Nahrungsmittelkonzern legt Nährwerte offen: Nestlé macht erst gut die Hälfte seines Umsatzes mit gesunden Produkten

Nestlé hat in den vergangenen Jahren Tausende Tonnen Zucker, Salz und ungesunde Fette aus Cornflakes, Biskuits und Tiefkühlpizzen genommen. Trotzdem entsprechen noch immer erst gut die Hälfte der Nestlé-Produkte, gemessen am Umsatz, dem internationalen Standard einer gesunden Ernährung. Das sagt nicht etwa eine Nichtregierungsorganisation, das sagt Nestlé selbst. Als erstes Unternehmen legt Nestlé den Nährwert des gesamten globalen Portfolios offen. Die Produkte wurden global anhand des Health Star Rating (HSR) bewertet. Zudem weist Nestlé in 13 einzelnen Märkten anhand von nationalen Ratings wie dem Nutriscore aus, wie gut der Nährwert des Portfolios in den jeweiligen Ländern ist. HSR ist ein einfaches, international gängiges System zur Bewertung des Nährwerts von Nahrungsmitteln. Danach erzielten 57 Prozent der Nestlé-Umsätze aus Nahrungsmitteln und Getränken auf einer Skala von 0,5 bis 5 ein Score von 3,5 oder mehr. Die Umsätze von Tierfutter, Babynahrung, Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitaminen wurden dabei ausgenommen. Der Wert der gesunden Nahrungsmittel von 57 Prozent bezieht sich damit auf 79 Prozent der Umsätze von 94,4 Milliarden Franken im vergangenen Jahr. 43 Prozent sind ungesund 43 Prozent der Umsätze hatten einen HSR-Score von weniger als 3,5 und gelten damit als ungesund. Bei jedem fünften verkauften Nestlé-Produkt lag der Score unter 1,5. Produkte mit einem Wert von 1,5 oder weniger sollten für eine gesunde und ausgewogene Ernährung aufgrund ihrer Zusammensetzung nur gelegentlich konsumiert werden. Mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent erreicht der Hersteller von Kitkat, Nesquik und pflanzlichen Burgern bereits heute das Ziel der Access to Nutrition Initiative. Die Initiative arbeitet daran, dass bis 2030 alle grossen Nahrungsmittel- und Getränkekonzerne mindestens 50 Prozent ihrer Umsätze mit gesunden Nahrungsmitteln machen. Die Access to Nutrition Initiative wird von der Bill and Melinda Gates Foundation, der Weltgesundheitsorganisation und der irischen und der britischen Regierung unterstützt. Nestlé will sich zudem ein Ziel setzen, wie der Anteil der gesunden Nahrungsmittel weiter erhöht werden kann werden. Wie dieses aussehen soll, ist noch nicht bekannt. Ungesunde Nahrungsmittel gehören, neben Umweltproblemen wie der Plastikverschmutzung oder der Abholzung von Regenwäldern und sozialen Probleme wie der Kinderarbeit zu den grössten Reputationsproblemen von Nestlé. Vor allem in Deutschland kommt Nestlé immer wieder unter Beschuss. Bös, böser, Nestlé: Warum kein anderes Unternehmen so verteufelt wird wie Nestlé Wenn Nestlé auftaucht, sehen viele rot. Kaum ein anderes Unternehmen steht so oft am Pranger, kaum ein Konzern muss derart pauschal für alle Verwerfungen geradestehen, die Globalisierung, Kapitalismus und freie Marktwirtschaft mit sich bringen. Und nur Nestlé geniesst das zweifelhafte Privileg, Gegenstand eines eigenen Genres zu sein: demjenigen der «Nestlé-Kritik». Bös, böser, Nestlé – mindestens diese Gleichung scheint in einer Welt, die immer komplizierter wird und die uns mit ihren Zumutungen jeden Tag aufs Neue überfordert, ihre Gültigkeit nicht zu verlieren. Egal ob Abholzung, Kinderarbeit oder Plastikverschmutzung – Social Media und das Netz wissen: Nestlé ist schuld. Nur: Warum muss Nestlé wie ein Magnet für alles Schlechte dieser Welt herhalten? Wie kommt es, dass sich das Bild des Bösewichts so hartnäckig hält – all den Anstrengungen zum Trotz, die der Konzern bei Klima, Umwelt oder Kinderarbeit und Gesundheitsschutz unternimmt? Und wie kommt es, dass der Schweizer Multi trotz all seinen Reputationsproblemen kommerziell so erfolgreich ist? Bös, böser, Nestlé, so läufte die Vevey-Vendetta: Mehr dazu lesen Sie hier Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg begrüsst zwar, dass Nestlé nun offenlegt, wie gesund und ungesund sein Portfolio ist. Die Auswertung zeige aber auch, dass die in Deutschland verkauften Nestlé-Produkte ungesünder seien als anderswo. Ungesündere Nestlé-Produkte in Deutschland In der Tat zeigen die Nutriscore-Auswertungen, dass in Nestlé in Frankreich 17 Prozent seiner Umsätze mit Produkten macht, welche die höchste Bewertung erzielen. Das entspricht der Hälfte aller Nestlé-Umsätze in Frankreich, die von der Nutriscore-Regelung erfasst werden. In Deutschland erreichen nur 3 Prozent der Umsätze ein Nutriscore-A-Rating, bei einem Anteil von 46 Prozent, der von der Nutriscore-Regelung erfasst wird. «Die Qualität der von Nestlé in Deutschland verkauften Nahrungsmittel ist deutlich schlechter als die in Frankreich», sagt der deutsche Konsumentenschützer. Nestlé verkaufe in Deutschland eben immer noch sehr viele Süsswaren. Mit dem Nutriscore lässt sich spielen Doch die Kritik geht noch weiter. Nutriscore lasse den Unternehmen zu viel Spielraum, um zu tricksen. So sei es etwa möglich, bei Frühstücksflocken etwas Ballaststoffe und etwas Eiweisse beizumischen und so ein besseres Scoring zu erzielen, ohne dass dafür der Zuckergehalt reduziert werden müsse. Auch Nestlé gehöre zu den Unternehmen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten. So verkaufe der Konzern zum Beispiel noch immer Frühstücksflocken mit einem hohen Zuckergehalt. So habe das Nesquik Knusper Müsli trotz Nutriscore A einen Zuckergehalt von mehr als 20 Prozent. «Wir warnen vor Fehlschlüssen», sagt Armin Valet. Ein gutes Nutriscore heisse noch lange nicht, dass ein Lebesnmittel gesund sei. Denn der Nutriscore sage zum Beispiel nichts über den Einsatz von Zusatzstoffen oder zur Nachhaltigkeit aus. Und: «Wenn es Nestlé ernst meinen würde mit den gesunden Lebensmitteln, dann müssten einige Produkte, vor allem solche für Kinder, aus dem Portfolio verschwinden». Zudem gehe der Nutriscore davon aus, dass ein Zuckerkonsum von bis zu 90 Gramm pro Tag für einen Erwachsenen unbedenklich seien. Führende Ernährungswissenschaftler seien aber der Meinung, dass die Grenze bei 50 Gramm pro Tag liegen sollte. Und schliesslich berücksichtige der Nutriscore nicht, dass womöglich auch stark prozessierte Nahrungsmittel mit gesundheitlichen Problemen wie Übergewicht oder Diabetes in Verbindung stünden, kritisiert der Konsumentenschützer. Das aber legten Untersuchungen nahe. Klar ist: Das Thema der zu fettigen, zu süssen und zu salzigen Lebensmittel bleibt auf der Tagesordnung. So plant etwa die deutsche Regierung ein Gesetz, das Werbung im Fernsehen für ungesunde Kinderprodukte verbietet.

Nahrungsmittelkonzern legt Nährwerte offen: Nestlé macht erst gut die Hälfte seines Umsatzes mit gesunden Produkten

Nestlé macht rund die Hälfte des Umsatzes mit ungesunden Produkten