Der Zeitpunkt für die Vorwürfe ist geschickt gewählt: Einen Tag vor den Halbjahreszahlen von Syngenta trifft das Communiqué der Erklärung von Bern (EvB) ein. Die NGO wirft dem Agrobusinessunternehmen Syngenta vor, mit einer Werbekampagne in Thailand gegen den Verhaltenskodex der FAO (Food and Agriculture Organization of the UN) zu verstossen.

Syngenta habe bei der Promotion seines umstrittenen Unkrautvertilgungsmittels Paraquat gegen die Vorschrift verstossen, dass Werbung für Pestizide keine unangebrachten Anreize oder Geschenke beinhalten dürfe, so die EvB. Beim Kauf eines Kanisters Paraquat können die thailändischen Bauern offenbar einen Geländewagen und Motorräder gewinnen.

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Ein generelles Verbot für Paraquat gefordert

David Jones, Head of Business Development bei Syngenta, bestreitet Syngentas Wettbewerb in Thailand nicht. Damit sei aber nicht nur Paraquat beworben worden, es habe sich gleichzeitig auch um eine Sicherheitskampagne für dessen Anwendung gehandelt.

Francois Meienberg von der EvB sagt, es gehe ihm nicht nur um die angeprangerte Promotion. Die EvB setze sich schon seit längerem für ein generelles Verbot von Paraquat ein. Die Auseinandersetzung um das hochgiftige Herbizid wird dabei längst nicht mehr nur zwischen NGO und Syngenta geführt. Auch Staaten wie Schweden sprechen sich gegen Paraquat aus.

Kurz zusammengefasst geht es um Folgendes: Das auch in der EU zugelassene Herbizid könnte wohl eingesetzt werden, ohne dass es Mensch und Natur gefährdet. Die in Europa vorgeschriebenen Sicherheitsmassnahmen, wie das Tragen von Brillen, Gesichtsmasken und Gummianzüge beim Einsatz, sind aber in vielen Entwicklungsländern illusorisch, weswegen es oft zu Arbeitsunfällen kommt.

Syngenta bekommt aber nicht nur von NGO, sondern auch von keineswegs wirtschaftskritischen nachhaltigen Investoren schlechte Noten. Dass das Unternehmen dieses Jahr seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht hat, kann daran wenig ändern.

Neben dem umstrittenen Paraquat werden auch die Biotechaktivitäten des Unternehmens kritisiert. René Nicolodi vom Nachhaltigkeitsresearch der ZKB sagt, es gehe dabei nicht nur um das Freisetzen von genetisch modifizierten Organismen (GMO), ein Risiko für Umwelt und Mensch, das heute gar noch nicht abgeschätzt werden könne. Auch die Patentierung von verändertem Saatgut sei fragwürdig. Handle es sich dabei doch um die «Kommerzialisierung eines öffentlichen Gutes».

Keine moralische Instanz

Beim Nachhaltigkeitsresearch der ZKB hat man Unternehmen, die GMO freisetzen, aus dem Index ausgeschlossen. Auch die Bank Sarasin, in Sachen Nachhaltigkeitsresearch ebenfalls eine Instanz, hat «grüne Biotechnologie», Chlor und Agrochemikalien auf der schwarzen Liste.

Anders sieht man das bei der SAM-Group, die mit Dow Jones zusammen den Dow Jones Sustainability Aktien-Index ins Leben gerufen hat. «Wir verfolgen einen Best-in-class-Ansatz, das heisst, wir analysieren Unternehmen in jeder Industriegruppe und wenden keine Ausschlusskriterien für den Index an», sagt Pierin Menzli, Chemie- und Pharmaanalyst. Die SAM-Group sei ein Finanzinstitut und keine moralische Instanz, die darüber zu entscheiden habe, ob Alkohol, Pornographie oder eben genetisch modifizierte Organismen gut oder schlecht seien.

«Wir versuchen herauszufinden, wie die Unternehmen mit diesen Themen umgehen, ob sie zum Beispiel unternehmensweite Standards formuliert haben und diese aktiv überwachen. Ein wichtiger Punkt im Umgang mit kritischen Themen ist auch die Kommunikation mit den Stakeholder», sagt Menzli. Syngenta sei nicht im Dow Jones Sustainability Index vertreten, wohl aber Unternehmen wie Bayer oder BASF, die ebenfalls GMO freisetzten. Menzli wollte aber keine Auskunft darüber geben, was den Ausschlag für die Nichtaufnahme Syngentas gab.

Umweltrating «schlecht»

Auf dem für Credit-Suisse-Kunden zugänglichen Internetdienst «Investor Circle» sind die Umwelt- und Sozialratings der SAM Group zu verschiedenen Unternehmen publiziert. Syngenta bekommt im Umweltbereich die Note «schlecht» und im Sozialbereich die Note «gut». Andere Chemieunternehmen, die ebenfalls im Bereich Agribusiness tätig sind, wie DuPont oder Bayer, gehörigen aber in beiden Disziplinen sogar zu den Besten der Chemiebranche (Note «best»). Mit anderen Worten, auch im exponierten Pflanzengeschäft kann man im Urteil der SAM Group «nachhaltig» wirtschaften.

Ciba, die es ebenfalls nicht in den Dow Jones Sustainability Index geschafft hat, erhält immerhin die Note «gut» im Umwelt- und ein «genügend» im Sozialbereich. Zu anderen Schweizer Chemiefirmen sind keine Ratings veröffentlicht.

Im Urteil der ZKB führt Ciba die Schweizer Chemiebranche an, aber ins «Nachhaltigkeitsuniversum» der Kantonalbank hat es auch Sika geschafft. «Clariant hat im Vergleich zu den vorherigen Jahren deutlich mehr Umweltkennzahlen veröffentlicht, was auf eine positive Tendenz hinweist», sagt Chemie- und Pharmaanalyst René Nicolodi. Auf einem ähnlichem Niveau befinde sich auch Lonza, während Ems-Chemie gemäss Nicolodi noch grösseres Verbesserungspotenzial aufweise. Die Bank Sarasin bevorzugt Givaudan, Ciba und Sika, die sie in Nachhaltigkeitsfragen als «überdurchschnittlich» taxiert. Clariant und Lonza erhalten nur ein durchschnittliches Rating.

Sanierungsreife Deponien

Obwohl also einige Schweizer Chemieunternehmen in Sachen Nachhaltigkeit nicht schlecht dastehen, sehen sich derzeit zumindest die Basler Chemiefirmen alle der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Sie haben in den 60er und 70er Jahren (legale) Chemiedeponien errichtet, die nun dringend saniert werden müssen.

Actares, ein Aktionärsverein für nachhaltiges Wirtschaften, ist nicht nur mit Syngenta im Gespräch wegen Paraquat, sondern auch mit allen Chemie- und Pharmaunternehmen, die von der Deponiefrage betroffen sind. «Wir kritisieren, dass die Sanierung der Deponien auf die lange Bank geschoben wird», sagt Ruedi Meyer von Actares. Von dieser Kritik ausgenommen ist selbst der Nachhaltigkeitsprimus Ciba nicht. «Auch Ciba könnte sich mehr einsetzen für eine rasche Sanierung», sagt ZKB-Analyst Nicolodi.

Ein Nachhaltigkeitsbericht, wie ihn heute zahlreiche Unternehmen veröffentlichen, beindruckt Investoren und NGO übrigens nicht a priori. Die Analysten wollen quantitative Ziele und Kennzahlen sehen. Angelaufene Kampagnen müssen auf ihre Effizienz überprüft werden. Diesen Ansprüchen genügt der Syngenta-Nachhaltigkeits-Bericht offenbar nicht: «Er ist noch zu wenig transparent» kritisiert Meienberg von der EvB.