Für Speedel könnte ein Übernahmeangebot zum Befreiungsschlag führen. Die Einkommen des Basler Biotechunternehmens mit seinen 84 Mitarbeitern hängen von Novartis ab. Speedel erhält vom Pharmamulti Lizenzgebühren, die dieser dem Unternehmen für den Blutdrucksenker Rasilez (Tekturna in den USA) bezahlt. Für 2007 waren das 3 Mio Fr., denen operative Kosten von 72 Mio gegenüberstanden.

Speedel leidet, weil Novartis von Rasilez deutlich weniger umgesetzt hat als erwartet. Für das vergangene Jahr hatte man mit einem Umsatz von 100 Mio Dollar gerechnet, tatsächlich waren es 40 Mio. Im 1. Quartal 2008 belief sich der Umsatz auf 28 Mio Dollar, bei Erwartungen von 350 Mio für das Gesamtjahr. Allein seit Jahresbeginn hat die Aktie von Speedel 45% nachgegeben.

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Unterschiedliche Auffassungen

Neben enttäuschenden Verkaufszahlen sorgen unterschiedliche Auffassungen zu den Lizenzgebühren für schlechte Stimmung zwischen Speedel und Novartis. Insbesondere bei den Einnahmen aus Kombinationen von Rasilez mit anderen Wirkstoffen sieht sich Speedel ungenügend entschädigt. «Dank der Abhängkeit von Novartis steht Speedel zurzeit das Wasser bis zum Hals», urteilt ein Analyst. Novartis hält schriftlich fest, dass man alle vertraglichen Auflagen einhalte und «innerhalb der vereinbarten Bedingungen» zusammenarbeite. Die Einnahmen des Medikaments seien «solid», insbesondere angesichts eines schwierigen Marktumfeldes.

Die Novartis-Abhängigkeit von Speedel hat historische Gründe: Alice Huxley, CEO und Gründerin von Speedel, hat einst als Mitarbeiterin der Novartis-Vorläuferin Ciba Geigy die Forschung mit Reninhemmern vorangetrieben. Der Konzern hat diese damals nicht für wichtig gehalten, sich aber für den Erfolgsfall die Rechte gesichert.

Das zahlt sich nun aus. Rasilez, das auf dem neuartigen Ansatz zur Senkung des Blutdrucks mit Reninhemmern beruht (siehe Kasten), könnte die Nachfolge von Diovan antreten. 2012 läuft der Patentschutz dieses Blutdrucksenkers aus. Mit einem Jahresumsatz von mehr als 5 Mrd Dollar ist Diovan der grösste Verkaufsschlager von Novartis. Anhand der umfangreichsten je durchgeführten Studienreihe ermittelt der Multi zurzeit an über 35000 Patienten, wie Rasilez auch gegen Herz- und Nierenschäden bei Patienten mit Altersdiabetes wirkt.

In Zusammenarbeit mit Speedel steht mittlerweile auch Roche ? auch für diesen Pharmamulti entwickelt das Biotechunternehmen Reninhemmer. Das allein könnte ein Kaufinteresse von Roche begründen, wie der Helvea-Analyst Olav Zilian raisonniert. Fritz Gerber, über Jahrzehnte die führende Persönlichkeit und Ehrenpräsident von Roche, ist mit einem Anteil von 11,3% nach Alice Huxley zweitgrösster Speedel-Aktionär.

Verkauf hätte Folgen

Am Biotechunternehmen ebenfalls interessiert sein könnte auch MSD. Denn im Jahr 2010 läuft für den US-Konzern das Patent des Blutdrucksenkers und Dio-van-Konkurrenzprodukts Cosaar aus.

Ein Verkauf von Speedel hätte zur Folge, dass Novartis Lizenzgebühren für ihr möglicherweise wichtigstes Zukunftsprodukt an Roche oder einen anderen Käufer leisten müsste. Dies könnte das Unternehmen zwingen, selbst als Kaufinteressent aufzutreten. Novartis hält 9,7% an Speedel.

Keines der Unternehmen wollte sich auf Anfrage zu einem möglichen Interesse an Speedel äussern. Auch Alice Huxley dementiert Verkaufsabsichten.

 

 



So wirken die Reninhemmer

Das Medikament Rasilez oder Tekturna, wie es in den USA heisst, setzt früher als andere Blutdrucksenker im sogenannten «Renin-Angiotensin-System»(RAS) an. Damit ist eine Kaskade verschiedener Hormone gemeint, die den Blutdruck regulieren. Am Anfang steht das Enzym Renin, das vom Körper freigesetzt wird, wenn der Blutdruck fällt. Renin «produziert» das Hormon Angiotensin I, welches über das Enzym ACE (Angiotensin Converting Enzyme) zum Endprodukt der Kaskade, dem Hormon Angiotensin II, umgewandelt wird. Dieses führt zu einer Verengung der Blutgefässe und damit zu einem höheren Blutdruck.

Das Revolutionäre an Renin-Hemmern wie Rasilez besteht darin, dass sie gleich zu Beginn der Kaskade ansetzen, in dem sie die Bildung des Enzyms Renin behindern.

Herkömmliche Blutdrucksenker hemmen entweder das ACE-Enzym (die ACE-Hemmer) und damit die Bildung von Angiotensin II, oder sie blockieren die Rezeptoren des Hormons, wodurch sie es in seiner Wirkung behindern (die Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten). Dieser Technik bedient sich auch derBlockbuster Diovan von Novartis oder Cosaar von MSD.(mdm)

Markus Diem Meier
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