Wir sind der einzige Schweizer Familienbetrieb in der Mineralwasserbranche, der seine Produkte landesweit vertreibt.» Diesen Satz betont Nicolas Rouge immer wieder, sei es vor Besuchern, welche sich durch den Betrieb in Henniez führen lassen, sei es vor den Medien oder vor Kunden.

Der Henniez-Chef ist sichtlich stolz darauf, das hundertjährige Waadtländer Unternehmen in der dritten Generation führen zu dürfen und sich mit den Produkten Henniez, Cristalp, Vichy, Granini, Hohes C, X-Drink, Virgin Cola und Ice Tea auch gegen multinationale Anbieter zu behaupten.

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Treue Belegschaft

Obwohl an der Börse kotiert, ist das Unternehmen fest in Familienhänden. Rouge hält zusammen mit seinem Bruder Pascal und seiner Mutter Francoise 61,65% der Aktien. Die Familie drückt der Firma, in der man die Familientradition auf Schritt und Tritt spürt, ihren Stempel auf.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bleiben im Schnitt 18 Jahre dem Unternehmen treu. «Sie sind so Garant für die Überlieferung der Tradition und des Know-hows, das zum Teil von Generation zu Generation weitergegeben wird», erklärt Rouge.

Nicole Bugnon beispielsweise, die 34-jährige Assistentin von Nicolas Rouge, arbeitet schon seit 12 Jahren in der Firma. Sie hat bereits bei dessen verstorbenem Vater Edgar Rouge als Sekretärin gedient. «Der Vater war ein sehr gerechter, aber eher distanzierter Patron», erklärt sie. «Nicolas Rouge ist offen, fragt nach der Meinung der anderen und hört sehr gut zu. Er ist immer für seine Mitarbeiter da und nimmt sich für sie Zeit.»

Da kann es manchmal schwierig werden, den engen und vielbefrachteten Tagesfahrplan einzuhalten. Bereits um 5 Uhr steht Rouge auf. Um 6.15 Uhr sitzt er in seinem Büro am antiken Pult seines verstorbenen Grossonkels Henri Pahud, der das Unternehmen während eines halben Jahrhunderts prägte, umgeben von Fotos seines Vater, seiner Mutter und seiner Gemahlin.

Augenschein auf Chefetage

Zum Frühritual gehören E-Mails, die Vorbereitung von Dossiers und erste Gespräche mit Führungsverantwortlichen, etwa mit Noldi Peter, dem Deutschschweizer in der neunköpfigen, französisch sprechenden Direktion.

Das Direktionskomitee trifft sich alle zwei Wochen am Dienstag um 7.15 Uhr für eine rund fünfstündige Sitzung. «Das ist ein Fortschritt», lacht Rouge, «bei meinem Vater mussten die Direktoren Montag früh antraben und das jede Woche.» Was für sie Wochenendarbeit bedeutete, um sich auf die Sitzung vorzubereiten.

Nicolas Rouge leitet nicht nur die Sitzung mit den Geschäftsleitungsmitgliedern selber, sondern schreibt auch noch gleich das umfangreiche Protokoll. Ein typischer Wesenszug: Alles gleich selber machen.

«Er arbeitet unermüdlich und will alles im Detail wissen», erzählt der Personalchef Francis Dufresne. Rouge erklärt: «Das Interesse am Detail bedeutet nicht mangelndes Vertrauen, aber ich bin am Detail interessiert, um einen Gesamtüberblick zu haben. Das macht mir Spass.»

Auch die Wochenenden sind oft mit Aktivitäten für die Firma verbunden, etwa wenn Rouge 35 Kilometer im Regen radelt für ein Velorennen, das sein Unternehmen sponsert. An der Direktionssitzung zeigt sich der Führungsstil von Rouge: Er setzt die Leitplanken, räumt den anderen aber viel Raum ein, um sich zu äussern. Auf Etikette wird geachtet, Persönliches aber nicht vernachlässigt. Ein Mitarbeiter präsentiert das Projekt Mini-Fontaine Cristalp in einer Power-Point-Präsentation. Dabei stellt der Ältere des Clans, der 46-jährige Bruder Pascal Rouge, immer wieder Fragen etwa zum Lärm der neuen Trinkwasseranlage. Der ETH-Ingenieur ist für die Technik bei Henniez zuständig. «Wir harmonieren gut miteinander». sagt Nicolas Rouge.

Als der Vater seinen erstgeborenen Sohn Pascal zuerst fragte, welche Funktion er im Unternehmen ausüben wolle, wählte dieser die Direktion für Technik. Damit war für den jüngeren Nicolas die Bahn frei: Er war als kommunikativer Kaufmann prädestiniert zum CEO.

Was ihn zu den Worten inspiriert: «Es ist für mich eine Ehre, diese Firma zu führen es gibt nicht so viele Chefs, die so jung sind wie ich.»

Die Tradition manifestiert sich auch in der Sitzungskultur. Obwohl man sich gegenseitig gut kennt, siezt Rouge mit Ausnahme seines Bruders alle seine Direktoren. Diese erscheinen in Krawatte, ausser dem Marketingchef Jean-Paul Schwindt, der seinem Ruf als trendiger Direktor gerecht wird.

Die konzentrierte Sitzung wird mittendrin unterbrochen: Eine Angestellte bringt als Überraschung einen Geburtstagskuchen für den Marketingdirektor. Alle zusammen stimmen an zum herzhaften «Happy birthday to you.»

Die Stärke ist die Schwäche

Seit sechs Jahren arbeitet Schwindt bei Henniez, davon vier Jahre als Marktetingdirektor: «Ich kann mich sehr gut mit dem Familienunternehmen identifizieren», betont der 41-jährige. «Nicolas Rouge unterstützt einen auch in Phasen, in denen nicht alles nach Plan läuft. Er hat sehr viel Respekt gegenüber seinen Mitarbeitern. Seine Geduld und sein diplomatisches Geschick sind seine Stärken, je nach Situation aber auch seine Schwächen.»

Rouge gibt sich selbstkritisch: Er möchte seinen Führungsstil verbessern, die Reaktionszeiten im Betrieb beschleunigen. «In einer Welt, die sich so schnell bewegt, muss ich noch schneller sein.»

Gleich anschliessend zur Direktionssitzung eilt er zu den Gästen, welche durch das Unternehmen geführt werden, und begrüsst sie so herzlich, als ob sie die einzigen Gäste wären in dieser Woche. Dabei wartet bereits eine weitere Gruppe auf eine der Führungen, die zum Jubiläumsjahr von speziellen Stewardessen begleitet werden. Offensichtlich ist das Publikumsinteresse am traditionsreichen Mineralwasserbetrieb riesig.

Permanentes Networking

Auch die Mittagspause widmet Rouge der Firma. Wenn möglich fährt er jeden Dienstag nach Lucens, wo er sich mit den Mitgliedern des Rotary Clubs trifft auch hier eine Männer-Runde. «Bereits mein Vater hat hier teilgenommen, und es ist mir wichtig, in der Region verankert zu sein, Probleme zu erfahren und Erfahrungen auszutauschen.»

Und wie es zum Klischee eines Patrons gehört, dauern die Arbeitstage in der Regel lang. «Ob ich das weiterhin so halten kann, weiss ich noch nicht.»

Denn demnächst reist er nach Nepal, um das Land kennen zu lernen, aus dem er Kinder adoptieren will. Aber eines ist ihm klar: «Als Chef eines Familienunternehmen muss man kämpfen.»



Zur Person

Der Betriebsökonom Nicolas Rouge (42) spricht gut Deutsch, weil er vor seinem Einstieg bei Henniez bei Rank-Xerox in Zürich Oerlikon gearbeitet hatte und er sieben Jahre lang eine deutsche Freundin hatte, bevor er seine Gattin Valérie getroffen hat, die in Yverdon eine Tanzschule führt. Er findet seine Musse vor allem in der Gartenarbeit bei seinem Haus, wo er Gemüse zieht.



Nicolas Rouges Führungsprinzipien

1. Wenn man die Menschen gern hat löst man 99% der Probleme.

2. Der Führungsstil ist partizipativ, das erhöht die Motivation und die Befriedigung der Mitarbeitenden.

3. Jeder Mitarbeitende ist verantwortlich für seine Aufgabe und sucht die Verbesserung und Rentabilitätssteigerung.