Der Mitbegründer von Netflix, Reed Hastings, tritt als Chief Executive Officer (CEO) des Unternehmens zurück, das er seit mehr als zwei Jahrzehnten leitet, und überlässt die Position seinen beiden langjährigen Mitarbeitern Ted Sarandos und Greg Peters. 

Sarandos, der bereits Co-CEO war, ist das öffentliche Gesicht des Unternehmens in Hollywood, während Peters, der zuvor Chief Operating Officer war, die Produktentwicklung und den Vorstoss in die Werbung beaufsichtigt hat. Hastings (62) wird als Executive Chairman des Unternehmens fungieren.

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«Unser Vorstand diskutiert seit vielen Jahren über die Nachfolgeplanung (auch Gründer müssen sich weiterentwickeln!)», so Hastings in einem Blogbeitrag. «Der Vorstand und ich glauben, dass es der richtige Zeitpunkt ist, meine Nachfolge zu regeln.»

Das Unternehmen gewann im letzten Quartal 2022 7,66 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten hinzu und übertraf damit die durchschnittliche Schätzung der Wall-Street-Analysten von 4,5 Millionen. Der Umsatz lag mit 7,85 Milliarden Dollar im Rahmen der Schätzungen, während der Gewinn mit 12 Cents pro Aktie deutlich unter dem des Vorjahreszeitraums lag. Das Unternehmen prognostiziert, dass sich seine Gewinnmarge und der freie Cashflow im kommenden Jahr verbessern würden. Die Netflix-Aktie stieg nach der Bekanntgabe der Zahlen im nachbörslichen Handel um etwa 6 Prozent. 

Netflix-Aktie hat stark an Wert verloren

Sarandos und Peters müssen Netflix durch eine turbulente Zeit in der Medienbranche führen. Das Unternehmen meldete gerade das langsamste Abonnentenwachstum seit 2011, dem Jahr, in dem es sein Streaming-Geschäft von seinem DVD-Versanddienst trennte. Die Aktien des Unternehmens haben im vergangenen Jahr die Hälfte ihres Wertes verloren, und die zunehmende Sparsamkeit des Unternehmens hat einige der Kreativen verärgert, die Netflix einst als Meister der Kunst gefeiert haben.

Das Programmangebot war jedoch eines der stärksten von Netflix. Mit «Wednesday» brachte das Unternehmen die drittbeliebteste Fernsehserie aller Zeiten heraus, mit «Troll» den beliebtesten fremdsprachigen Film und mit «Glass Onion» den viertbeliebtesten Film aller Zeiten. Laut Nielsen machten die Titel von Netflix mehr als 80 Prozent der zehn meistgesehenen Streaming-Titel jeder Woche im Quartal aus.

Hastings hat schon seit einigen Jahren angedeutet, dass er sich zurückziehen würde. Er erhob im Jahr 2020 Sarandos zum Co-CEO und ernannte Peters zum gleichen Zeitpunkt zum COO. Er hat bereits fast alle Hollywood-Entscheidungen an Sarandos delegiert und sich nach und nach aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen.

Grund für den überraschend starken Kundenzuwachs ist der Erfolg der Serie «Wednesday» und der Dokumentation «Harry & Meghan». Netflix gab Ende Dezember bekannt, dass weltweit rund 179,26 Millionen Stunden der Doku-Serie gestreamt worden seien. Teilt man dies durch die Gesamtdauer von 5,5 Stunden, sind das fast 33 Millionen Haushalte, die die Geschichte der Ex-Royals verfolgten.

Die Kundinnen und Kunden wollten Videos auf Abruf

Hastings gründete Netflix im Jahr 1997 zusammen mit Marc Randolph. Randolph fungierte in den ersten Jahren als Netflix-CEO, doch erwies er sich als besserer Ideengeber für ein Unternehmen als als Leiter eines wachsenden Unternehmens. Hastings verdrängte seinen Mitbegründer als CEO.

Er brachte das Unternehmen an die Börse und leitete Netflix durch seinen triumphalen Kampf mit der Videothekenkette Blockbuster. Hastings führte 2007 einen Streaming-Dienst ein und trennte vier Jahre später den Streaming-Dienst vom DVD-Versanddienst. Dieses Manöver erwies sich als sein grösster Fehler bei Netflix, da es zu einer Preiserhöhung von 60 Prozent für die Kundinnen und Kunden führte. Ausserdem gab er dem Streaming-Dienst den unglücklichen Namen Qwikster. Das Unternehmen verlor 800’000 Kunden und seine Aktien brachen ein.

Doch Hastings’ Vision von der Zukunft war solide. Die Kundinnen und Kunden wollten Videos auf Abruf über das Internet streamen. Im selben Jahr beschloss Sarandos, 100 Millionen Dollar auszugeben, um zwei Staffeln einer Serie namens «House of Cards» zu produzieren. Der Popkultur-Enzyklopädist Sarandos war im Jahr 2000 von einer regionalen Videothekenkette zu Netflix gekommen und hatte sich seit mehr als einem Jahrzehnt um die Finanzierung von Originalprogrammen bemüht.

«House of Cards» erwies sich als grosser Erfolg und veränderte den Kurs des Unternehmens für immer. Netflix begann, Milliarden von Dollar pro Jahr für Originalprogramme auszugeben, und Sarandos, der lange Zeit Hastings’ Stellvertreter war, wurde nun als sein Partner bezeichnet. Schon bald sahen die grössten Zulieferer Netflix eher als Feind denn als Freund an, und Sarandos entwickelte sich zu einem der einflussreichsten Führungskräfte in der Geschichte Hollywoods. 

Im Rahmen der jüngsten Umstrukturierung wird Bela Bajaria den alten Titel von Sarandos als Chief Content Officer übernehmen. Zuvor war sie als weltweite Leiterin der TV-Abteilung tätig. 

Die Beförderung von Peters zum Co-CEO stellt sicher, dass jemand mit technologischem Hintergrund die Leitung des im Silicon Valley gegründeten Unternehmens behält. Peters hat den Vorstoss des Unternehmens in die Werbung und die Bemühungen um die Abschaffung der gemeinsamen Nutzung von Passwörtern überwacht.

Der Wettbewerb im Streaming-Markt wird härter

Die zunehmende Konkurrenz durch Disney, HBO, Apple und andere hat das Wachstum von Netflix in den letzten Jahren gebremst. Diese Unternehmen haben viele ihrer beliebten Titel von Netflix abgezogen, um sie für ihre eigenen Dienste zu nutzen, und die Zahl derer, die Netflix kündigen, ist gestiegen. Netflix glaubt jedoch, dass ein billigeres, werbegestütztes Angebot für kostenbewusste Verbraucherinnen und Verbraucher und ein hartes Vorgehen gegen die Weitergabe von Passwörtern das Wachstum ankurbeln werden.

Nach eigenen Angaben nutzen mehr als 100 Millionen Menschen den Dienst, ohne dafür zu bezahlen. «2022 war ein hartes Jahr, mit einem holprigen Start, aber einem besseren Ende», so das Unternehmen in seinem Brief an die Aktionäre am Donnerstag.

Netflix hat im November ein neues werbefinanziertes Angebot eingeführt, nachdem es seinen Dienst jahrelang als Alternative zum werbefinanzierten Fernsehen positioniert hatte. Nach Angaben von Drittanbietern war die Leistung der Werbeplattform gemischt. Laut Antenna war es im ersten Monat das am wenigsten beliebte Angebot von Netflix, und die Werbekunden sagen, dass der Dienst weniger Zuschauer erreicht hat, als vom Unternehmen prognostiziert.

Laut Ampere Analysis führte das neue Angebot jedoch zu einem sprunghaften Anstieg der Neuanmeldungen am ersten Tag und steigerte seinen Anteil an den Netflix-Anmeldungen im Dezember.

Netflix ist mit seinen Fortschritten zufrieden und stellt fest, dass das Werbeangebot neue, kostenbewusste Kundschaft angezogen hat. Die meisten Kundinnen und Kunden, die sich für das Werbeangebot entscheiden, sind Neukunden und keine Kunden, die von einem höherpreisigen Tarif heruntergestuft werden. Das Unternehmen hatte den Preis für seinen beliebtesten Tarif in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt.

tim/Bloomberg