Der Kleine dreht den grossen, weltweit operierenden Unternehmen die Nase. Im März letzten Jahres hat der Schweizer Milchverarbeiter Emmi das Lifestylegetränk Caffè Latte lanciert und schreibt damit seither Erfolgsgeschichte. Erst im März 2005 hat Coca-Cola AG das Getränk Nescafé Xpress in der Schweiz eingeführt. Nescafé Xpress ist eine Marke von Beverage Partners Worldwide, dem 50:50-Joint-Venture von Nestlé und Coca-Cola. Auch Migros ist im vergangenen April auf den Trend nach Kaffee-Lifestylegetränken aufgesprungen mit der Milk-Mix-Linie.

Offensichtlich hat Emmi eine Marktlücke mit Wachstumspotenzial entdeckt. Im Schweizer Detailhandel wurden laut ACNielsen im Zeitraum Juni 2004 bis Juli 2005 für 15 Mio Fr. Kaffee-Milchmischgetränke verkauft - die Absatzkanäle Kiosk und Tankstellen nicht eingerechnet.

*Einstieg für Kaffeemuffel*

«Caffè Latte ist die bisher erfolgreichste Produktelancierung in der Geschichte von Emmi», sagt Stephan Wehrle, Leiter Konzernkommunikation von Emmi. Letztes Jahr wurden bereits 30 Mio Becher Caffè Latte abgesetzt, davon rund die Hälfte in der Schweiz. Das Geschäft floriert wegen des Wetters vor allem in den Sommermonaten (siehe Grafik). «Dieses Jahr soll der Umsatz von 30 Mio Bechern mehr als verdoppelt werden», erklärt Wehrle. Dabei hat Emmi das Wachstum im Ausland im Visier, aber auch in der Schweiz will die Milchverarbeiterin Käuferschichten erreichen, die bisher keine Kaffeeliebhaber waren. Für den Ausbau der Marktnische wurden in diesem Jahr 8000 Kühlmöbel bestellt, diese stehen vor allem an Tankstellen.

Nach Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Spanien, Portugal und England ist Caffè Latte seit einigen Wochen auch in Polen, Griechenland und Frankreich präsent. Mit Carrefour, dem zweitgrössten Detailhändler der Welt, konnte Emmi für die Distribution von Caffè Latte erfolgreich Verträge für den Verkauf in mehreren europäischen Ländern abschliessen.

Vater des Schweizer Lifestyle-Getränks von Emmi ist ein Deutscher: Marketingchef Erich Kienle hat auf einer Reise nach Japan den Erfolg von kaltem Kaffee entdeckt und ein europataugliches Konzept entwickelt. Dabei scheut Emmi keine Marketingkosten, diese bewegen sich im einstelligen Millionenbereich. Genaue Zahlen will Emmi nicht nennen.

Auch mit Werbeträger und Tenniscrack Roger Federer hat Emmi 2002 auf die richtige Karte gesetzt. Bis Ende September 2005 konnte der Vertrag mit Federer für die Schweiz verlängert werden. Der Preis, aber auch die Ausweitung der Werbung mit dem Tennisass ins Ausland sind nun Gegenstand der Verhandlungen mit Federer. Emmi will keine Zahlen verraten. Insider meinen, dass Federer bisher weniger als 1 Mio Fr. bekommen habe, im neuen Vertrag würden mehrere Mio Fr. stehen.

Der Schweizer Milchverarbeiter hat mit Caffè Latte die Swiss Marketing Trophy gewonnen. Zudem ist das Trendgetränk von der «Rundschau für den Lebensmittelhandel» und von ACNielsen bei den nicht alkoholischen Getränken zur «erfolgreichsten Neueinführung des Jahres 2004» gewählt worden.

*Kopisten am Werk*

Bereits wird das Produkt kopiert. In Deutschland ist Emmi erfolgreich gegen einen Kopisten gerichtlich vorgegangen. Der Name kann zwar nicht geschützt werden, wohl aber das Wort- und die Bildmarke. Auch das Produkt von Migros hat gewisse Ähnlichkeiten mit Caffè Latte. Emmi-Sprecher Wehrle ist aber überzeugt, dass für den Ersten, der das Terrain im grossen Stil besetzt, die Erfolgsaussichten gross bleiben.

Emmi hat es nicht geschafft, mit Caffè Latte auch in die Migros-Regale vorzudringen. Migros produziert die Milk-Mix-Linie im eigenen Produktionsbetrieb Estavayer Lait. «Migros wollte den Trend nach Latte Macchiato nicht verpassen», erklärt Migros-Mediensprecherin Monika Weibel. «Wir arbeiten bereits seit Längerem am Konzept. Es war nicht das Ziel, die Qualität der EmmiProdukte zu kopieren.» Umsatzzahlen will Migros keine angeben, aber die Startphase sei sehr gut verlaufen. Die Erwartungen seien mit der Milk-Mix-Linie mehr als erfüllt worden.

*Dose statt Schüttelbecher*

Nescafé Xpress ist bereits seit sieben Jahren auf dem Markt in Deutschland und «dort bei den Kaffeemischgetränken Marktleader», wie Alex Zigliara, Marketingleiter von Beverage Partners Worldwide, erklärt. Trotzdem wurde die Produktelinie erst dieses Jahr in der Schweiz eingeführt: «Das hängt mit dem Markt und dem Distributionskanal in der Schweiz zusammen.» Coca-Cola-Mediensprecherin Pia Lehmann ergänzt: «Der Trend nach Kaffeekultgetränken ist in der Schweiz erst im Kommen.»

Im Unterschied zu Emmi wird Nescafé Xpress nicht im Schüttelbecher, sondern in der Dose angeboten. «Unser Produkt basiert mehr auf Kaffee als auf Milch und ist nicht auf das Kühlregal angewiesen», sagt Lehmann. Produziert wird in den Niederlanden. Der Absatz in der Schweiz laufe hervorragend. Doch konkrete Zahlen oder Umsatz will auch sie nicht nennen.

Letztes Jahr startete das Joint Venture Coca-Cola und Nestlé auch einen Test mit Getränkeautomaten, die Nescafé Xpress sowohl heiss als auch kalt anbieten. 30 Testgeräte wurden in der Schweiz aufgestellt. Mittlerweile ist die Testphase abgeschlossen. «Die Resultate sind viel versprechend», sagt Mediensprecherin Lehmann. Offenbar hat das Geschäft mit Kaffee-Convenience erst richtig angefangen.

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