Schnelligkeit ist alles im Business der Bianchis, deren Lieferwagen mit dem orangefarbenen Krebs von Genf bis St. Moritz unterwegs sind. Es gehört zu den Prämissen der Brüder Giulio und Paolo Bianchi, jede Bestellung, sei es Fisch, Fleisch oder Geflügel, innerhalb von 24 Stunden zu liefern. Wenn die Gastronomen gegen Mitternacht mit der Arbeit aufhören, senden sie oftmals noch eine Bestellung für den nächsten Tag. Giulio und Paolo beginnen um halb fünf Uhr früh mit der Arbeit. «Neben der Koordination ist es wichtig, genügend Kunden zu haben», sagt Giulio Bianchi, «denn erst so können wir die Wagen richtig beladen.»

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Der Handel mit Frischwaren hat Tücken. Weil die Bianchis beim Frischfisch mit so genannten «petits bateaux» kooperieren, also mit Fischern auf kleinen Booten, die ohne bestimmte Fangabsichten hinaus aufs Meer fahren, müssen sie dauernd mit dem Unvorhersehbaren rechnen etwa mit einer grossen Menge Tintenfisch, die im Netz der Fischer hängen geblieben ist.

«Wir funktionieren wie eine Börse», sagt Giulio Bianchi, «die Bestände werden laufend herunter- und wieder heraufgefahren.» Wenn nun plötzlich Thunfisch en masse komme, dann müssen sie diesen auch loswerden. Oder wenn es nun zu schneien beginnt, dann werden sie sehr schnell sehr viele Muscheln brauchen. «An einem Wochenende sind es 200 kg Muscheln, am nächsten plötzlich 2 t.»

Chefs ohne Chefzimmer

Wichtig dabei ist vor allem die interne Kommunikation. «Wir lassen laufend aktualisierte Verkaufslisten zirkulieren», sagt Giulio. Die beiden Brüder haben keine Chefzimmer. Sie arbeiten auf wenigen Quadratmetern zusammengepfercht im Gemeinschaftsbüro mit den Verkäufern. «Durch diese flachen Hierarchien sind wir mitten im Geschehen und hören es gleich, wenn beispielsweise plötzlich eine grosse Ladung Schwertfisch kommt», sagt Giulio.

Während der Markt an Frischfisch stabil bleibt, nimmt jener mit gefrorenen Lebensmitteln zu. Caterer wie die SV (Schweiz) AG, die ZFV-Unternehmungen und Compass Group verlangen vermehrt Convenience-Produkte.

Generationenwechsel

Im Jahr 1995 haben die Bianchis ihr traditionelles Detailgeschäft in Zürich aufgegeben, um nach Zufikon zu ziehen. Der Standort sei logistisch ideal, sagt Paolo. Man habe eine gute Anbindung zum Flughafen, nach Zürich, Basel, Luzern sowie ins Mittelland in Richtung Lausanne und Genf.

Die Nachfolgeregelungen verliefen harmonisch. Um bei der Bewertung auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, liess Eduard Bianchi das Unternehmen von einem internen, Giulio, und einem externen Finanzexperten bewerten. Der Mittelwert war der Verkaufspreis.

Dann haben die beiden Söhne und der Vater ihre Positionen als Aktionäre und Angestellte gewechselt. Heute steht der Vater als Berater zur Seite.

Konflikte haben die beiden Brüder fast nie, sagen sie. «Wir ziehen am gleichen Strick», sagt Paolo. «Wichtig ist, dass man die gegenseitigen Stärken akzeptiert», ergänzt Giulio, «und auch dass man in der Firma immer einheitlich auftritt, was voraussetzt, dass wir uns immer wieder absprechen.» Schliesslich habe man dieselbe Philosophie, sagt Paolo.

Zur Philosophie gehört es, dass ohne Budgets operiert wird. Wenn man entscheide, den Markt in Genf anzugehen, dann kaufe man einfach fünf Autos, sagt Paolo. «Während in anderen Firmen noch Abklärungen und Marktanalysen gemacht werden, sind wir bereits unterwegs.»

Schicke Büromöbel wozu?

Ein weiterer Grundsatz lautet, laufend in die Logistik zu investieren «und zwar ohne Fremdkapital», wie Giulio betont. «Wenn es darum geht, ein neues Auto oder ein schönes Büromöbel zu kaufen, dann entscheiden wir uns prinzipiell fürs Auto.» Das Unternehmen hat heute jene Logistik, die von der Gemeinschaftsverpflegung erwartet wird. Die wollen möglichst wenig Zulieferer mit festen Preisen für die ganze Schweiz, Convenience-Produkte in grosser Vielfalt.

Innerhalb von wenigen Jahren konnte das Unternehmen seinen Umsatz auf 120 Mio Fr. steigern und die Belegschaft um einen Drittel auf 190 Mitarbeitende erhöhen. Mit den Lieferwagen sind 80 Chauffeure unterwegs, im Verkauf sind 30 Leute tätig, in der Administration nur sechs. Die Administration soll so schlank sein wie nur möglich.

«Die Fluktuation ist sehr tief», sagt Giulio Bianchi. Seit dem Umzug nach Zufikon sei es zu keiner einzigen Entlassung gekommen. Man ist sich in jeder Hinsicht nahe. Deshalb ist es wichtig, dass jemand wirklich ins Team passt. Ist dies nicht der Fall, dann handeln die Bianchis noch während der Probezeit.

«Wir verstehen uns als traditionelles KMU, das seine soziale Verantwortung wahrnimmt», sagt Giulio. Einen Mitarbeiter mit Drogenproblemen haben sie zu einem Entzug bewegen können. Nach sechs Monaten haben sie ihn wieder eingestellt. Andererseits werde viel verlangt: Wer hier arbeite, müsse sich in die bestehenden Strukturen integrieren können. Oder auch mal am Samstag arbeiten. Über die Initiative zum Verbot der Sonntagsarbeit in Verkaufsläden bei Bahnhöfen kann Giulio nur den Kopf schütteln. «Am Samstag arbeitet bei uns etwa ein Viertel der Belegschaft, am Sonntag ist Notfalldienst für die Stadt Zürich.»

Das personelle Wachstum geht auf die Erschliessung neuer Geschäftsfelder zurück. Denn ihre Kernkompetenz sehen die Bianchis nicht mehr im Produktbereich, sondern in der effizienten Logistik. «Wir sind keine Händler, sondern Vermittler zwischen Zulieferern und Abnehmern», sagt Paolo.

Liberalisierung im Markt

Rindfleisch ist ein wachsendes Geschäftsfeld der Bianchis, seitdem im Zuge der «Landwirtschaftspolitik 07» der Fleischhandel zu einem Teil liberalisiert worden ist. Früher erhielten Metzger für die Tiere, die sie schlachten, Kontingente für den Fleischimport. Einige Metzger haben ihre Kontingente verkauft. Jetzt wird ein Drittel aller Kontingente für den Fleischimport direkt vom Bund in Bern versteigert, das nächste Jahr zwei Drittel, danach alle.

Dass solche protektionistischen Massnahmen abgebaut werden, ist schlecht für die Metzger, aber gut für die Bianchis. Sie profitieren davon. Und haben auch schon richtig zugeschlagen; die letzte Rindfleischlieferung kostete die Bianchis 300000 Fr. Sie haben bei der Versteigerung geboten und dann grünes Licht erhalten. Einen Tag später mussten sie bereits bezahlen. Wer mitspielt, muss also das notwendige Kleingeld in der Tasche haben. Und braucht entsprechend grosse Lagerhallen, denn am Tag nach der Bezahlung wurde das Fleisch geliefert. Und schliesslich muss man die Ware auch wieder verkaufen können. «Es ist wie in einem Spielcasino», sagt Paolo.

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Zur Person

Die Brüder Paolo (1958) und Giulio (1961) Bianchi führen das Unternehmen G. Bianchi AG in der vierten Generation. Giulio studierte in St. Gallen Ökonomie und ist für den Finanzbereich verantwortlich. Er hat drei Kinder. Paolo, der Praktiker, ist nach der Handelsschule und Sprachaufenthalten beim Vater eingestiegen und verantwortlich für Verkauf und Marketing. Er ist verheiratet und hat ein Kind.

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Gebrüder Bianchis Führungsprinzipien

1. Kollegiales Verhältnis, aber eine konsequente, klare Linie.

2. Wir leben sehr flache Hierarchien.

3. Wir kommunizieren intensiv; sei es face to face oder durch moderne Technologien.

4. Wir leben die Vorbildfunktion: Zuverlässig, aktiv, positiv und motiviert.

5. Wir laufen voraus und halten die Fahne in der Hand.