Er lässt praktisch keinen guten Faden an der Schweizer Armee: Urs Bühler, VR-Präsident und Inhaber der Firma Bühler in Uzwil, selbst Major: «Ich habe den Eindruck, dass diese Armee nicht nur ziellos, sondern auch kopflos ist. Der Umstrukturierungen sind des Guten zu viel. Der Aufwand ist in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag. Wenn ich nur daran denke, dass es Übungen gab, bei denen 80% der Diensttuenden wartend in Scheunen verbracht haben. Welches Unternehmen könnte sich einen solchen Leerlauf leisten? Ich habe nicht nur negative Erinnerungen an meine Zeit in der Armee, aber hoffentlich wird sich vieles ändern.»

Bei aller Kritik kann Armin Meyer, CEO der Ciba Spezialitäten Chemie und Oberst im Generalstab, der Schweizer Armee auch gute Seiten abgewinnen: «Wenn ich auf den Nutzen der militärischen Ausbildung angesprochen werde, fällt mir spontan der Begriff Führungserfahrung in jungen Jahren ein. Es müssen Entscheide zeitgerecht unter erschwerten Bedingungen gefällt werden, genau wie in der Wirtschaft. Und, das scheint mir wichtig, der Erfolg oder der Misserfolg eines Entscheides wird sofort manifest. Das trägt dazu bei, dass man sich, unter enormem zeitlichem Druck, noch konziser überlegt, welches der nächste und übernächste Schritt sein wird.»

Allerdings: «Wenn es etwas in der Ausbildung der militärischen Führungskräfte zu verbessern gibt, ist es bestimmt eine Reduktion der Zeit, die in den Stäben einfach versickert.»

*Kaderschmiede hat private Konkurrenz bekommen*

Rolf Dörig, CEO der Swiss Life, stellt vor allem den Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung in den Vordergrund: «Die dank den militärischen Erfahrungen erworbene Führungs- und Sozialkompetenz sowie Belastbarkeit und Teamfähigkeit sind auch im zivilen Leben von grossem Nutzen. Meine persönliche Bilanz ist eindeutig positiv. Von Führungserfahrung in jungen Jahren und dem Umgang mit Menschen verschiedener sozialer Herkunft, verschiedener Kulturen sowie Sprachen profitiere ich auch in meiner heutigen beruflichen Funktion.»

Wie passt das zusammen? Wer die militärische Laufbahn vor Jahren abgeschlossen hat, erinnert sich gerne an die positiven Aspekte.

Und zweifellos ist die Schweizer Armee für junge Leute eine Möglichkeit, sich frühzeitig mit klassischen Führungsproblemen vertraut zu machen. Doch anders als früher muss sich die Kaderschmiede der Nation der Konkurrenz aus der Wirtschaft stellen. MBA, Auslandaufenthalte während des Studiums und die gezielte Förderung durch Vorgesetzte wirken auf sie ebenso attraktiv - und es geht weniger Zeit verloren.

*Bedeutung hat sich verringert*

Die Bedeutung der militärischen Ausbildung - beziehungsweise einer militärischen Karriere für die berufliche Karriere - hat sich seit Anfang der 90er Jahre sukzessive verringert. Sie spielt nach Ansicht von Hans Wälchli, Managing Partner beim Headhunter Shikar Group Switzerland, heute bei der Auswahl von Führungskräften eine «untergeordnete bis negative Rolle».

Dies aus drei Gründen: Erstens ist die Wirtschaft globalisiert, und dementsprechend verliert das Beziehungsnetz in der Schweiz an Bedeutung. Dazu kommt mangelnde Zeit für militärische «Übungen»: Durch die Globalisierung stehen die Unternehmen in enormem Wettbewerb, und dementsprechend sind die Führungskräfte beinahe rund um den Globus und beinahe rund um die Uhr gefordert. Weiter meint Wälchli, der ehemalige Chef von Korn/Ferry Schweiz: «Bei gleichzeitiger Führung eines militärischen Kommandos sind heute die Nachteile grösser als die Vorteile.» Ein MBA an einer Top-Schule wie etwa Insead/Fontainebleau oder Stanford/USA bringe ein internationales Beziehungsnetz, multikulturelle Erfahrungen, Fallstudien aus der Wirtschaftswelt und vieles mehr - und das könne kein militärisches Kommando und erst recht kein Generalstabskurs bieten.

Als dritten Grund führt Wälchli an, dass CEOs und Verwaltungsräte bei der Auswahl einer Führungskraft sich dem potenziellen Vorwurf von «Filz zwischen Militär und Wirtschaft» gar nicht mehr erst aussetzen wollten.

Vor der militärischen «déformation professionelle» ist man auch bei der ABB Schweiz auf der Hut: Zwar belege die militärische Karriere Führungserfahrung, aber man müsse diesen Schulen gegenüber auch wachsam sein, sagt Lukas Inderfurth, Pressesprecher ABB Schweiz: «Verhaltensmuster im Sinne von ‹Law and Order› haben in der internationalen Kultur der ABB keinen Platz.» Man fördere vielmehr die Selbstverantwortung, und zwar bereits bei jungen ABB-Angestellten. Und da rund die Hälfte aller Beschäftigten ohnehin aus dem Ausland kämen und immer wieder eine andere Position einnähmen, spiele das Unterscheidungsmerkmal «Militärkarriere» faktisch keine Rolle mehr.

Mit anderen Worten: Die altgedienten Manager, die den militärischen Ausbildungs-Rucksack mit sich tragen, sind davon geprägt. Dass sie positiv davon beeinflusst wurden, ist dabei nicht der Diskussionspunkt. Und nur davon legen die positiven Antworten Zeugnis ab. Ob modernere Alternativen vielleicht die bessere Wahl wären, bleibt dabei unerwähnt.

Ein Beispiel für die historische Würdigung der Militärausbildung ist Bruno Gehrig, VR-Präsident von Swiss Life und Fourier: «Ich habe damals in jungen Jahren gelernt, Dienstleistungen zu erbringen, die ein angehender Akademiker nicht im Studium erlernen kann. Ein Fourier erfüllt eine anspruchsvolle Aufgabe. Im Gegensatz zu einem Artilleristen ist er immer im Ernst-einsatz. Das hatte für mich einen prägenden Charakter.»

Bundesrat Hans Rudolf Merz, Major, zeigt das schwierige Umfeld auf, in dem sich die Armee bewegt: «Eines möchte ich der Armee zugute halten: Sie versucht, den schwierigen Weg in die Zukunft zu meistern - unter Bedingungen, die wirklich nicht beneidenwert sind.»

*Unten statt oben ansetzen*

Detailkritik übt Konrad Hummler, Mitinhaber der Wegelin Bank und Oberst im Generalstab: «Die Führungsausbildung setzt am falschen Punkt an. Man sollte nicht die bereits in höheren Kaderfunktionen Tätigen weiterbilden, dafür gibt es eine Menge Gelegenheiten für sie - inner- und ausserbetrieblich. Vielmehr sollte man sich darauf konzentrieren, den Leuten auch auf unteren Stufen Anreize zu verschaffen, sich zu Führungskräften ausbilden zu lassen. Die Armee hat durchaus etwas im Managementbereich zu bieten, aber doch nicht dort, wo dieses Angebot sowieso gesättigt ist. Es wurden diesbezüglich schon so viele Fehler während Jahrzehnten gemacht, indem das Augenmerk nach ‹oben› gerichtet war. Es ist Zeit, dass diese Optik geändert wird.»

*Es hängt vom Einzelnen ab*

Offen bleibt auch, ob die Führungserfahrung auch umgesetzt werden kann. Peter Käser, UBS-Direktor und Leiter Personalbetreuung Wealth Management/ Business Banking: «Persönlichkeit und Kompetenz sind entscheidend für die Besetzung einer Position in der UBS. Nicht bedeutend ist, wo diese Kompetenzen erworben werden. Die militärische Ausbildung kann dazu beitragen, dass junge Menschen bereits erste Führungserfahrung erwerben. Auch nach den ersten Berufsjahren kann der Militärdienst eine zusätzliche Möglichkeit sein, Führungsverhalten zu schulen und Sozialkompetenz aufzubauen. Ob die militärische Ausbildung eine zivile Karriere unterstützt, hängt jedoch unter anderem davon ab, ob dem Mitarbeiter der Transfer seiner militärischen Führungserfahrungen ins berufliche Arbeitsfeld gelingt.»

*«Militärische Laufbahn spielt absolut keine Rolle mehr»*

Headhunter Pascal Forster erklärt die unterschiedliche Wahrnehmung nicht nur mit den Veränderungen der Wirtschaft, sondern auch mit denen der Armee: Bis etwa 1990 sei es am Ende der Rekrutenschule jeweils selbstverständlich gewesen, «weiterzumachen». Dann aber seien die zusammenschweissenden Manöver aus der Mode gekommen, was die Attraktivität gemindert habe: Heute sei es für die Schweizer Armee äusserst schwierig, akademischen Nachwuchs für die Offiziersausbildung zu finden. Und das sei ein deutliches Indiz für die nachlassende Bedeutung der Schweizer Armee als Kaderschmiede.

Bei der Mitarbeiterselektion, die er begleite, so Forster, spiele die militärische Laufbahn «absolut keine Rolle mehr». Zum gehobenen Dienst gebe es unterdessen viele Alternativen, bei denen in der gleichen Zeit gleichwertige Erfahrungen gesammelt werden könnten. Heute gebe es sogar bessere Ausbildungsmöglichkeiten: «Die Armee hat in Friedenszeiten immer nur eine fiktive Herausforderung geplant. Das ist aber zu wenig wirtschaftsnah und frisst viel Zeit.» Zudem gebe es heute weitaus bessere Werkzeuge zur Leistungsbewertung, und auch die Leistungstransparenz sei heute grösser.

Wozu also noch der Militärdienst? Der spiele vor allem dann eine Rolle, wenn es sich bei den Arbeitgebern um staatliche, staatsnahe oder vorwiegend lokal agierende Unternehmen handle. Je grösser also der Betrieb, desto kleiner die Bedeutung militärischer Kaderausbildung.

Einen ganz besonderen Vorteil jedenfalls kann Oberleutnant Ueli Forster, Unternehmer und Präsident von Economiesuisse, der Armee abgewinnen: «Während meiner Abwesenheit haben meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Gelegenheit bekommen, selber zu ‹kutschieren›, wenn auch nur während eines beschränkten Zeitfensters. Aber das waren immer wieder wertvolle Erfahrungen auch für sie.» Wie gut also, wenn der Chef von Zeit zu Zeit weggeschlossen wird und sich neue Freiräume auftun.

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