Unter der konjunkturell schwierigen Lage leidet auch die Uhrenbranche. Allen voran grosse Konzerne, die mehrere internationale Luxusmarken führen. Besser geht es jenen, die all ihre Kreativität und Durchschlagskraft auf eine einzige Marke konzentrieren. Darunter findet sich mindestens ein halbes Dutzend Namen, die erst in den 1990er Jahren lanciert worden sind, allein vier in Genf.

Frédérique Constant: Leidenschaft ausleben

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Zu den Ersten zählt das Unternehmen Frédérique Constant, das 1988 vom Ehepaar Aletta und Peter Stas gegründet wurde. Antrieb war ihre grosse Leidenschaft für hochwertige Luxusuhren und ihr Ziel, solche selbst zu entwickeln und zu vernünftigen Preisen abzusetzen. Die ersten sechs eigenen Uhrenmodelle konnten 1992 lanciert werden; seit 1995 werden die jährlichen Neuheiten auf der «BaselWorld» vorgestellt. Der Name Frédérique Constant leitete Stas von den Vornamen seiner Urgrosseltern ab.

Das hervorragende Preis-/Leistungsverhältnis für ihre meist mechanischen Automatikuhren führen die Stas als Hauptgrund für ihren Erfolg an. Die mechanischen Präzisionswerke basieren auf Rohwerken von Dubois-Depraz, ETA oder Progress, werden mit den Genfer Streifen dekoriert und in den eigenen Labors auf Herz und Nieren getestet. Im nächsten Jahr will Frédérique Constant mit einem eigenen ersten Manufakturkaliber aufwarten.

Heute umfasst die Marke die vier Linien Highlife, Persuasion, Classics und Yacht Timer mit 17 Kollektionen. Es sind hochwertige Zeitmesser in exklusivem Design zu vernünftigen Preisen von 500 bis 4000 Fr., je nach Material, Komplikation und limitierten Spezialitäten können es auch mehr sein. Die Jahresproduktion liegt bei rund 40000 Stück, sodass sich im Jahr 2000 ein Umzug von Carouge nach Chêne-Bourg in grössere Räumlichkeiten aufdrängte. 42% der Uhren werden in Europa, 34% in Asien, 11% in den USA und 13% in der übrigen Welt abgesetzt.

«Trotz aller Unabhängigkeit sind wir auf eine enge Zusammenarbeit mit unseren 45 unabhängigen Distributionsfirmen in 45 Ländern angewiesen», erklärt Peter Stas. Doch weil diese so gut funktioniere, hätten sie im vergangen Jahr gemeinsam ein Wachstum von über 30% erzielt; auch im laufenden Jahr betrage das Wachstum nach dem dritten Quartal bereits wieder 30%. «Es ist, als ob in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Menschen erst recht auf vernünftige Preise achten», freut sich Stas.

Van der Bauwede (VDB): Klassische Extravaganz

Schon als Kind liess sich der in Belgien geborene Maxence Van der Bauwede durch seinen Vater, einem reisenden Uhrmacher, für Uhren und Schmuck begeistern, sodass er seine Berufsausbildung in diesem Bereich absolvierte. In den 1980er Jahren zog es ihn ins Land der Uhren nach Genf, wo er seine Designer-Qualitäten führenden Schweizer Uhrenmarken zur Verfügung stellte, bevor er 1989 seine eigene Marke schuf. Der «von der Kreation Bessessene», wie es über ihn heisst, schart junge Talente um sich, die sich von seiner Begeisterung anstecken lassen und für die Herstellung luxuröser Produkte dasselbe Traditionsbewusstsein und den gleich hohen Anspruch an die Qualität mitbringen.

Mit ihrem nonkonformistischen Design zählt die Marke Van der Bauwede (VDB) zur Avant-Garde der Kreativität. Bei den Uhren werden die schier überschäumenden Ideen des 44-jährigen Wahlschweizers von der Form kontrolliert. Wegen eines geliebten Familien-Erbstücks aus den 1920er Jahren kam in allen bisherigen Kollektionen die Tonneau-Form zum Einsatz. Doch Maxence wäre nicht Maxence, hätte er dafür bloss eine Version zur Verfügung: Von bauchig rund wie etwa die Magnum Diver Riva bis ausgezogen schmal wie die soeben lancierte Damenuhr Spider liegen die verschiedensten Fassformen drin.

Uhrentechnik und Komplikationen sind dem Team aber genauso wichtig. Die Uhren werden in den eigenen Produktionsateliers in Fleurier hergestellt, wo auch die ETA-Basiswerke finissiert und ausgebaut werden. Bei den mechanischen Werken sorgt der gläserne Gehäuseboden für einen freien Durchblick.

Verkauft werden die VDB-Uhren und Schmuckstücke ab 1590 Fr. bis weit über 100000 Fr., je nach Komplikationen, Materialien und Edelsteinen, weltweit in sieben eigenen Boutiquen und in über 200 Bijouterien. Umsätze oder verkaufte Stückzahlen werden nicht veröffentlicht, doch das Wachstum sei gut, heisst es aus Genf.

Franck Muller: Den Zeitgeist getroffen

Zu den Leadern dieser neuen Generation zählt unbestritten Franck Muller, der den Einstieg in die Genfer Haute Horlogerie über Jahre als Restaurator von Sammlerstücken vorbereitete. Im November 1991 gründete der damals 33-Jährige mit dem zwei Jahre älteren Vartan Sirmakes die Technowatch. Der in Istanbul geborene Armenier kam 1974 nach Genf, um bei Antonio Bertolini den Beruf eines Edelsteinfassers zu erlernen. Gleich nach Lehrabschluss machte er sich mit einem eigenen Atelier selbstständig; schon bald zählten Cartier und andere zu seinen Kunden.

Ein Jahr genügte den beiden Ausnahmetalenten, um am Genfer Salon SSIH 1992 die Hochpreismarke Franck Muller für Uhren und Schmuck zu lancieren. Die Marke kam aus dem Nichts und hatte auf Anhieb Erfolg sehr zum Leidwesen einiger alt eingesessener Manufakturen. 1998 wurde das Unternehmen in Franck Muller Watchland umbenannt im Hinblick auf den späteren Bezug der im Genfer Vorort Genthod neu erstellten Fabrikationsgebäude, wo das Unternehmen die komplette Herstellung seiner Uhren inklusive Schmuck vereinen konnte.

Mit seinem Design hat Muller von Beginn weg den Nerv einer kaufkräftigen internationalen Kundschaft getroffen, obwohl weder die Tonneau-Form noch die übergrossen arabischen Ziffern eine neue Erfindung darstellen. Beides sah man schon nach dem Ersten Weltkrieg, doch Mullers in zwei Ebenen gewölbte Form Cintrée Curvex wirkt moderner, frischer und entzieht sich dem Vergleich mit früheren Tonneau-Formen. Uhren und Schmuck aus Genthod finden ihre Kundschaft vor allem in den Märkten USA und in Asien mit Japan, wo neun seiner 13 Franck-Muller-Shops vertreten sind. Die restlichen finden sich in Europa: Cannes, Genf (2) und Mailand.

Zum kommerziellen Erfolg dürfte Partner Sirmakes als gewiefter Geschäftsmann beigetragen haben. Da haben sich Kreation und Kommerz zu einer genialen Kombination zusammen gefunden, die mit visionärer Vorwärtsstrategie aus dem Zwei-Mann-Uhrenatelier in gut zehn Jahren eine kompetente Gruppe der Haute Horlogerie und Joaillerie ermöglichte. Inzwischen gehören auch die kleineren Marken Pierre Kunz und ECW zur Gruppe, die heute gemäss Selbstdeklaration mit 500 Mitarbeitenden über 50000 Uhren im Jahr verkauft. Selbst im schwierigen laufenden Jahr wird im erfolgreichen Watchland ein Wachstum von 15% in Aussicht gestellt, «mit attraktiver Rentabilität».

Genaueres ist nicht zu erfahren, auch nicht über den kürzlichen Austritt und Verbleib von Franck Muller. Gegenüber der «Tribune de Genève» sagte Vartan Sirmakes: «Es gibt doch zahlreiche Franck Muller. Der Name ist nicht wichtig, sondern die Kreativität von Watchland.» Und von dort heisst es bestimmt: «Das Unternehmen steht weder zum Verkauf noch ist ein Börsengang geplant.»

Roger Dubuis: Eine Welt für Sammler

Die Welt von Roger Dubuis ist einmalig: Nach acht Jahren wird der weltweite Erfolg der Marke anerkannt. Sechs Kollektionen, neun eigene Uhrwerke (mit Genfer Siegel), rund 175 Mitarbeitende in einer 2002 neu gebauten Hightech-Manufaktur in Genf-Meyrin und drei Boutiquen in Genf, Paris und Dubai bilden diese Welt. Diese hat Seltenheitswert, denn jedes Modell wird in einer limitierten Auflage von nur 28 Stück gefertigt. Der Grund für diesen weltweit wohl einmaligen Entscheid liegt einerseits darin, dass die Ateliers zu Beginn gar nicht für eine Serienfabrikation eingerichtet gewesen wären, anderseits auch in der Erkenntnis, dass Dubuis' Kundschaft eher nach Einzelstücken suchten.

Das Know-how dafür erarbeitete sich der Absolvent der Genfer Uhrmacherschule in 20-jähriger Tätigkeit in grossen Genfer Uhren-Manufakturen, wo er sich vom Uhrmacher bis zum Spezialisten für sehr komplizierte Werke hocharbeitete. 1980 machte sich Roger Dubuis mit einem eigenen Atelier selbstständig, wo er neben Reparaturen und Restaurierungen bald Konstruktionsaufträge erhielt und sich rasch einen Namen für ausgefallene Problemlösungen machte.

Das Schicksal führte den portugiesischen Geschäftsmann und Uhrenfan Carlos Dias, der sein Leben zwischen dem Genfersee und Italien aufteilt, ins Atelier Dubuis. Schon bald darauf installierte sich Dias mit seiner Frau definitiv in Genf und gründete mit Roger Dubuis 1995 die Société Genevoise des Montres. Bereits im April 1996 konnten die ersten Kollektionen präsentiert werden. Nach zwei Jahren folgte die Vorstellung der beiden in den eigenen Werkstätten entworfenen und gefertigten mechanischen Uhrwerke RD28 und RD98, sodass das Unternehmen in Manufacture Roger Dubuis umbenannt werden konnte.

Dias' gute Beziehung zur internationalen Sammlerszene sorgte für einen raschen Erfolg in Italien, Asien, im Nahen Osten und in den USA. Zahlen veröffentlicht das Unternehmen keine, die Gewinne werden in den Ausbau der Fertigungstiefe investiert, um jedes Einzelteil der Uhrwerke und möglichst sämtliche Komponenten der Uhren in der Manufaktur selbst herstellen und so eine vollständige Unabhängigkeit erreichen zu können. Das eindeutige Bekenntnis zu Spitzenleistungen und Exklusivität soll sich nach den Worten von Carlos Dias auch nach dem diskreten Abschied von Roger Dubuis in den wohlverdienten Ruhestand nicht ändern.

Xemex: Kraft der Einfachheit

In einem Alter, wo sich Unternehmer eher mit dem Ruhestand denn mit einem Neustart auseinandersetzen, wagte der Designer Ruedi Külling Letzteres. Als sich die renommierte Zürcher Werbeagentur Advico, deren kreatives Gewissen er seit 1960 war, der internationalen Gruppe Young & Rubicam anschloss, verkaufte Külling seine Aktien an die neue Besitzerin und eröffnete die Designagentur Külling Partner Identity. Seither liess ihn der Gedanke, seine gestalterische Handschrift, die ihren Ursprung in der deutschen Bauhaus-Bewegung hat, für die Kreation einer eigenen Uhrenmarke einzusetzen, nicht mehr los.

Von Grund auf begann Külling jedes optische Element einer Armbanduhr inklusive Zeiger und Ziffern neu zu zeichnen, wobei ihm von Anfang an klar war, dass er nicht unter die Uhrmacher gehen will sowenig wie er als Werbegrafiker und Designer niemals ein Werber und Manager sein wollte. Allerdings ist dem heute 68-Jährigen die fast 40-jährige Kommunikationserfahrung bei der Kreation seiner Uhrenlinien zugute gekommen. So hat er in seinen Skizzen von Anfang runde und eckige Gehäuseformen einbezogen. Dabei war ihm die Reduktion auf das Minimum das wichtigste Anliegen: Auf seinen Zeitmessern sollten Tag und Nacht eindeutig und klar ablesbar sein.

1996 war es so weit: Külling, der sich mittlerweile von seiner Corporate-Identity-Agentur verabschiedet und mit dem Marketingspezialisten Hanspeter Hanschick die Xemex Swiss Watch in Gockhausen-Zürich gegründet hatte, präsentierte auf der «Basel» die erste Uhrenkollektion Xemex Offroad. Allein der Name, der vor- wie rückwärts gelesen gleich bleibt, ist einmalig. Mit dem klaren, funktionalen Design schaffte der Gestalter die schier unmögliche Tatsache, im unendlich breiten Uhrendesign einen neuen, eigenständigen Stil zu entwickeln. Dieser zieht sich durch sämtliche Linien durch: 1998 folgte die viereckige Avenue, 2000 die runde Speedway mit weicheren abgerundeten Formen und eingelassener Krone, und auf der «Basel 2004» wird die vierte Uhrenlinie Piccadilly vorgestellt. Der Chronometer-Chronograph Avenue erhielt vom deutschen Fachverlag Chronos den Design-Innovationspreis 2000; die Offroad GMT wurde vom amerikanischen Watchtime-Verlag als «Uhr des Jahres» ausgezeichnet.

Xemex-Uhren sind massiv, gross und aus Edelstahl, mit schwarzen oder weissen Zifferblättern und Saphirglas, bis 100 m wasserdicht. Eine gelungene Besonderheit sind die beweglichen Bandanstösse mit eingeschraubten Armbändern, die nach individueller Vorliebe (Leder, Kautschuk, Metall) ausgewählt werden können. «Funktionales Design hat wesentlich mit guter Lesbarkeit und angenehmem Tragkomfort zu tun», erklärt Külling seinen Qualitätsanspruch. Bis auf eine Ausnahme ticken in Xemex-Uhren mechanische Automatikwerke von ETA, wobei die Chronographenwerke zusätzlich Chronometer-geprüft (COSC) sind. Hergestellt werden die Swiss-made-Uhren im jurassischen Le Noirmont. Weltweit werden rund 10000 Uhren in einer Preisspanne von 550 bis 4500 Fr. abgesetzt. Die Ausnahme bildet die Limited Edition aus Gold oder Platin für Sammler.

Soeben haben die beiden Xemex-Partner mit der Osco Timefactory in Schwenningen einen Übernahmevertrag auf Raten abgeschlossen. Das deutsche Familienunternehmen wird für Xemex die gesamte Logistik und internationale Vermarktung übernehmen. «Damit habe ich das Unternehmen auch im Hinblick auf meinen möglichen Ruhestand abgesichert», sagt Designer Külling und fügt schmunzelnd an: «Solange es meine Gesundheit erlaubt und ich Spass habe, werde ich das tun, was ich kann: Zeichnen, entwickeln, gestalten».

Parmigiani

«Jour de fête» in Fleurier

Seit die Fondation der Familie Sandoz 1996 Mehrheitsaktionärin der von Michel Parmigiani gegründeten Manufaktur in Fleurier geworden ist, setzt sie sich sehr aktiv für die Weiterentwicklung dieser Uhrenmarke der Haute Gamme ein. Die gemeinsam verfolgte Strategie der Vertikalisierung ihrer Produktion führte zur Übernahme der drei Kleinbetriebe Affolter in La Chaux-de-Fonds, Atokalpa in Alle und Elwin in Moutier. Damit sicherten sich die Akteure weitere Kompetenzen in den Bereichen Habillage, Feinmechanik und Präzisionsmetallbearbeitung.

Der Erwerb zweier leer stehender Liegenschaften mit genügend Landreserven gegenüber dem Sitz von Parmigiani Fleurier an der Rue du Temple sowie der Erwerb der alten Fabrikmarke Vaucher bilden mit der notwendigen Totalrevision und Bestückung der neuen Produktionsstätten mit technolologisch hochstehenden Fertigungsmaschinen die vorläufig letzten Investitionen. Über deren Höhe schweigt sich Pierre Landolt, Direktionspräsident der Sandoz-Familienstiftung, nobel aus.

Mit der neuen Struktur der beiden Schwesterfirmen Parmigiani Fleurier und Vaucher Manufacture Fleurier werden zwei Hauptziele verfolgt: Einerseits die Weiterentwicklung der exklusiven Marke Parmigiani Fleurier in kreativer wie technischer Hinsicht, anderseits der Aufbau einer echten Manufaktur für die Herstellung hochwertiger mechanischer Uhrwerke für Prestigemarken. Allen voran für die eigene, von welcher aktuell rund 2000 Uhren der Haute Gamme im Jahr gefertigt werden.

CEO Emanuelle Vuille, der seit 1994 mit Michel Parmigiani zusammenarbeitet, rechnet damit, dass die neue Manufaktur Vaucher in einem ersten Anlauf eine Kapazität von jährlich 5000 komplett bestückter Uhrwerke und 15000 Ebauches (Rohwerke) haben wird. Mittelfristig dürften sich diese Zahlen auf 7000 und 20000 erhöhen. Dabei werden keine Kaliber allgemeiner Art hergestellt, sondern individuelle, auf den jeweiligen Kunden und seine Marke abgestimmte. Zu ihnen zählen bereits die Prestigemarken Bovet und Hermès. Namen werden nur mit dem Einverständnis der Kunden bekannt gegeben, weshalb Vuille auch keine Kaliber-Preise nennen könne.

Zur neuen Organisation stösst auch Jean-Marc Jacot, der als Stiftungs-Delegierter die Koordination der einzelnen Unternehmen übernimmt, welche zusammen gut 200 Mitarbeitende beschäftigen, davon 150 in Fleurier. Nicht zuletzt hält die neue Firmenstruktur und Organisation dem genialen Kreateur und Tüftler Michel Parmigiani den Rücken frei, um sich ganz auf den schöpferischen Ausbau der Marke zu konzentrieren. Für ihn dürfte die Einweihung der Vaucher-Manufaktur am 3. November 2003 ein besonderer Tag gewesen sein, lässt sich daraus doch die Hoffnung schöpfen, dass die einst in Fleurier begonnene Jahrhunderte lange Neuenburger Uhrmachertradition dereinst in grösserem Stil ins Val de Travers zurückkehren möge. (sr)