Bastian Schweinsteiger war einer der besten Spielmacher im europäischen Fussball. Und jetzt hat er – ist es Ihnen auch aufgefallen? – einen Doppelgänger auf dem Chefsessel von Nestlé. Die Ähnlichkeit von Schweinsteiger und Philipp Navratil ist jedenfalls verblüffend. Doch mit der Optik sollten die Gemeinsamkeiten enden: Schweinsteiger agierte oft defensiv, lancierte Mitspieler mit taktischen Pässen, öffnete Räume; Tore schoss er nur selten. Nestlé braucht jetzt einen anderen Captain – offensiver, torhungriger, agiler, einen wie Kevin De Bruyne.
Denn Nestlé brennt.
Die Entlassung von Laurent Freixe durch Noch-Chairman Paul Bulcke zeigt schonungslos auf, wie tief der Schweizer Gigant in der Krise ist. Und wie schwierig es wird, sich daraus zu befreien.
Erstens, weil Nestlé eine Vision fehlt. Wofür steht der grösste Nahrungsmittelkonzern im zweiten Viertel des 21. Jahrhunderts? Doch wohl nicht für das inhaltsleere Mantra «Forward to basics», das Bulcke seinem neuen CEO bereits wieder aufs Auge gedrückt hat. Dem bald abtretenden Präsidenten scheinen Traditionen, Gepflogenheiten und Kontinuität wichtiger zu sein als eine neue Dynamik, die der Konzern dringend braucht.
Ein erfahrenes Power-Duo ohne etablierte Hausmacht
Zweitens, weil Nestlé von einem wenig erprobten Duo in die Zukunft geführt wird. Der designierte Präsident Pablo Isla war zweifellos ein sehr erfolgreicher Modemanager. Im Geschäft mit Kaffee, Tierfutter, Wasser und Schokolade ist auch Profi Isla ein bisschen ein Lehrling. Perrier ist nicht Plissee. Ähnlich ist es beim neuen Chef Navratil. Er hat zwar schon gut zwanzig Dienstjahre auf dem Buckel, ergo viel Stallgeruch. Er ist aber ein fast reinsortiger Coffee-Guy, den grossen Rest des Konzerns kennt er erst kursorisch. Ein Schwergewicht mit etablierter Hausmacht ist er jedenfalls nicht.
Coffee-Guy Philipp Navratil: Der neue Nestlé-CEO ist ein Lehrling auf dem Chefsessel.
Drittens, weil Chairman Isla ohne weisse Weste die Verantwortung übernimmt. Er war involviert in die Absetzung von Mark Schneider, setzte – wie Bulcke – auf Freixe. Durch dessen Frauengeschichten und forcierten Abgang wird auch Islas Reputation beschädigt.
«Europa-Chef Guillaume Le Cunff, der stets als heisser Anwärter auf den Chefsessel galt, wird seine CEO-Träume ausserhalb von Nestlé verwirklichen müssen.»
Viertens, weil Navratils Beförderung zum CEO im Alter von unter fünfzig Jahren allen ambitionierten Geschäftsleitungsmitgliedern klarmacht, dass ihnen der Aufstieg ganz nach oben für die kommenden fünf bis zehn Jahre versperrt sein wird. Auch wenn der Kurs der Nestlé-Aktie den markanten Abwärtstrend der letzten fünf Jahre fortsetzen würde, kann sich Isla einen weiteren Chefwechsel nur in höchster Not leisten. Das stärkt zwar Navratil, nicht aber die GL. Dort dürften diverse gestandene Managerinnen und Manager in den nächsten Tagen mit ihren Headhuntern telefonieren. Insbesondere Europa-Chef Guillaume Le Cunff, der stets als heisser Anwärter auf den Chefsessel galt, wird seine CEO-Träume ausserhalb von Nestlé verwirklichen müssen.
Schweinsteiger hat in seiner Karriere 71 Tore geschossen, De Bruyne liegt bei 208. Navratil muss De Bruyne nacheifern.