Familienunternehmerin Natalie Spross führt die Spross Holding AG: Gartenbau, Recycling und Immobilien

«Ich habe so starke Fundamente gelegt, dass das Unternehmen eine Versagergeneration ertragen könnte»: Das hat Ihr Grossonkel Werner H. Spross einmal gesagt. Die nächste Generation, das sind Sie. Natalie Spross: Ja, in persona, und ich kann das Geschäft nicht in den Boden fahren. Ich bin dankbar, dass Werner H. Spross eine so gute Substanz erarbeitet hat. Doch die Umstände sind heute anders als in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren und ich kann mich nur den aktuellen Gegebenheiten stellen. Natalie Spross, 43, ist seit 2013 CEO der Spross Holding AG in Zürich. Bereits während des Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich war sie im Familienunternehmen tätig. 2005 stieg sie vollamtlich in die Spross-Verwaltung ein und wurde 2006 Mitglied der Geschäftsleitung – als Leiterin des Bereichs Administration (Immobilienverwaltung, Finanzen, Marketing, Personal). Sie sind in Immobilien, im Gartenbau, im Recycling. Was beschäftigt Sie am meisten? Den grössten Fussabdruck hinterlasse ich mit den Immobilien: Die sind fünfzig, sechzig Jahre da. Ich muss also sehr bewusst bauen, und das kann ich wunderbar kombinieren mit den anderen Geschäftsfeldern, der Entsorgung und dem Gartenbau. Ich weiss, was mit den Materialien passiert, die ich wiederverwerten kann. Dieses Know-how lässt sich nutzen. Und mit Gartenbau kann ich alles noch grün einpacken, etwa mit Fassaden- oder Dachbegrünungen. Wenn Sie vom Fussabdruck reden, meinen Sie das ökologisch? Nachhaltigkeit als Hauptziel der Spross-Gruppe? Ist es ein Ziel? Es ist mein Ziel, dass ich den Fussabdruck sehr bewusst setze. Alle Mitarbeitenden meiner Firma – alle Sprösslinge – sollen sich bewusst sein, wieso sie etwas machen. Aber ich bin kein Weltverbesserer, ich habe auch ein Auto und verreise gern einmal im Jahr in die Ferien. Und am Jahresende muss doch die Bilanz aufgehen. Natürlich muss ich einen Ertrag erwirtschaften. Aber zum Glück besitzen wir als Familie grossmehrheitlich die Firma, wir haben ein Aktionariat, das keine Gewinnmaximierung will. Ich kann also den Erfolg wieder investieren, in Innovationen, in gute Immobilien, in alles, was es braucht. Mit Ihren Immobilien in der Stadt Zürich, darunter rund 1300 Mietwohnungen, erzielen Sie momentan sicher schöne Renditen … Da denken Sie richtig. Doch beim Recycling sind die Margen wohl eher tief? Entsorgung ist ein spezielles Gebiet. Es ist spannend, hat jedoch eine intensive Dynamik: Politische Themen und gesellschaftliche Fragen spielen hinein, auch viel Lobbyismus steckt dahinter, je nachdem geraten andere Stoffe in den Fokus. Die Margen sind aber beim klassischen Muldenservice oder bei einer Sortieranlage nicht sehr hoch. Was bedeutet das Nein zum CO₂-Gesetz für Sie? Verpassen Sie nun Chancen, etwa im Recycling? Ich lasse mir nicht mehr sagen, was meine Verantwortung ist: Ich muss meine Verantwortung selber tragen. Als Unternehmerin nehme ich die CO₂-Problematik auch ohne ein Gesetz wahr. Zum Beispiel bauen wir ein Werk für Recyclingbeton mitten in Zürich. Dort planen wir, ein System zu verwenden, das CO₂ aktiv in Beton einbindet. So speichern wir so viel CO₂, dass es fast dem jährlichen Ausstoss unserer LKW entspricht. Unsere Camions fahren in Zukunft quasi CO₂-neutral. Warum um Himmels willen bauen Sie ein Betonwerk mitten in der Stadt Zürich? Ich weiss auch, dass die Betonwelt nicht auf uns gewartet hat. Doch es geht um kleine Mengen, die wir über kurze Strecken transportieren. Der Betonmischer muss nicht jedes Mal von Adliswil oder sonst wo anfahren. Als Unternehmerin will ich vor allem den Recyclingbeton fördern und meine Sortieranlage einbinden, wo ich Mischabbruch aufbereiten kann. Bleibt Ihr drittes Geschäftsfeld: der Gartenbau. Boomt der in der Corona-Zeit? In der Pandemie kümmerten sich viele selber um ihre Gärten, da profitiere ich als Unternehmerin nicht. Deshalb habe ich letztes Jahr den Gartenbau reorganisiert, wir wurden kleiner und zogen uns aus Grossbaustellen zurück. Gleichzeitig mache ich mehr Beratungen und Fachplanungen selber. So haben wir auch eine eigene Gartenarchitektin. Was wünschen sich die Leute heute im Garten? Biodiversität ist ein grosses Thema: zurück zur Natur. Auch will ich gar keine Palmen verkaufen, die man im Winter einpacken und beheizen muss. Ein anderer Trend ist die Bewirtschaftung des Gartens; die Leute legen Nutzflächen an und ziehen eigene Salate und Tomaten. Nicht jeder hat allerdings Hunderte Quadratmeter. Deshalb gilt es meist zuerst einmal, die Kernwünsche der Kunden und Kundinnen zu erfüllen. Wenn der Bub Fussball spielen will, darf es keine Blumenwiese geben. Ihr Unternehmen ist sehr stark in Zürich, doch Sie beschränken sich auch auf den Raum Zürich. Wann wird das zu eng? Ich habe nicht den Wunsch, zu wachsen. Im Gartenbau haben wir uns ja sogar verkleinert. Dort will ich das «Klein, aber fein» pflegen und das Fachwissen in den Vordergrund rücken. Ich wachse in der Entsorgung. Bei Immobilien würde ich gern wachsen, im aktuellen Markt ist das allerdings schwierig. Da geht es darum, einzelne Juwelen zu kaufen und den Bestand qualitativ hochzuhalten. Das hört man selten: Eine Unternehmerin, die sagt, sie wolle nicht wachsen. Wachstum ist kein eigenes Ziel. Ich lasse es nur wachsen – in den Gärten. Aber Grösse bietet auch in Ihren Geschäftsfeldern oft Vorteile. Und wenn sich die Branche konsolidiert, können mittelgrosse Anbieter unter Druck geraten. Ich kann wachsen, muss es aber nicht. Das heisst nicht, dass ich mich nicht entwickle. Stillstand ist Rückschritt. Bei der Immobilienverwaltung beispielsweise ist die Digitalisierung ein aktives Thema. Zu diesem Zweck bin ich an einem Startup beteiligt, E-Monitor, das den Bewerbungsprozess bei Wohnungen digitalisiert. Parallel dazu vereinfachen wir die Kommunikation mit den Mietern und wickeln sie digital über eine Plattform ab. Weil ich meine eigene Eigentümerin bin, fällt die ganze Kommunikation mit der Eigentümerschaft weg. Und Übernahmen? Kein Thema? Wir führen keine konkreten Gespräche, aber beispielsweise bei Nachfolgeregelungen in KMU könnte es Thema werden. Und auch in den anderen Geschäftsfeldern: Ihr Fokus bleibt in Zürich? Spross bleibt in Zürich. Man nannte meinen Grossonkel zwar den «Gärtner der Nation», aber Gartenbau ist ein regionales Geschäft. Entsorgung ist auch eher regional ausgerichtet, mit Ausnahme der Verwertung. Die Entsorgung passiert ebenfalls vor Ort. Alles ist mit der Distanz verknüpft. Wer zahlt mir denn den Weg, wenn ich für den Gartenbau nach Bern fahre? Bei den Immobilien würden Sie gern wachsen, haben Sie gesagt. Ist es zu teuer geworden? Ich bezahle nicht jeden Betrag, glücklicherweise muss ich das auch nicht, weil wir einen Bestand haben. Einige Liegenschaften erreichen ein gewisses Alter, in dem wir sie sanieren oder durch einen Neubau ersetzen müssen. Ich kann mich also aus dem Portfolio heraus weiterentwickeln. Ich bin aber offen für Käufe. Wenn ich Chancen habe, dann bei Nachfolgeregelungen und Nachlässen. Auch wenn ich nicht mit Pensionskassen mitbieten kann: Mit mir kann man reden. Ich offeriere den Besitzern beispielsweise, dass sie noch einige Jahre im Haus leben können, bis sie ins Altersheim ziehen. Ich stehe als Person hin und bin kein klassischer Investor, der die Immobilie wiederverkaufen will. Ist nicht gerade Ihr Immobilienheimmarkt Zürich speziell schwierig? Der Immobilienmarkt hat regionale Gegebenheiten – und in einem Gebiet, das ich nicht kenne, sind die Risiken viel höher. Ich will bei diesen hohen Preisen nicht zusätzlich Risiken eingehen. In Basel sind die Häuser derzeit auch nicht billig. Ist der ganze Markt zu hoch bewertet? Ich bin Unternehmerin, keine Volkswirtschafterin, aber ja: Die Preise sind sehr hoch. Geld kostet momentan nichts, da sehe ich eine Gefahr: Der eine oder andere hat sich vielleicht zu viel aufgehalst. Zwar werden die Zinsen in den nächsten drei Jahren nicht gerade durch die Decke schiessen. Aber sobald sie ansteigen, wird viel in Bewegung kommen. Und ob das dann alle überleben werden, wird sich weisen. Was wäre, wenn die Zinsen wieder mal auf 4 oder 5 Prozent steigen: Wäre Ihr Unternehmen gewappnet? Wir haben die Szenarien, wir haben nach wie vor Zinsabsicherungen, auch wenn uns das etwas kostet. Wir haben natürlich Hypotheken auf unseren Immobilien, aber nicht an der Grenze. Und ich finanziere so auch meine anderen Bereiche über die Immobilien. Bei den heutigen Preisen könnten Sie ja einen Teil Ihrer Liegenschaften jetzt perfekt vergolden. Und wohin mit den Erträgen? Haben Sie mir einen Tipp? Bitcoin? (lacht) Sehen Sie keine völlig neuen Geschäftschancen? Ich kann ja glücklicherweise investieren – etwa in die Entsorgung. Auch für mich ist das Geld im Moment günstig. Dafür muss ich keine Immobilien verkaufen. Wir haben Bereinigungen vorgenommen und in den letzten 15 Jahren grössere Immobilien verkauft. Es waren aber alles Gewerbeliegenschaften. Aus diesem Bereich habe ich mich fast komplett zurückgezogen. Das wirkt jetzt im Rückblick sehr schlau. Ich winde mir da kein Kränzchen. Ich hatte einen Verwaltungsrat, der den Entscheid mittrug, und ich bin froh, dass es im Nachhinein richtig war. Ich verwalte alle meine Immobilien selber und bei Gewerbeimmobilien sind die Kunden und die Umgebung anders als bei Mietwohnungen. Wer professionell sein will, kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Gewährten Sie während der Lockdowns Mietzinserlasse? Weil ich nicht mehr viel Gewerbeliegenschaften habe, war nur ein kleiner Teil der Mieten betroffen. In einigen der Häuser hat es noch Gewerberäumlichkeiten, etwa Cafés oder Kinderkrippen. Jenen Mietern, die es schlimmer traf als mich, kam ich entgegen. Ich habe lieber eine Zeit lang nur einen Anteil der Miete, wenn ich die Mieter dafür langfristig behalten kann. Und wie ist es bei den Wohnungen? Gerade in Ihrem Heimmarkt ist oft die Rede von «Gentrifizierung». Sind die Mietpreise für Sie ein Thema? Ja. Ich will für jedes Portemonnaie bauen. Ich muss zum Glück nicht Gewinne maximieren, aber die Frage ist auch, wo ich jedem Portemonnaie etwas bieten kann. Bei einem neu erworbenen Haus kann ich bei den Preisen nur begrenzt unten rein, sonst lege ich drauf. Zum Glück haben wir einen Bestand von Immobilien, die wir schon seit fünfzig oder sechzig Jahren haben – und wenn ich die sanieren muss, haben wir eine andere Kostenrechnung. Das gibt mir die Möglichkeit, auch kleineren Portemonnaies etwas zu bieten. Ihr Unternehmen ist sehr zurückhaltend mit Zahlen: Gewinn, Ebitda, Umsatz. Warum? Es sind eigentlich keine Geheimnisse. Ich könnte viele Zahlen nennen, aber was sagen die aus? Wenn ich das Ergebnis anderer Firmen sehe, frage ich mich immer, welche Zahlen sich darin verstecken, wie viel zum Beispiel abgeschrieben wurde. Nennen Sie dennoch eine aktuelle Umsatzzahl? Unser konsolidierter Umsatz beträgt 65 bis 70 Millionen Franken. Im Bauwesen dominiert momentan ein Thema: Es fehlt an Baustoffen, die Preise gehen durch die Decke. Wie trifft Sie das? So richtig kommt das erst noch. Es wird wohl noch eine Weile mühsamer, bis die Lager wieder aufgestockt sind und die Logistik überall funktioniert. Wir selber merken es fallweise – da kann zum Beispiel ein neuer Lastwagen nicht geliefert werden, weil das Leitsystem der Sensorik nicht angekommen ist. Bei unseren Bauten läuft noch alles, ich habe nirgends einen Baustopp wegen Materialengpässen, … … weil Sie früh genug bestellt haben? Weil es bereits laufende Projekte sind. Ich habe das Glück, dass ich momentan keinen neuen Bau beginnen muss. Wer aber im nächsten halben Jahr Materialien benötigt, wird die Engpässe vermutlich zu spüren bekommen. Werner H. Spross war ein Patron, der jeden Morgen um 5 Uhr im Büro war. Sie führen das Unternehmen im 75-Prozent-Pensum. Was hat sich geändert: die Umstände, die Kultur, die Persönlichkeit, der Aufwand …? Ich kann nur für mich reden, und ich arbeite Teilzeit, weil ich Mami bin. Und weil ich meine Kinder auch am Morgen aufwecke und in die Schule schicke. Wenn Sie wissen wollen, ob das funktioniert, dann müssen Sie wohl meine Kinder und meine Mitarbeitenden fragen. Es funktioniert offenbar: Sie sind seit 2013 CEO – und das Unternehmen ist noch nicht zusammengebrochen. Ich denke, es funktioniert, weil ich mir selber bewusst bin, dass ich um mich herum starke Personen brauche. Ich habe weder das Know-how noch die Zeit – egal ob in einem 80- oder 100- oder 120-Prozent-Pensum –, um die drei Bereiche wirklich zu führen. Ich benötige die Leute – und ich lasse die Leute auch machen: Sie haben ihre Freiheiten und ich vertraue ihnen. Als mein Vater und ich nach dem Tod von Werner H. Spross die Firma übernahmen, war das ein Hauptthema: Wir wechselten von einer steilen Hierarchie in eine Teamführung. Und so bin ich heute nicht alleine in diesem Boot. Heisst das, all die 120- und 150-Prozent-Chefs können einfach schlecht delegieren? Ich sage einfach, dass es auch so geht. Bei anderen Jobs kann es anders sein. Mir ist es zum Beispiel wichtig, dass ich im Unternehmen Teilzeit bieten kann, aber ich sehe auch, dass es nicht bei jeder Stelle geht. Es gibt Funktionen, wo jemand Dreh- und Angelpunkt ist: Wenn ein Bauführer bei einer Grossbaustelle nur von Montag bis Donnerstag ansprechbar ist, wird es schwierig. Ein letzter Verweis auf Werner H. Spross: Sie sind diskret, Sie sind in der Öffentlichkeit viel weniger bekannt. Ein Vorteil? Ich will nicht bekannter sein. Wenn ich durch die Stadt laufe, kennt man mich kaum, und das ist für mich auch absolut in Ordnung. Das endet aber oft, wenn ich irgendwo meinen Namen eintragen muss. Dass jede und jeder damals den «Gärtner der Nation» kannte, war sicher gut fürs Geschäft. Es war wichtig für ihn. Und es spiegelte, wie er agierte. Das Geschäft war sein Leben, und das Zusammenspiel mit Politik und Wirtschaft war ein Teil davon. Aber so etwas ist heute ja eher verpönt. Wenn ich heute einen Politiker angehe, weil ich das wegen meines Namens vielleicht kann, dann wird es heikel. Die Umgebung hat sich verändert: Man muss sich stärker mit Sach- und Fachargumenten durchsetzen, mit Leistung, auch wenn die menschliche Beziehung wichtig geblieben ist. Kurz: Die Schweiz ist weniger verfilzt. Ich glaube es, ja. Das hat Vor- und Nachteile. Beim klassischen Filz hatten Aussenstehende kaum eine Chance, hineinzukommen – und wer einmal drin war, flog fast nicht mehr raus. Gut, dass das vorbei ist. Aber wir müssen aufpassen, dass wir die menschliche Komponente nicht verlieren. Je nachdem kann ich nicht mit einer Person nachtessen gehen, obwohl wir uns gut verstehen, und das ist auch wieder schade. Denn am Ende müssen wir alle Vertrauen zueinander aufbauen. Dieser Artikel wurde das erste Mal publiziert am 08.07.2021.

Familienunternehmerin Natalie Spross führt die Spross Holding AG: Gartenbau, Recycling und Immobilien

Natalie Spross: «Das Wachstum ist kein eigenes Ziel»

«Ich habe so starke Fundamente gelegt, dass das Unternehmen eine Versagergeneration ertragen könnte»: Das hat Ihr Grossonkel Werner H. Spross einmal gesagt. Die nächste Generation, das sind Sie.