Ein Fahrplanwechsel ist nicht nur eine mathematische und unternehmerische Herkulesaufgabe, sondern auch eine nervenaufreibende Angelegenheit. Haben die Planer wirklich exakt gerechnet? Ist das Eisenbahnnetz an den richtigen Stellen ausgebaut worden? Denn Sekunden können über ein Chaos auf dem Schienennetz entscheiden. Kein Wunder, wünschte sich die Eisenbahnindustrie lange Zeit ein leistungsfähiges und benutzerfreundliches Simulationswerkerzeug für Eisenbahnsysteme.
Die Marktchance gesehen
Diese «Marktlücke» erkannte Daniel Hürlimann nach seinem Abschluss als Informatik-Ingenieur an der ETH. 1994 begann er als Assistent am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme zu arbeiten und beschäftigte sich im Rahmen einer Dissertation mit der Frage nach einer objektorientierten Modellierung im Eisenbahnwesen. «Ich erkannte die Chance, die akademische Seite eines Forschungsprojekts mit einer konkreten Anwendung zu kombinieren», sagt Hürlimann.
Geholfen haben ihm die guten Kontakte des Instituts zur Industrie. Die SBB, Siemens Verkehrstechnik, SLM sowie der Verkehrs- und Unternehmensberater SMA und Partner erklärten sich bereit, Betaversionen der zu entwickelnden Software zu testen. Zudem sagten die vier Partner zu, nach den Tests mindestens eine kommerzielle Lizenz des künftigen Tools zu erwerben, was für die jungen Forscher ein «überwältigender Start» war, wie Hürlimann erläutert.
Heute hat sich die Software namens OpenTrack durchgesetzt und findet im Ausland grossen Anklang. Sie bildet den Bahnverkehr auf einem beliebigen Netz detailliert ab. Zunächst wird das Streckennetz definiert wie beispielsweise die Höchstgeschwindigkeiten, die Steigung einzelner Streckenabschnitte oder die Vorschriften für die Lokomotivführer. In einem weiteren Schritt werden alle Fahrplandaten sowie die einzelnen Lokomotiven und Zugskompositionen eingegeben. Das Programm berechnet danach, wie sich Züge auf dem Eisenbahnnetz bewegen. Das Computerprogramm berücksichtig auch unerwartete Effekte wie die unterschiedlichsten Witterungsbedingungen, die Verspätung von Zügen oder Ausfälle von Signalanlagen. OpenTrack hat die Erwartungen der Industrie erfüllt. Eisenbahnunternehmungen, Industrieunternehmen und Ingenieurbüros aus der Schweiz, aus Portugal, Deutschland, Italien, Finnland, den Niederlanden und Australien verwenden die Software.
Lange Liste mit Ideen
Ein ETH-Spin-off ist gegründet und soll ab 2006 die Entwicklung und den Vertrieb von OpenTrack übernehmen. Derzeit befasst sich die Forschungsgruppe mit der Weiterentwicklung der Software. Daneben tragen Beratungsmandate zum Umsatz bei. Die Ideen gehen Hürlimann jedenfalls nicht aus. Die Liste sei ziemlich lang.
Gegenwärtig wird über die Erweiterung von OpenTrack in Richtung Bahnstromversorgung experimentiert, und zwar in Zusammenarbeit mit einer Bahntechnikfirma aus Dresden. Ausserdem befasst sich das Institut für Verkehrsplanung und Transportsystem mit der künftigen niederländischen Hochgeschwindigkeitsstrecke: OpenTrack wird in ein Werkzeug zur Qualitätssicherung integriert. Das Potenzial der Simulationssoftware scheint gross, jedenfalls auch für die künftige Firma.