Neuer Chef von Mammut Heiko Schäfer: «Mammut wird keine Fashionmarke»

Ist der neue CEO von Mammut ein Bergsteiger? Man kann das nicht vergleichen mit dem Grad, den die Kolleginnen und Kollegen hier pflegen. Aber Sport generell ist sicherlich ein roter Faden in meinem Leben. Ich bin im flachsten Teil Norddeutschlands gross geworden. Auf welchem Flachsportfeld engagierten Sie sich? Ich war ein Arbeiterkind aus Ostwestfalen, und dort konnten Sie entweder Fussball oder Handball spielen. Für Kinder aus reichem Elternhaus gabs auch noch Tennis. Also habe ich Handball gespielt und bin dann erst relativ spät zum Bergsport gekommen. Skifahren habe ich erst mit Mitte zwanzig gelernt. Inzwischen kennen Sie sich in den Bergen besser aus. Welcher Schweizer Gipfel gefällt Ihnen besonders? Kürzlich waren wir mit unserem neuen Managementteam am Eiger. Wir versuchten nicht, die Nordwand zu erklimmen, aber wir waren in der Nordwand. Von der Kulisse, die Sie da haben, auch von der Historie her ist das natürlich etwas ganz Besonderes. Aber auf dem Gipfel waren wir nicht.Ein Flachländer an der Mammut-Spitze Name: Heiko Schäfer Nationalität: Deutschland Funktion: CEO Mammut Sports Group AG Alter: 49 Familie: geschieden, 2 Kinder Ausbildung: Doktor in Betriebswirtschaft, Universität Mannheim, MBA Marketing, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, Saarbrücken Karriere Seit September 2022: Chief Executive Officer (CEO), Mammut Sports Group AG 2020 bis 2022: Chief Operation Officer (COO), Hugo Boss 2016 bis 2019: Chief Executive Officer (CEO), Tom Tailor 2008 bis 2015: Verschiedene Funktionen bei der Adidas Group, zuletzt: Senior Vice President Operations, Adidas Sports Style 2002 bis 2008: Principal & Recruiting Director, Boston Consulting Group (BCG) Der Eiger steht für die Geschichte von Mammut – es ist der Name einer der bekannten Mammut-Kollektionen. Sind der Eiger – die Berge im Allgemeinen – auch die Zukunft von Mammut? Ja, Mammut wird keine Fashion-Marke. Wir lancieren gerade unsere neue Fünf-Jahres-Strategie, und da gibt es ein klares Bekenntnis für den Bergsport. Wir sind eine Mountain-Brand – eine Bergsportmarke. Wir waren das in der Vergangenheit, danach gab es Phasen, wo das nicht ganz so deutlich war. Aber jetzt ist das Bekenntnis klar. Fokus auf den Bergsport bedeutet aber auch einen Fokus auf die Nische. Man muss klar sein, was man sein möchte. Sonst wird man schnell beliebig. Aber wir freuen uns über alle Konsumentinnen und Konsumenten, die unsere Produkte tragen, wenn sie einen Waldspaziergang machen oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Wunderbar. Die Produkte machen wir für Leute mit technischem Anspruch am Berg, sie können aber auch in anderen Situationen geschätzt und genutzt werden. Nische heisst auch: limitiertes Wachstum, begrenzter Umsatz und weniger Geschäftsmöglichkeiten. Der Bergsport und der Outdoor-Bereich generell sind immer noch gross genug, um in dieser Nische Wachstum zu haben. Aber wir machen das nicht unter Verwässerung des Markenprofils. Wir wollen ganz klar als Bergsportmarke wahrgenommen werden. Sollte denn jemand aus Ostwestfalen Mammut tragen? Dort gibt es keine Berge. Wieso sollte man das nicht tun? Heute nutzen unsere Konsumentinnen und Konsumenten die Produkte ja auch für unterschiedliche Aktivitäten, am Berg oder draussen. In Asien tragen zum Beispiel viele Menschen unsere Produkte auf dem Weg zur Arbeit. Am Ende des Tages geht es um das Gefühl, das Konsumenten und Konsumentinnen damit verbinden, wenn sie unsere Artikel kaufen und nutzen. Der Umsatz von Mammut erinnert an eine Berg-und-Tal-Fahrt. Geht es nun wieder aufwärts? Es geht vor allem darum, profitabel zu wachsen. Wir haben Ambitionen in unseren Kernmärkten in Europa, aber auch in internationalen Märkten ausserhalb Europas. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, eine ein- bis zweistellige Wachstumsrate zu erreichen. Wo wollen Sie ausserhalb Europas wachsen – in China? China repräsentiert etwa 5 Prozent unseres Umsatzes, es ist ein wichtiger Markt. Aber Nordamerika und Japan sind für uns zentraler. Und in all diesen Märkten sehen wir viel Potenzial. Der mit Abstand wichtigste Markt bleibt für Sie aber die Schweiz. Die Schweiz als Stamm- und Heimatmarkt ist für uns natürlich essenziell, er repräsentiert 20 Prozent vom globalen Geschäft. Im Heimatmarkt wollen wir präsent sein. Für was steht denn Mammut in der Schweiz? In der Schweiz, wie auch in anderen Märkten, steht Mammut unter anderem für hohe Qualität und den technischen Anspruch am Berg. Am Ende werden wir aber von unseren Konsumentinnen und Konsumenten wahrgenommen. Deshalb: Sagen Sie es mir. Aus unserer Sicht ist Mammut eine Marke, die beispielsweise Männer im besten Alter tragen. Global, in den Märkten, wo wir gut vertreten sind, werden einige Attribute klar mit uns assoziiert. Ein überlegener technischer Anspruch am Berg – das ist ein Attribut. Das zweite ist ein hohes Qualitätsversprechen, verbunden mit den Schweizer Wurzeln. Die Langlebigkeit der Produkte und Nachhaltigkeit werden uns ebenfalls zugeschrieben. Sprechen wir über die durchschnittliche Kundin, den durchschnittlichen Kunden. Wie müssen wir uns sie oder ihn vorstellen? Da gibt es gewisse Unterschiede. In Asien ist die Kundschaft, die uns kauft, deutlich jünger als in Europa. In Europa sind es vor allem Männer und Frauen Anfang oder Mitte vierzig. In den USA ist die Kundschaft wiederum jünger, weil wir dort vor allem im klassischen Bergsport genutzt werden. In den nächsten Jahren werden wir deutlich jünger werden und eine jüngere Kundengruppe ansprechen, um sie in die Marke «hineinzuentwickeln». Eine Wandergruppe mit Personen im besten Alter gehört nicht zur Zielgruppe? Wir freuen uns über alle Kundinnen und Kunden, die unsere Produkte nutzen. Aber natürlich: In der Kommunikation, im Auftritt, sprechen wir Kunden an, die etwas jünger sind. Sie waren vorher bei Hugo Boss. Da hat der neue CEO Daniel Grieder alles umgestellt und zielt jetzt auf die Generation Z ab. In der Kommunikation macht er das, ja. Wir sind ja ein Vollsortimenter, der im Bergsport alle Segmente abdeckt: von der Wandergruppe über das klassische Pistenskifahren, dem Skitouring, Freeriding, Klettern bis hin zum Trailrunning. Dabei sprechen wir unterschiedliche Altersgruppen an. Der Preis einer «Eiger Extreme»-Jacke liegt bei 900 Franken. Das kann sich die Gen Z ohnehin nicht leisten, oder? Mammut ist im hochpreisigen Segment. Ich spreche lieber über Preis-Leistung. Und wenn der Preis etwas höher ist als der Durchschnitt, sind damit ein höheres Qualitätsversprechen und eine Langlebigkeit der Produkte verbunden. Vielleicht kaufen Sie sich die Mammut-Jacke nicht alle zwei Jahre, sondern in etwas längeren Zeitabständen. Das unterstützen wir zum Beispiel auch mit unserem eigenen Reparaturservice. Sie wollen profitabel wachsen. Tun Sie es schon? Ja. Die letzten Zahlen, die wir sahen, waren aus dem Jahr 2020. Da machten Sie noch Verluste. Klar: Das war zu Beginn der Corona-Pandemie. Haben Sie den Turnaround geschafft? Wir werden dieses Jahr eine sehr solide Profitabilität abliefern. Was uns als Schweizer Unternehmen zu schaffen macht, sind gewisse Wechselkurseffekte. Hätten wir diese Effekte dieses Jahr nicht erlebt, hätten wir möglicherweise den höchsten Gewinn der Firmengeschichte abgeliefert. Die neuen Eigentümer werden Freude haben. Ich gehe davon aus. Wissen Sie es nicht – haben Sie keinen Kontakt zu Philippe Jacobs von Telemos Capital? Doch, wir sprechen regelmässig miteinander und haben viel Kontakt. Telemos hat eine sehr langfristige Perspektive. Ihnen ist das Thema Marke, Klarheit der Markenpositionierung, Schutz und gesunde Entwicklung der Marke sehr wichtig. Die Eigentümer – inklusive Philippe – sind über wichtige Entscheidungen immer informiert. Mit anderen Worten: Die Eigentümer sprechen mit bei der Strategieentwicklung. Die Strategie wird durch das Management entwickelt und dann natürlich mit den Eigentümern diskutiert. Die Bergsportmarke in Hand des Kaffee-Erben Sie gehört zu den bekanntesten Marken der Schweiz: Mammut, die Aargauer Herstellerin von Bergsportartikeln. Vor 160 Jahren als Seilerei gegründet, hat sich das Unternehmen heute auf Ausrüstung für den Bergsport und Outdoor-Aktivitäten spezialisiert. Die jüngere Geschichte war wechselvoll: Jahrelang schrieb Mammut Verluste. 2016 leitete die damalige Besitzerin, die Conzzeta Group, unter dem neuen CEO Oliver Pabst eine Sanierung ein. 2021 verkaufte die auf Bystronic umgetaufte Conzzeta Mammut für 230 Millionen Franken an die britische Investmentfirma Telemos Capital von Philippe Jacobs aus der bekannten deutschen Kaffee-Dynastie. Oliver Pabst verliess das Unternehmen. Seit diesem Herbst leitet der deutsche Manager Heiko Schäfer das Unternehmen mit rund 800 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 218 Millionen Franken (2020). Sie kennen die Branche. Von welchen Konkurrenten kann Mammut etwas lernen? Es ist schwierig, einen einzelnen Konkurrenten zu nennen. Als Vollsortimenter sind wir in vielen Bereichen des Outdoor-Marktes aktiv und repräsentiert. Es gibt fast keinen Anbieter, der alle Bereiche über alle Produktkategorien so abdeckt wie wir. Das ist doch ein Widerspruch: Sie sagen, Sie hätten einen klaren Fokus auf den Bergsport. Gleichzeitig wollen Sie ein Vollsortiment im Outdoor-Bereich anbieten. Das ist ein guter Punkt. Wenn Sie den Bereich Trailrunning nehmen: Da gibt es Leute, die schon jeden Waldlauf als Trailrunning bezeichnen. Die Grenzen sind fliessend. Das wesentliche Positionierungsmerkmal ist der Berg. Ich sehe keinen Widerspruch darin, da wir dieselbe Kundschaft ansprechen. Die meisten unserer Kunden und Kundinnen haben nicht nur eine Aktivität, sondern führen verschiedene Aktivitäten in der Natur oder am Berg aus. 95 Prozent unserer Kundschaft wandern – auch die Leute, die klettern gehen. Ein Beispiel: Ein Grossteil der leidenschaftlichen Bergsportlerinnen und Bergsportler trainiert Ausdauer über Trailrunning. Ihrem Konkurrenten Patagonia gelang ein Marketing-Coup, als die Besitzer bekannt gaben, den Konzern für den Klimaschutz einsetzen zu wollen. Wünschten Sie sich, dass Telemos etwas Ähnliches verkündet? Wir haben selbst ebenfalls genügend Substanz bei unseren Nachhaltigkeitsaktivitäten. Ich zolle den Kollegen und Kolleginnen von Patagonia Respekt dafür. Es hat ja durchaus funktioniert. Aber darauf sind wir nicht angewiesen. Wir tun viele gute Dinge, aber wir haben in der Vergangenheit zu wenig darüber gesprochen. Das müssen wir verbessern. Die Geschäftsleitung von Mammut ist sehr männlich geprägt. Ist das ein Problem? Wir haben bei jeder Stelle, die wir in der jüngeren Vergangenheit besetzt haben, den Markt überproportional stark auf weibliche Kandidatinnen gescreent. Am Schluss treffen wir Personalentscheidungen immer auf Basis des besten Qualifikationsprofils – das ist auch richtig so. Ihr Vorgänger Oliver Pabst trieb das Online-Geschäft voran. Wie wichtig ist für Sie der klassische Detailhandel noch? Der stationäre Handel bleibt sicherlich auch weiterhin wichtig. Heute hat Online erst einen Anteil von 30 bis 35 Prozent am Sportartikelmarkt. Ich gehe von einem leichten Anstieg in der Zukunft aus, aber der Handel über eigene Stores und Zwischenhändler wird dominierend bleiben. Gerade für ein erklärungsbedürftiges technisches Produkt ist ein starker stationärer Fachhandel zentral. Was sind die wichtigsten Produkte für Mammut? Die Spitze der Pyramide bilden unsere «Eiger»-Kollektion, die Lawinenrucksäcke und das Lawinenverschüttetensuchgerät Barryvox sowie unsere Seile und Kletterprodukte. Dafür sind wir bekannt. Die Basis stellen dann Softshell-Jacken oder Wanderhosen und -schuhe dar. Und wie wichtig sind goldene Jacken? Nicht wichtig. Gegenfrage: Haben Sie eine im Markt gefunden? Nein, aber Sie wissen vermutlich, wieso wir Sie darauf ansprechen: Die goldenen Jacken galten in der Wahrnehmung als Symbol für die Verwässerung der Marke Mammut. Glauben Sie, dass in der Vergangenheit Fehler begangen wurden? Also vorab: Man muss allen Vorgängern Respekt zollen. Sie alle haben die Marke gewandelt und weiterentwickelt. Rolf Schmid, mein Vorvorgänger, verzehnfachte beispielsweise den Umsatz von Mammut innert 15 Jahren. Aber natürlich gehört es dazu, mal etwas Neues zu versuchen und mutig zu sein. Auf dem Weg zu zeitgemässen Produktdesigns wurde mit der goldenen Jacke sicher leicht überzeichnet. Was ist denn jetzt die grösste Herausforderung? Viel Partner äussern Sorgen bezüglich der makroökonomischen Entwicklung, wie einer möglichen Rezession innerhalb der Euro-Zone und auch in Nordamerika. Das könnte auf den Handelspartnern lasten und das Konsumentenverhalten prägen. Für uns als Schweizer Unternehmen ist auch das Thema der Wechselkurse wichtig – wenn der Euro massiv an Wert verliert, dann müssen wir das beachten. Standort Schweiz, Standort Seon: Bleibt Mammut hier? Ja, wir werden uns nicht aus der Schweiz wegbewegen. Sind Verlagerungen gewisser Geschäftsbereiche ein Thema? Ein Teil der Aktivitäten findet bereits im Euro-Raum statt, aber da sehe ich keine substanziellen Verlagerungen. Die Schweiz ist das Headquarter, und das wird so bleiben. Wir sind ein Schweizer Unternehmen, Punkt. Die Seilproduktion verlagerte Mammut schon vor einigen Jahren ins Ausland. Schmerzt es noch, dass Seile nicht mehr hier hergestellt werden? Klar schmerzt es noch ein wenig, unter den damaligen Umständen ist die Entscheidung jedoch nachvollziehbar. Welche Neuigkeiten können Sie uns verraten? Im Dezember kommt eine kleine Kapselkollektion mit unserem Kooperationspartner Unless auf den Markt. Dabei handelt es sich um biologisch abbaubare, kompostierbare Produkte: Vom Material über das Garn bis hin zu sämtlichen Etiketten – alles biologisch abbaubar.

Neuer Chef von Mammut Heiko Schäfer: «Mammut wird keine Fashionmarke»

«Mammut wird keine Fashion-Marke»

Ist der neue CEO von Mammut ein Bergsteiger?

Auf welchem Flachsportfeld engagierten Sie sich?