tiktok und auf dem Kurznachrichtendienst X. Die einen feiern den Humor der Kampagne, die anderen toben: Galaxus werde «links-woke», mische sich in die Politik ein oder beleidige Kundinnen und Kunden. Manche kündigen gar an, den Shop künftig zu boykottieren.

Alice Weidel wollte in diesem Frühjahr Kanzlerin werden – und scheiterte.
Bei der AfD (Alternative für Deutschland) hat man gar keine Freude am frechen Werbeclip gegen ihr Aushängeschild Alice Weidel (46). Hamburgs AfD-Chef Dirk Nockemann (67) spricht gegenüber dem «Hamburger Abendblatt» von einer «Diffamierung» und einem «peinlichen Eigentor» des Unternehmens. Galaxus betreibe «geschmacklose Anti-AfD-Werbung». Auch beim Kundendienst des Shops trafen Beschwerden ein – ein AfD-Wähler fühlte sich sogar persönlich als «Idiot» verunglimpft.
«Wie immer unterhaltsam – mit typischem Galaxus-Humor»
Galaxus selbst schweigt bislang zum neuen Clip. Ganz überraschend kommt die Werbung aber nicht: Seit Monaten veröffentlicht der Händler «Wer bin ich?»-Videos, die bewusst mit Provokation spielen.
Firmengründer Oliver Herren schrieb bereits im Februar auf Linkedin, die Kampagne solle zeigen, «welche Markenattribute auf den Onlineshop zutreffen – und welche ein bisschen über das Ziel hinausschiessen». «Wie immer unterhaltsam mit typischem Galaxus-Humor», meinte Herren damals. Darüber lachen können die AfD-Anhänger und die Partei offenbar nicht.

