Der spontane Eindruck, wenn er sein Büro betritt: Asketisch, aber nicht verbissen. Er lacht oft und herzlich auch über sich selber. Vor ihm steht eine Schale mit Früchten, ein Potpourri aus dem Spar-Angebot. Das dürfte wohl sein Mittagessen sein. Ob die Zeit dazu überhaupt reicht? Gerold Bolinger eilt derzeit von einem Termin zum anderen, seit Mitte Jahr ist er Chef der Spar-Gruppe.

Spar ist mittlerweile eine ernst zu nehmende Konkurrenz in der Detailhandels-Landschaft geworden, wo die Aufteilung des Marktes lange praktisch zementiert war. Hier etwas zu bewegen, scheint ihm Spass zu machen. Bolinger gehört zu denen, die nicht ungern auf Widerstand stossen. Jedenfalls hat der neue Spar-Chef bislang oft in Unternehmen gearbeitet, in denen dies absehbar war.

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Wenn es eine Klammer gibt, die seine bisherigen Tätigkeiten zusammenfasst, ist es der Konsumgüterbereich und der Grosshandel mit Ausnahme seines Engagements bei KPMG Fides Peat. Dort hat der Absolvent der HWV gelernt, wie Unternehmen bewertet werden, wie der «free Cashflow» berechnet wird und wie frisierte Zahlen erkennbar sind.

Seine weitere Karriere in Stichworten: Mövenpick, Amidro, Galenica und Swiss Dairy Food. Ist Bolinger ein Job-Hopper? Mitnichten. Er nahm immer dann den Hut, wenn er der Ansicht war, seine Aufgabe sei erledigt. Etwa nach dem Aufbau des Konsumgütergeschäftes von Mövenpick oder der Integration von Amidro einer Grosshandelsorganisation für Drogisten in die Galenica. Swiss Dairy Food verliess Bolinger allerdings aus einem anderen Grund: Bolinger war mit der strategischen Ausrichtung nicht mehr einverstanden.

Bei Mövenpick war er sieben Jahre. Die Konsumgüter-Aufgabe, die er von Ueli Prager gefasst hatte, war schwierig. Im Wesentlichen ging es darum, den Aufbau von Premium Ice Cream, Kaffee und Lachs erfolgreich voranzutreiben. Die Marke Mövenpick ist zwar nach wie vor ein Begriff, die Premium-Produkte auch. Aber die derzeitige Strategie wirkt nicht überzeugend.

Kritik und Lamento sind nicht sein ding

Nach diesem Markenaufbau nahm sich der erst 35-jährige Bolinger Zeit für einen neuen Start. Das scheint eines seiner Erfolgsrezepte zu sein. Er versuchte immer, seine Tätigkeiten mit neuen Aufgaben zu verknüpfen. «Ich hatte bei Mövenpick die Chance, viel über Marketing, Werbung und Markenführung zu lernen», sagt er rückblickend. Diese Zeit hat ihn geprägt und im Gegensatz zu anderen ehemaligen Kadermitgliedern hält er auch nichts von Kritik gegenüber Jutta Prager und ihrer Art, mit dem Personal umzugehen: «Ich habe ganz andere, nur positive Erfahrungen gemacht», sagt er. Das zeigt eine weitere Eigenschaft von Bolinger: Er lamentiert nicht, sondern geht seinen Weg und lässt sich nicht durch persönliche Querelen von seinen Zielen abbringen.

Dort aktiv, wo andere abziehen

Was ihm bei seiner neuen Aufgabe zugute kommt, ist natürlich seine Erfahrung als ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und sein Know-how mit Blick auf Marken. Diese Kombination können nicht viele Manager vorweisen. «Das hat mich auch auf Spar aufmerksam gemacht», sagt Bolinger. Dieses Unternehmen ist ganz nach seinem Gusto. Es hat als erfolgreiche Schweizer Detailhandelsgruppe die Konsumflaute überstanden, expandiert ständig und hat eine Nische entdeckt, die sich jetzt auszahlt.

«Das lokale Supermarkt-Segment von 300 bis 800 m2 ist nicht professionell besetzt. Migros und Coop verabschieden sich aus diesem Segment zugunsten von umfangreicheren Märkten und Einkaufszentren», erklärt Bolinger. «Primo und Volg sind auf viel kleineren Flächen tätig. Mit unserer Devise können wir uns dort positionieren, wo sich andere verabschiedet haben.»

Die stürmische Entwicklung von Spar Schweiz rief nach einer neuen Unternehmensstruktur. Deshalb wurden die beiden Schwesterfirmen, die Spar Handels AG (in ihr sind die Spar Supermärkte zusammengefasst) und die sechs TopCC (für den Gastrobereich, das Gewerbe und den Detailhandel) mit einem Sortiment von über 15000 Artikeln unter ein Holdingdach gestellt. Gesamthaft erzielte das Unternehmen 2001 mit dem Grosshandel einen Umsatz von 772 Mio Fr., die Zahl der Arbeitsplätze lag bei 820.

Das grosse Wachstum der Spar-Gruppe Schweiz erforderte eine Neuausrichtung der Führungskultur. Sie schlug sich im «Spirit of Spar» nieder, einem Papier, in dem festgehalten wird, dass die Verantwortung auf der unterst möglichen Führungsstufe übernommen werden kann. «Diesem Grundsatz werde ich nachleben, weil er meinen Vorstellungen von einer erfolgreichen Unternehmensführung entspricht», sagt Bolinger. In der Tat: Spar ist als einziges Schweizer Detailhandelsunternehmen international breit abgestützt in 30 Ländern, mit 15800 Märkten und einem Umsatz von über 42 Mrd Fr. Bei Spar stimmen die Preise. Wegen der regelmässigen und aggressiven Aktionen mit Marken- und Eigenartikeln ist Spar preislich mit anderen Grossverteilern wie etwa Coop vergleichbar.

Bolinger konzentriert sich auf die Kunden

Darauf angesprochen, wieso er sich just für einen Familienbetrieb entschieden hat, obwohl Studien beweisen, dass es hier spezielle Konfliktebenen geben kann, erwidert er: «Das ist ein Familienbetrieb mit einer langfristigen Ausrichtung. Die Entscheidungswege sind extrem kurz. Ich kann mich darauf konzentrieren, das Geschäft weiterzuentwickeln und auszubauen. Und, was besonders wichtig ist: Ich kann mich zu 100% auf die Kunden fokussieren ohne auf Investoren, Bankanalysten und Medienschaffende achten zu müssen.»

Heisst das letztlich, dass er Kritik fürchtet, die von dieser Seite kommen könnte? Bolinger winkt ab: «Überhaupt nicht. Aber ich bin immer der Überzeugung gewesen, dass der Kundennutzen und nicht das Einhalten einer Gewinnprognose für den Unternehmenserfolg ausschlaggebend ist.»

Auf seine Stärken und Schwächen angesprochen, beginnt er, wie alle Manager, bei seinen Stärken. «Ich erkenne schnell das Wesentliche, habe ein Gespür für strategische Zusammenhänge und bin konsequent im Verfolgen der gesetzten Ziele.» Von anderer Seite erfährt man etwa, dass er etwas ungeduldig sei und sich ungern im Detail verliere. Bolinger drückt sich dazu origineller aus: «Ich schwenke den Rüssel nicht gerne im Staub.»

steckbrief

NAME: Gerold Bolinger

GEBOREN: 1958

ZIVILSTAND: Geschieden

WOHNORT: Zürich

AUSBILDUNG: Betriebsökonom HWV, Eidg. Dipl. Wirtschaftsprüfer

FUNKTION: Geschäftsführer und VR-Delegierter der Spar Handels AG

Schlagworte

OSTSCHWEIZ

«Auch die Schweiz östlich von Winterthur hat ihre Reize.»

UNSPORTLICHEMANAGER

«Sie verpassen eine wesentliche Lebensqualität in ihrem anforderungsreichen Job.»

SWISSDAIRYFOOD

«Logische Folge von personellen Fehlentscheiden.»

MIGROS

«Immer noch Massstab aller Dinge im Detailhandel.»