Novartis: Die Abspaltung von Sandoz wird kein zweiter Fall Alcon

Vas Narasimhan ist ein Meister der Transaktionen. In den vergangenen Jahren hat der Novartis-Konzernchef Akquisitionen und Verkäufe im Wert von 70 Milliarden Dollar durchgeführt. Der Betrag liegt in der gleichen Grössenordnung wie die Übernahme des Biotechunternehmens Celgene durch der Pharmakonzern Bristol Myers Squibb 2019 für 74 Milliarden Dollar, also dem vorerst letzten grossen Mega-Merger der Pharmabranche. Nun holt der Novartis-Chef zum nächsten Schlag aus. Sandoz, das Geschäft mit den Nachahmerprodukten, steht zur Disposition. Bei der Präsentation der Quartalszahlen kündigte das Unternehmen eine strategische Überprüfung des Geschäfts an. Das erinnert an den Spinoff von Alcon, die Augenheilsparte, die Narasimhan vor gut zwei Jahren erfolgreich an die Börse brachte. Die Parallelen sind offensichtlich: ein Geschäftsfeld, das nicht zum definierten Kerngeschäft mit innovativen Medikamenten gehört, soll aus dem Konzern herausgeschält und verkauft werden. Doch es gibt auch einige gewichtige Unterschiede. Sandoz ist nicht einfach ein zweiter Fall Alcon. Alcon wuchs, Sandoz schrumpftAlcon war ein wachsendes Geschäftsfeld, bevor es von Novartis an die Börse entlassen wurde. In den zwei Jahren vor der Abspaltung waren das Geschäft mit augenchirurgischen Medikamenten und Kontaktlinsen – plus den Augenmedikamenten, die damals auch noch zur Sparte gehörten und bei Novartis blieben – um 4 beziehungsweise 6 Prozent gewachsen auf zuletzt 7,1 Milliarden Dollar. Ganz anders bei Sandoz. Da kämpft Novartis-Konzernchef Narasimhan seit Jahren mit rückläufigen Umsätzen. Gewiss, Sandoz macht einen guten Job im Geschäft mit den Biosimilars, also den komplexeren und deshalb auch finanziell interessanteren Nachahmerprodukten für Biologika. Inzwischen erreicht der Umsatz mit Biosimilars wie Rituximab (dem Generikum zu Rituxan/Mabthera, dem während Jahren umsatzstärksten Krebsmedikament von Roche) einen Fünftel des Umsatzes von Sandoz. Alcon-Börsengang war voller ErfolgDoch der Aderlass bei den Nachahmerprodukten für einfache chemische Wirkstoffe bleibt, vor allem in den USA, wo die Preise für Generika seit Jahren stark erodieren. Mit dem Ergebnis, dass die Umsatzgewinne bei den Biosimilars durch Preisrückgänge bei den einfachen Generika teilweise gleich wieder weggefressen wurden. Zuletzt machte Novartis noch 9,6 Milliarden Dollar Umsatz mit Generika und Biosimilars, gegenüber 10,1 Milliarden Dollar vor fünf Jahren. Der Börsengang von Alcon war ein voller Erfolg. Der Wert des neuen Konzern stieg schon am ersten Handelstag auf 27 Milliarden Franken und damit höher als die Werte, die durch den Wertverlust bei den Novartis-Valoren verloren gingen. Inzwischen ist das auf augenchirurgische Instrumente und Kontaktlinsen spezialisierte Unternehmen 38 Milliarden Franken wert. Novartis und Alcon sind aktuell zusammen mit 222,8 Milliarden Franken kapitalisiert. Ob sich das bei Sandoz wiederholen wird? Gelingt es, den Aderlass in den USA zu stoppen?«Ich denke, es wird nicht einfach werden, ein Geschäft, das historisch stagnierende Umsätze geliefert hat und zukünftig wohl niedriges einstelliges Umsatzwachstum erzielen wird, an die Börse zu bringen», sagt Lorenzo Biasio, Pharma-Analyst der Credit Suisse. Mit Blick auf einen allfälligen Börsengang sei deshalb entscheidend, dass es der Sandoz-Spitze unter Richard Saynor gelinge, die Blutung in den USA zu stoppen. Dazu kommt: Das Geschäft mit innovativen Medikamenten wird viel höher bewertet als das mit Generika und Biosimilars. Das bedeute, dass Sandoz von der heutigen Situation im Schoss von Novartis profitiere, sagt der Credit-Suisse-Analyst. Das aber falle bei einer Herauslösung weg. Die entscheidende Frage werde deshalb sein: «Sind die beiden – fokussierteren - Unternehmen nach der Separierung zusammen mehr wert als Novartis heute?» Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigt das Beispiel des Zusammenschlusses von Upjohn, des Generikageschäfts von Pfizer und des niederländischen Mylan zur Viatris vor einem Jahr. Zumindest kurzfristig gelang es damals nicht, für die Pfizer-Aktionäre einen Mehrwert zu schaffen. Grosse Hoffnungen auf die BiosimilarsDa macht es Sinn, dass sich Konzernchef Narsimhan und Sandoz-Chef Richard Saynor vor diesem Hintergrund vor allem die guten Perspektiven des Geschäfts mit den Biosimilars in den Vordergrund rücken. In den nächsten zehn Jahren würden Medikamente mit Umsätzen von zusammen 400 Milliarden Dollar ihre Patente verlieren, sagte Narasimhan in einem Call mit Investoren. Bei Sandoz sollen die Umsätze mit Biosmiliars bis 2025 auf drei Milliarden Dollar ansteigen; also von einem Fünftel auf einen Drittel des heutigen Umsatzes von Sandoz. Bis 2030 sollen es sogar 5 Milliarden Dollar werden. Das wäre die Hälfte des heutigen Sandoz-Umsatzes. «Wir werden in den nächsten drei Jahren sechs Biosimilars in Europa und in den USA lancieren», sagte der Sandoz-Chef; «was unser Geschäft substantiell verändern wird». Zudem habe das Unternehmen 15 Biosimilars in der Pipeline. Bis 2024 werde es eine weitere Welle von Patentabläufen geben, «und wir tun unser Bestes, diese zu covern», sagte Narasimhan. Doch nicht nur beim Profil des Geschäfts, sondern auch organisatorisch lässt sich ein Börsengang von Sandoz nur bedingt mit Alcon vergleichen. Sandoz war in der Vergangenheit stark mit Novartis verbunden. Nach der Fusion von Sandoz und Ciba-Geigy verschwand die Marke ganz, um erst nach einigen Jahren wieder als Brand fürs Generika-Geschäft des Pharmariesen aufzutauchen. Sandoz sei historisch stärker integriert gewesen als Alcon, sagt Narasimhan. Gleichzeitig sei es dank der Anstrengungen der vergangenen Jahren, Sandoz organisatorisch von Novartis zu trennen, «etwas einfacher» als bei Alcon, sagte Finanzchef Harry Kirsch. «In diesem Punkt sind wir weiter als wir waren, als wir damals die strategische Überprüfung von Alcon angekündigten». Auch ein Verkauf hat seine TückenDie Spinoffs von Alcon und Sandoz sind nur bedingt vergleichbar. Klar ist: Auch die Alternativen zu einem Börsengang sind nicht ohne Tücken. Das Generikageschäft ist weltweit bereits stark konzentriert. Neben Sandoz dominieren weitere Giganten wie Viatris und die die israelische Teva den Markt mit den Nachahmermedikamenten. Ein Verkauf von Sandoz an die Konkurrenz hätte deshalb umfangreiche Untersuchungen und womöglich Auflagen der Wettbewerbsbehörden zu Folge. Ganz abgesehen von politischen Widerständen, auf die ein Verkauf möglicherweise stossen würde. Immerhin ist Sandoz der wichtigste Generikaplayer in Europa und der weltweit bedeutendste Hersteller von Antibiotika.