E igentlich könnte Lorenzo R. Schmid die Herbstsonne auf der Alp Flix geniessen. Auf der Terrasse des Hotels Piz Platta ist es jetzt besonders malerisch. Das Haus kaufte der Unternehmer vor elf Jahren. Damals verdiente er mit der Beteiligungsgesellschaft Commcept Millionen. Doch entspannen mag er sich nicht. «Unser Eigentümer lässt sich bei uns in letzter Zeit nur selten blicken», erklärt jedenfalls der Wirt des Piz Platta. Statt Musse in heiler Bergwelt hat Schmid Stress.

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Den Termindruck auferlegte sich Schmid selbst. Bis Ende Jahr wollte er die ersten Elektroautos aus Schweizer Produktion unter dem Namen Mindset auf die Strassen bringen. Nun rückt der Termin bedrohlich näher. Und in der Branche wettet kaum jemand mehr auf Schmid. «Mindset mag ein interessantes Projekt sein – auf Papier. Doch an der angekündigten Marktlancierung per Ende 2011 habe ich einige Zweifel», meint zum Beispiel Raffaele Domeniconi, Direktor des Branchenverbands Infovel. Der Mindset-Mentor hingegen beteuert: «Noch in diesem Jahr werden wir die ersten Wagen verkaufen.» Bis Ende 2012 sollen dann rund 1500 Fahrzeuge herumfahren.

Es ist kaum ein Wunder, dass die Branche an Schmids Mindset (englisch für Denkweise) zweifelt. Der Elektroautopionier erlitt 2002 mit dem dreirädrigen Twike Schiffbruch. Mehrere Dutzend Mitarbeiter verloren ihre Stelle. Zuvor wurde Schmids Geschäftsgebaren mit dessen Beteiligungsgesellschaft Commcept öffentlich heftig kritisiert. Im New-Economy-Boom stieg der Aktienkurs, getrieben von eifrig geschürten Erwartungen, steil nach oben und brach dann ebenso schnell in sich zusammen. Schmid als Vermögensverwalter hatte seinerseits aber Millionen an Honoraren kassiert.

Schon zwei Jahre Verspätung

Auch jetzt wird bereits von einem erneuten Scheitern der börsenkotierten Mindset Holding gesprochen. Schmid ist darüber entrüstet, räumt aber gewisse Fehler in der Kommunikation ein: «Natürlich haben wir in der Vergangenheit mehrmals Erwartungen geschürt, die wir dann nicht erfüllen konnten.» Tatsächlich war der erste Mindset bereits für 2009 angekündigt worden. Doch die Produktion verzögerte sich, weil Schmid vergeblich versucht hatte, in einem Joint Venture mit deutschen Autoherstellern wie BMW, Porsche und grösseren Zulieferern zusammenzuspannen.

Im November 2010 konnte der Unternehmer dann endlich die industriellen Partner für die Fertigung des Mindset vorstellen. Mit dabei sind zum Beispiel als wichtige Zulieferer die Brusa Elektronik aus Sennwald SG, die Swissauto Wenko aus Burgdorf BE und die deutsche Benteler Engineering Services. Zusammengebaut werden soll Mindset schliesslich beim grossen deutschen Karosseriebauer Xenatec Group in Weinsberg bei Stuttgart. Nicht zuletzt soll die Produktion in Deutschland auch helfen, an Gelder aus dem deutschen Subventionstopf zu gelangen.

Schmids grösste Sorge gilt jetzt der Finanzierung. Zwar gibt es eine Zusage des amerikanischen Fondshauses GEM Global Emerging Markets. Doch damit das in Aussicht gestellte Darlehen in der Höhe von 183 Millionen fliesst, muss ein weiterer Investor mit 50 Millionen ins Projekt einsteigen. Angebissen hat der gewünschte Grossinvestor bislang noch nicht.

Bestenfalls schon ab 2013 Gewinn

Schmid selbst hält über Commcept 30 Prozent und ist grösster Aktionär. «Mit Commcept konzentrieren wir uns heute ganz auf Mindset, und das Unternehmen steht und fällt mit dem Erfolg dieses Projekts», so der Unternehmer. Um dafür Liquidität zu sichern, hat er die Villa am Vierwaldstättersee, in der die Commcept viele Jahre residierte, verkauft und den Firmensitz ins steuergünstige bündnerische Marmorea verlegt. Fiskalisch ideal angesiedelt ist auch die Mindset Holding. Sie sitzt in Freienbach SZ. Da sie bislang nur Verluste schrieb, kann sie noch einige Jahre von Verlustvorträgen profitieren.

Schmid glaubt, bestenfalls schon ab 2013 Gewinn zu schreiben. Dann sollen nämlich 10000 Mindset verkauft werden. Laut Branchenexperten ist das ein ehrgeiziges Ziel. Der global tätige Hersteller Tesla etwa, der wohl der direkteste Konkurrent sein dürfte, müsste laut eigenen Angaben jährlich 30000 bis 40000 Elektroautos absetzen, um aus den roten Zahlen zu kommen. 2010 wurden gerade mal 1650 Roadster verkauft. In diesem Jahr halten sich Umsatz und Verlust die Waage. Um die angepeilten Grossserien von einigen Zehntausend Autos in einigen Jahren zu schaffen, sind weitere Investitionen von einer Milliarde Dollar erforderlich.

Schmid lässt sich von solchen Zahlen und Vergleichen nicht einschüchtern. Sein Optimismus gründet auf einem Trumpf, den er noch nicht gespielt hat. Es gehe dabei, deutet er an, um einen «bahnbrechenden Frequenzsprung in der Batterietechnologie». Ein spezielles Lade- und Entladeverfahren soll dem Mindset weitaus höhere Reichweiten erlauben, als in der Industrie bisher denkbar waren. «Mit lediglich 20 Kilowatt pro Stunde wird das Auto eine Reichweite von 400 Kilometern erzielen, während es Tesla mit 56 Kilowatt pro Stunde bloss 350 Kilometer weit schafft.» In den nächsten Wochen sollen weitere Details über die streng geheime neue Technik bekannt gegeben werden.

Revolutionäre Heilung

Schmid verspricht genau bei der Achillesferse der Elektroautos revolutionäre Heilung. Doch an dieses Batteriewunder will in der Branche niemand glauben. Marco Piffaretti, Geschäftsführer der auf Entwicklung und Design von Elektroautos spezialisierten Protoscar, hält grosse Sprünge in der Batterietechnik für unwahrscheinlich. «Es ist ungemein schwierig, die Energiedichte beziehungsweise Reichweite plötzlich zigfach zu verbessern.»

Statt die Konkurrenz bezüglich Reichweite weit hinter sich zu lassen, muss Schmid vielmehr aufpassen, dass sein Mindset nicht schon vor dem Start überrundet wird. Ausgerechnet zwei ehemalige Mitarbeiter haben mit einem Konkurrenzprodukt zum Überholmanöver angesetzt: Murat Günak, Ex-VW-Designchef, der den Mindset entworfen hat, sowie Daniel Buchter, der bis Februar 2010 Mindset-Geschäftsführer war. Sie lancieren das Elektroauto Mia – ein für die Masse erschwingliches Auto, das nur 23500 Euro kosten soll.

Weiteres brisantes Detail: Produziert wird das Fahrzeug von einer Nachfolgefirma des französischen Karosseriebauers Heuliez, der seinerzeit den Mindset-Prototyp gebaut hatte. «Der Fall ist hässlich, die Trennung von Günak und Bechter verlief unschön», kommentiert Schmid. Er lässt sich aber von der neuen Konkurrenz nicht entmutigen, sondern markiert Gelassenheit: «Mal schauen, wie weit sie kommen.»

Auch für die breite Masse

Schmid will nun Ende Jahr erst Mal den Pure lancieren, die Premium-Version des Wagens. Auf die Käufer warte ein Auto, das rund 100000 Franken kosten wird. Später dann, mit der Produktion grösserer Serien, sollen auch günstigere Modelle – Schmid spricht von 45000 Franken – für die breite Masse lanciert werden.