Nespresso-System steht heute nicht mehr konkurrenzlos da, denn sowohl Lavazza als auch Tassimo von Jacobs, Solis, Amici und seit einem Jahr auch Delizio (Migros) arbeiten mit Einzelportion-Kapseln, -Beuteln und -Plastiktöpfchen. Dennoch ist Nespresso eine echte Innovation aus dem Hause Nestlé, und das von A bis Z aus Schweizer Produktion.

Da ist zuerst die Technik: Das 90û heisse Wasser wird mit einem Druck von gewaltigen 19 Bar durch die Kapsel gedrückt. Allein die Entwicklung der Pumpe dauerte Jahre. Die Maschinen sind kompakt, und der Geschmack des Kaffees ist nach Aussagen praktisch sämtlicher Tester der beste aller vergleichbaren Systeme. Entsprechend philosophieren die Leute aus Paudex bei Lausanne gerne über die Crema.

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Made in Switzerland

Der Nimbus der Swissness lässt sich vor allem im Ausland gut mit den Aussagen von höchster Qualität, hohem Innovationsgrad und dem gut bezahlten «darfs etwas besser sein?» verbinden. Anders als bei anderen Schweizer Produkten, deren Helvetizismus sich oft im Anbringen einer Etikette und dem Nachziehen von ein paar Schrauben erschöpft, ist «Made in Switzerland» bei Nespresso Wirklichkeit. Der erste Kaffeemaschinen-Hersteller für Nespresso war das Schweizer Unternehmen Turmix, und die Kapselproduktion findet ausschliesslich in der Nespresso-Fabrik in Orbe mit rund 130 Beschäftigten statt. Und es wird auch immer noch in der Schweiz investiert. Dazu gehört der Aufbau eines neuen mehrsprachigen Relationship-Centers mit 200 neuen Arbeitsplätzen.

Projektleiter bei Nestlé war der heute 59-jährige Eric Favre; er bearbeitete seinen Arbeitgeber zehn Jahre lang, bis der damalige Nestlé-Chef Helmut Maucher grünes Licht für die Nespresso-Idee gab. Favre vermarktete seine Idee unter seinem eigenen Namen Monodor und tat sich vor knapp zwei Jahren mit der Konkurrentin Gaggia zusammen: Er verschmolz seine Idee mit den Maschinen der Gaggia-Tochter Saeco zum Delizio-Produkt und lizenzierte sie an die Migros.

Doch die Technik macht nicht den eigentlichen Reiz aus zumal das Nespresso-Projekt am Anfang um ein Haar wieder eingestampft wurde; die Maschinen tropften und versagten häufig ihren Dienst. Nach sieben erfolglosen Jahren wollte man, so der heutige Nespresso-CEO Gerhard Berssenbrügge, «fast dichtmachen» (siehe auch «HandelsZeitung» Nr. 44 vom 27.10.2004). Erst die Verbesserung der Maschinen und Wechsel im Management brachten die Wende.

Hinter dem nachhaltigen Erfolg steht aber vor allem eine konsequent verfolgte Marketing-Idee: Das Kaffee-Trinken zu einem Hochgenuss hochzustilisieren und Nespresso als Premium-Marke zu positionieren. Die elegant geformten und gefärbten Aluminium-Kapseln (im Nespresso-Jargon «Gran Crus») werden in Packungen angeboten, die an Schmuckschatullen erinnern. Die unterdessen 38 Nespresso-Shops (Jargon: «Boutiquen») in mehr als 35 Städten davon sechs in der Schweiz sind exklusiv eingerichtet und bieten einen Service und eine Fachkompetenz, von dem sich so manche Dienstleisterin eine Scheibe abschneiden könnte. Der jüngste wurde vor wenigen Wochen inSt. Gallen eröffnet, acht weitere sollen bis Ende Jahr folgen.

Dazu kommt ein Internet-Service, der sich gewaschen hat. Die Kunden (Nespresso-Jargon: «Club-Mitglieder») können zudem während sieben Tagen pro Woche über 24 Stunden eine Gratis-Hotline kontaktieren, die auch Servicetechniker samt Ersatzmaschinen ausschwärmen lässt.

Durchdachte Dreieinigkeit

Die tragenden Säulen des Nespresso-Systems sind der «Club», die Maschinen und der Kaffee. Die Club-Mitglieder wollen auch gut behandelt werden, schliesslich kommt ein Espresso auf beinahe48 Rp. zu stehen, womit Nespresso auch beim Preis an der Spitze der Branche steht der Espresso aus dem klassischen Espresso-Kocher kostet rund 7 Rp. Im Gegensatz zu anderen Anbietern beschränkt sich Nespresso allerdings auf Kaffee und bietet keine Schokoladen- oder Teesorten an ein Reservoire für weitere Produkte-Entwicklungen.

Maschinen und Händlerim Griff

Hier kommen die Maschinen ins Spiel: Als Trost beherrschen einige die Funktionen von heisser Milch und Milchschaum. Einer der jüngsten Maschinen-Sprosse ist der Siemens-Konzern, der den frei werdenden Platz von Gaggia im Oktober 2004 einnahm und mit seinen zwei Modellen an der Spitze der Standgeräte steht. Bis Ende 2005 wird er rund 8000 Maschinen absetzen können, was deutlich über den Erwartungen liegt. Der Siemens-Marktanteil liegt bei 5%.

Das Flaggschiff SN 70 beispielsweise beherrscht alle denkbaren Funktionen. Dazu gehören die einstellbare Wasserhärte, die wahlweise einschaltbare Tassen-Wärmplatte und der automatische Kapseleinzug und -auswurf. Die Kapsel wird zu Beginn auf einen balkonartigen Vorsprung gelegt und automatisch eingezogen, was dem Modell den Übernamen Romeo einbrachte.

Die Nespresso-Maschinen zeigen es: Nespresso konnte das proprietäre System bei den Maschinenherstellern durchsetzen. In der Schweiz bieten Turmix, Koenig, Jura, Alessi, Miele und Siemens Nespresso-Geräte an, in anderen Ländern kommen Marken wie Krups, Magimix und DeLonghi dazu.

Auch beim Vertrieb geht Nespresso eigene Wege: Der Handel darf nicht mitverdienen und wurde ausgeschaltet. Der Absatz der Kapseln erfolgt ausschliesslich über Internet und die eigenen Läden. Die Wiederverkäufer dürfen zwar Maschinen verkaufen, aber (mit Ausnahme der kleinen Probierportionen) keine Nespresso-Kapseln.

Da mag es erstaunen, dass die ursprünglich 1970 bis 1976 entwickelte Idee von Marketingexperten bei der Einführung einhellig als undurchführbar beurteilt wurde. Bei Kaffee-Kilopreisen von 70 Fr. auch noch den Handel vom Kapsel-Glück auszuschliessen, die Maschinenproduzenten auf eine geschlossene Lösung einzuschwören? Keine Chance. Und anfangs hätten sie fast Recht behalten aber nur fast; eine Entwicklung, die viele Innovationen hinter sich haben und die heute fast nicht mehr wegzudenken sind.



Nespresso-Fakten: Grosser Erfolg, ehrgeizige Pläne

- Umsatz 2004: 600 Mio Fr. (1,3 Mrd Kapsel-Einheiten), davon ein Drittel in der Schweiz; das Ziel 2007: 1 Mrd Fr.

- Verbreitung in 35 Ländern, bevorstehende Expansion nach Osteuropa, Asien und Südamerika.

- Über 1000 Beschäftigte.

- Mit 18,5% europäischer Marktleader im Segment der Espresso-Maschinen (neun Hersteller, 19 Modelle für Private, fünf für Firmenkunden).

- 1,6 Mio aktive Kundinnen und Kunden, davon sind 200000 Geschäftskunden (Wachstum 2004: 30%, Umsatzanteil rundein Viertel).

- Der Online-Verkauf wuchs 2004 um 46%;

- Investitionen in der Schweiz betragen 2005 und 2006 pro Jahr 20 Mio Fr.