Nach 16 Saisons auf der Ladies European Tour hat sich Régine Lautens im vergangenen Sommer aus gesundheitlichen Gründen vom Spitzensport zurückgezogen. Die Schweiz ist jedoch ab 2005 weiter im Frauencircuit vertreten dank Nora Angehrn. Ihr ist der Einstieg in die Karriere als Profigolferin vor wenigen Tagen bestens geglückt.

Ein Auftakt nach Mass

7. April 2005, Golf Costa Adeje auf Teneriffa. Nora Angehrn steht vor ihrer ersten Runde auf der europäischen Frauentour. Vieles ist neu für sie, aber längst nicht alles. Sie hat in der Vorbereitung eine Reihe von Kolleginnen wiedergefunden, mit denen sie schon als Amateurin gespielt hatte, beispielsweise bei ihren zahlreichen Auftritten in den Schweizer Girls-, Juniorinnen- und Frauen-Auswahlen an Welt- und Europameisterschaften. Die Runde beginnt nicht besonders gut. Birdie, Par und Triple-Bogey auf den ersten drei Löchern, plus 2 in der Bilanz. Nora Angehrn lässt sich nicht aus dem Tritt bringen. «Ich sagte mir, dass ich immer noch 33 Löcher vor mir hätte, vielleicht sogar 69.»

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Die Fähigkeit des guten Playing Pro, nicht über missratene Schläge nachzudenken, sondern die nachfolgenden zu planen, führt die junge Zürcher Proette schon bei ihrem Debüt ans erste Ziel: Sie schafft den Cut. Nicht nur das. Mit konstant guten Runden von 73, 71, 71 und 72 Schlägen klassiert sie sich als 18. mitten in der europäischen Elite. Einige renommierte Spielerinnen wie die Deutsche Elisabeth Esterl (zweifache Turniersiegerin, sechsmal in Folge in den Top 20 der Jahreswertung, Teilnehmerin am prestigereichen Solheim Cup) und die routinierte Australierin Corinne «Dibs» Dibnah (13-fache Turniersiegerin) lässt Angehrn weit hinter sich.

Mit zwei weiteren Tour-Siegerinnen, der Spanierin Ana Belen Sanchez und der Schwedin Asa Gottmo, konnte Angehrn im Flight spielen. «Die beiden waren sehr freundlich zu mir. Es scheint mir, dass sie mich als Rookie schon anerkannt haben.»

Taranto das Schlüsselerlebnis

Hätte sich Angehrn im November, als sie die Tour-Qualifikation in Taranto bestritt, vorstellen können, dass ihr die Umstellung von der Amateurin zum Profi so gut gelingen könnte? «Es kommt darauf an, ob Sie mich vor oder nach der Tour-Qualifikation gefragt hätten», sagt die mehrfache Schweizer Meisterin. Die Qualifikation selber, die sie im hervorragenden 3. Rang abschloss, war demnach ein Schlüsselerlebnis? Ja. «Taranto hat mir viel Selbstvertrauen gebracht.»

Beruflich abgesichert

Als Absolventin - mit Bestnoten - der San Diego Golf Academy, an der sie 2002 und 2003 zur Golfmanagerin ausbilden liess, hat Angehrn bereits ein berufliches Fundament gelegt. Die Voraussetzungen scheinen sehr gut, dass sie auch als Berufsgolferin Erfolg haben kann. Ja, in ihrem Umfeld stimme wirklich alles, sagt sie. Für das ganze Jahr sei alles geregelt, sie könne sich ganz auf sich und ihr Spiel konzentrieren.

Das Umfeld, damit ist zur Hauptsache Angehrns «Team» gemeint. An der Font arbeitet sie seit zwei Jahren mit der von ihrer Arbeit für die Swiss PGA bekannten Technik-Trainerin Denise Lavigne und mit dem vom «Golf Digest Magazine» ausgezeichneten Fitness-Trainer Randy Myers. Im Hintergrund arbeiten Noras Vater Jürg Angehrn, auch Senioren-Captain der ASG, und Tom Ritsch von der Agentur evenPAR. Die beiden teilen sich in die umfangreichen Management-Aufgaben (Planung und Organisation, Sponsoren-Kontakte, Medienauftritte etc.) und halten der Spielerin den Rücken frei.

Für finanziellen Support sorgen die persönlichen Sponsoren Burgerstein Vitamine, Amag Utoquai und Srixon sowie die Swiss Golf Foundation.

Die Karriere wird mit Bedacht geplant, die ersten Ziele (unter anderem Bestätigung der Tourkarte) werden nicht zu hoch angesetzt. Nachdem sie sich eine Woche nach der Qualifikation, am 11. November 2004, als Profi hatte registrieren lassen, fasste Nora Angehrn mit ihrem Team nicht gleich die ersten Events der Ladies European Tour im Fernen Osten ins Auge (zwei von drei Turnieren in Singapur, Australien und Thailand hätte sie spielen können), sondern entschied sich für eine kleine Turnierserie in Südafrika. Sie fand den Tritt sehr gut und klassierte sich auf Anhieb dreimal im Preisgeld (Ränge 13, 11, 9!). Die Basis hatte sie im Januar in einem einmonatigen Trainingsaufenthalt in Florida gelegt, wo sie an der Technik, besonders aber an der Fitness («Ich hatte zu wenig Stabilität») feilte. Jetzt scheint Nora Angehrn fit für eine gute Rookie-Saison.

Die Swiss Lady

Nora Angehrn

Geboren: 17. März 1980

Wohnort: Zürich

Klub: Zürich-Zumikon

Berufslaufbahn: 2000: Matur Typus B, 2000/01: Jusstudium Uni Zürich, 2002/03: San Diego Golf Academy (Golfmanagement-Schule), mit Bestnoten abgeschlossen

Hobbys: Ski, Snowboard, Wakeboard, Wasserski, Sport allgemein

Golfprofi: Seit November 2004

Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch

Handicap-Entwicklung: 1991 (mit 11 Jahren) 36,0 und 28,0; 1992 21,0; 1993 14,0; 1994 7,8; 1995 6,2; 1996 4,7; 1997 4,0; 1998 3,0; 1999 1,8; 2000 +0,4; 2001 +0,1; 2002 +0,3; 2003 +0,6; 2004 +1,2

Erfolge als Amateurin: 1994 Schweizer Meisterin U14; 1996 Platzrekord in Breitenloo (69 Schläge, 3 unter Par); 2000 Schweizer Meisterin (Matchplay), Platzrekord in Wylihof (69 Schläge, 4 unter Par); 2001 Schweizer Meisterin (Matchplay und Strokeplay), Halbfinalistin der internationalen spanischenMeisterschaft der Juniorinnen, 4. Platz an der internationalen deutschen Meisterschaft der Frauen; 2002 Siegerin Schweizer Order of Merit; 2003 Platzrekord PGA West Palm Springs (63 Schläge, 9 unter Par); 2004 Schweizer Meisterin (Matchplay), 2. Platz Sherry Cup, Platzrekord in Lipperswil (69 Schläge, 4 unter Par) und Kandern (68 Schläge, 4 unter Par). 3. Platz im Qualifikations-Final zur europäischen Frauentour im November 2004 in Brescia

Homepage: www.noraangehrn.ch

Regine Lautens

Die Ratschläge

Régine Lautens keine andere Persönlichkeit des Schweizer Golfsports ist so befähigt wie sie, einer jungen Proette wie Nora Angehrn ein paar Tipps für die Karriere zu geben. Die Genferin, heute Nationalcoach der Girls (U18), spielte 16 Jahre auf der Europa-Tour. Deshalb kann sie einige Dinge hervorheben:

- «Mehr und härter arbeiten als die anderen. Ohne Disziplin und konsequente Arbeit kann der Erfolg nicht erwartet werden.»

- «80% der Schläge im Training sollten aus weniger als 100 m gespielt werden. Daneben braucht es einen guten Drive, mit dem man die Fairways trifft.»

- «Die Spielerin sollte sich mit kompetenten, wertvollen Leuten umgeben, die ihr ein gutes Training ermöglichen und für sie auch die geschäftlichen Dinge regeln. Die Spielerin sollte sich auf das Golf selber konzentrieren können.»

- «Anderseits darf die Spielerin nicht auf zu viele Leute hören. Sie bekommt von allen Seiten gut gemeinte Tipps, aber sie muss selber wissen, was ihr wirklich hilft. Dafür benötigt sie einen starken Charakter.»

- «Die Spielerin muss zu jeder Zeit kurzfristige und langfristige Ziele vor Augen haben. Soverschafft sie sich laufend ein Feedback darüber, wo sie wirklich steht.»