Er, der es in seinem beruflichen Umfeld sonst gewohnt war, sich nach oben - und nicht nach unten - zu orientieren. Hayek wirkte im persönlichen Gespräch an der «BaselWorld 2010», der massgebend durch seine Swatch-Gruppe als weltgrösste Uhren- und Schmuckmesse geprägten Ordermesse, vor drei Monaten so aufgezogen wie Uhren aus seinem 19-karätigen Markenkonglomerat. Und wie einer in den allerbesten Jahren, nicht wie einer mit Jahrgang 1928. Vielleicht auch, weil er soeben bewiesen hatte, dass seine Gruppe die schlimmste Krise der hiesigen Uhrenindustrie seit den 1970er-Jahren zwar mit Kurzarbeit, aber ohne Entlassungen gemeistert hatte. Darauf war er, der Patron alter Schule mit ausgeprägt hoher sozialer Kompetenz, besonders stolz. Schade, dass er heuer, dem ersten vollen Jahr nach Bewältigung des Nachfrageeinbruchs, die Bestätigung der Richtigkeit seiner Strategie nicht mehr mitfeiern darf. Swatch wird, wenn die Gangreserve der Weltwirtschaft nicht bockt, das beste Ergebnis ihrer bisherigen Firmengeschichte schreiben.

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Das Rendez-vous mit ihm, vorbehalten einem kleinen, ausgewählten Kreis, war der interne Höhepunkt der Basler Messe. Auch weil der Uhrenkönig - im Wissen, dass das Gesagte unter dem Deckel blieb - mit einer Offenheit über Gott, die Welt und, mit Schwergewicht, über seine Swatch Group plauderte. Eher dozierte. Wer den Swatch-Jahresbericht als Vorbereitung auf das Unter-vier-Augen-Gespräch mit ihm nicht intus hatte, der musste sich tadeln lassen. Väterlich zwar, aber bestimmt. Daher wohl auch sein brancheninterner Nickname «Papa Hayek». Wer ihm, dem grossen Meister, fachlich - wenigstens ansatzweise, denn zu mehr konnte es unmöglich reichen - und verbal Paroli bot, der sorgte dafür, dass draussen die nächsten Kollegen länger als üblich warten mussten und die abgemachte 60-Minuten-Gesprächsrunde durch den Chef persönlich überzogen wurde. Hier erlebte man Lehr- und Sternstunden unternehmerischen Wirkens, authentisch, glaubhaft. Näher zu einem der grössten Vorbilder der Schweizer Wirtschaftsgeschichte konnte man nicht kommen. Hayek musste sich nicht mehr beweisen. Im Umfeld der «BaselWorld» liess er sich feiern, zurückhaltender vielleicht als früher, mit etwas weniger (auf)reizender Begleitung, aber nicht minder herzlich und jovial. Als Retter der Schweizer Uhrenindustrie etwa, aber auch als Unternehmer, der - anders als viele Kuscher der hiesigen Ökonomie - kein Blatt vor den Mund nahm, ging es um Kritik am Establishment. Mit der Schweizerischen Nationalbank habe er nicht mehr in den Sägemehlring zu steigen, meinte Hayek Mitte März; die Berner Währungshüter würden ihre Sache recht machen, besser als früher. Und auf die Person brauchte Hayek, anders als zu Fritz Leutwilers Zeiten, kaum mehr zu spielen. Zur Bestform hingegen lief er auf, als er, lange Jahre der Polterer vom Dienst und von den hiesigen Boulevard-Medien regelmässig als Retter für so ziemlich alles gefeiert, die Grossbanken kritisierte. Ihnen warf er, temperamentvoll und bis an die Grenzen zum Wutausbruch gehend, schädigendes Verhalten vor. Vergessend gar, dass es mitunter genau Banker waren, die in den besten Zeiten dank Boni-Ausschüttungen legendäre Spontankäufe an der Zürcher Bahnhofstrasse tätigten. Wobei sie sich dabei kaum im Segment der Swatch-Günstigmarken Tissot, Hamilton, Certina und Mido umsahen.

Klar, auch Hayek machte Fehler, war nicht immer gerecht, vergass manchmal, dass auch sein direktes Umfeld zum Erfolg beitrug. Die Günstig-Plastikuhr Swatch war nicht allein seine Idee, sein Verdienst. Und sein Auftritt und seine Stimmungsmache gegen die beiden Grossbanken UBS und CS gemeinsam mit Christoph Blocher und SP-Parteipräsident Christian Levrat wurde nicht überall verstanden. Dem Ehrenbürger von Biel und von Meisterschwanden AG jedoch wurden Tritte ins Fettnäpfchen verziehen. Weil sie von seinen unternehmerischen Erfolgen überstrahlt wurden. Dies vor allem zu Zeiten, als die Schweiz glaubte, die mechanische Uhr habe endgültig abgedankt. Es kam anders, wie man heute weiss.

Was aber ist das grösste Verdienst Hayeks? Dass er an die hiesige Industrie im Jurabogen glaubte? Dass er bewies, dass fernab moderner Managementphilosophien nach wie vor patronales Gedankengut erfolgreich sein kann? Dass er, als letztes Ziel seiner langen Karriere, der Brennstoffzelle zum endgültigen Durchbruch verhelfen wollte? Hayek hat in Biel, im Jura, in der Schweiz, ja weltweit, mehr als Spuren hinterlassen. Er hat Strassen gebaut, auch dort, wo ihm turmhohe Hindernisse im Weg standen. Vor allem aber hat er seine Nachfolge geregelt. Nick, sein Sohn und Präsident der Konzernleitung, tickt genauso wie sein Vater. Allerdings 26 Jahre jünger. An ihn glaubte «Papa Hayek» auch dann, als sein Zögling als Filmemacher nicht den sonst üblichen Weg Wirtschafts- oder Jus-Studium wählte. Unkonventionelles war beiden Hayeks nie fremd, deshalb verstanden sie sich auch in unternehmerisch schwierigen Zeiten. Vertrauen war wichtiger. Wirklich grosse Chefs lassen sich daran messen, wie sie ihre Nachfolge regeln. Nicolas G. Hayek hat sich mit seinen zukunftsweisenden Entscheiden ein Denkmal gesetzt. Sein Vermächtnis lebt, verantwortet von seinem Sohn und seiner Tochter Nayla, weiter. Das ist sein eindrücklichstes Verdienst.