Das sagt Universal-Reisen-Chef Philippe Erhart über Mallorca

Wie oft waren Sie schon auf Mallorca? Philippe Erhart: Hunderte Male, ich kann das gar nicht mehr zählen. Was ich sicher weiss: 1958 flog ich als Siebenjähriger mit meinem Vater zum ersten Mal hin – und seither jedes Jahr mehrere Male. Einigen wir uns auf 500 Malle-Touchdowns? Das kommt in etwa hin. Was ist schlimmer? Wenn man «Malle» oder «Maschorca» sagt? «Malle» ist schlimm und geht eigentlich gar nicht. Es ist eine Verballhornung des schönen Inselnamens, genau so, wie der Strandabschnitt Balneario No 6 zum «Ballermann» wurde. Schrecklich. Mallorca hat so viel mehr zu bieten. Wie viele Menschen hat Ihr Unternehmen schon nach Mallorca geschickt? Das waren sicher schon fünf Millionen. Zu Beginn vor allem Schweizerinnen und Schweizer, in der Zwischenzeit stammen über 50 Prozent der Gäste aus anderen Ländern wie Deutschland, Spanien, England, Italien, Frankreich, die unsere eigenen Hotels direkt oder über verschiedene Reiseportale reservieren. Eine gute Entwicklung – sie hilft uns, auch Leute aus anderen Ländern zu treuen Kundinnen und Kunden zu machen. Insgesamt haben wir mehr Gäste, sie bleiben aber weniger lang als früher.Magnet Mallorca Eigene Hochzeit: Auf seiner Hochzeitsreise 1949 entdeckte der Basler Unternehmer Alfred Erhart Mallorca. Danach liess ihn die Insel, auf der damals zwei Hotels standen (heute sind es 1600) nie mehr los. Ab 1963 baute der gewitzte Touristikpionier dort ein kleines Imperium auf. Universal-Reisen-Gründer Alfred Erhart starb 1998 mit achtzig Jahren am Arbeitsplatz. Eigene Hotels: Seither führt sein Sohn Philippe die Firma, die im liechtensteinischen Vaduz domiziliert ist. Heute gehören 14 mallorquinische Hotels zur Firma Universal Reisen, dem grössten Schweizer Mallorca-Spezialisten. Insgesamt umfasst die Gruppe 670 Mitarbeitende; 650 sind in den Hotels auf Mallorca beschäftigt, 20 in Vaduz. Der Umsatz wird auf einen Betrag im zweistelligen Millionenbereich geschätzt. Wie viele Gäste bringen Sie in einem guten Jahr nach Mallorca? Zwischen 100'000 und 110'000. So war es 2018, so war es 2019 – und so hätte es auch 2020 sein können ... … Aber stattdessen wurden es ... … 90 Prozent weniger. 2020 war das schlimmste Jahr aller unserer Zeiten. Bis Februar sah es gut aus, dann mussten wir die Hotels schliessen. Anfang Juli konnten wir wieder öffnen, aber sechs Wochen später war erneut finito. Wie viele werden es dieses Jahr sein? Wir sehen Morgenröte. Aufgrund der Impfsituation kann man momentan davon ausgehen, dass das Geschäft wieder anzieht. Wir hoffen auf die Hälfte des Volumens von 2019, damit wären wir schon mehr als glücklich. Obwohl ich persönlich nicht glaube, dass wir das schaffen werden. Wie viele schlechte Jahre erträgt Ihr Unternehmen, das in Familienbesitz ist? In der Vergangenheit haben wir die Gewinne stets in unsere Hotels reinvestiert. Ein zweites schlechtes Jahr können wir überleben, ein drittes vielleicht auch noch. Wäre es Ihnen in der aktuellen Lage wohler in einem orangen T-Shirt? Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Der kinderlos gebliebene Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler wollte ihren Vater und Universal-Reisen-Gründer Albert Erhart adoptieren, als er noch ein Bub war ... … Das ist richtig ... ... Wäre das geschehen, hätten Sie jetzt die Migros im Rücken. Und könnten in einem orangen Geldstrom baden. Ihre Grossmutter lehnte das Adoptions- Angebot damals ab. Weise? Absolut, ihr Entscheid war richtig. Ich bin lieber selbstständiger Unternehmer. Natürlich, Hotelplan hat als Migros-Tochter eine fürsorgliche Mutter und kann auf deren Unterstützung zählen. Aber wir sind stolz darauf, unabhängig zu sein. Wer ist Ihr natürlicher Feind? Hotelplan, die Malediven oder die Pandemie? Die Pandemie ist der Feind aller Reiseveranstalter, da wird keiner ausgelassen. Auch die allergrössten Player haben zu kämpfen wie verrückt. Sogar noch stärker als wir, weil sie riesige interne Apparate unterhalten müssen. Die Malediven sprechen den Fernreisegast an, das ist in dem Sinne kein Mitbewerber. Unsere Konkurrenten sind Generalisten wie Hotelplan und TUI Suisse, die neben vielen anderen Zielen auch Mallorca anbieten. Auch wenn die unsere Insel nie in derjenigen Tiefe anbieten können, wie wir das tun. Wo reisen Schweizer diesen Sommer hin? Eher an die Maggia oder nach Mallorca? Nach Mallorca natürlich. Das mussten Sie ja sagen. Ich weiss es aus erster Hand. Als ich jüngst wieder unten war, sah ich die langen Schlangen an allen Schaltern, darunter viele Gäste aus Zürich. Das zeigt mir: Die Menschen wollen reisen. Nach der erzwungenen Zurückhaltung vom letzten Jahr erst recht. Was für die Maggia spricht: Kein Einreiseformular, kein PCR-Test, kein Gedränge im Jet. An der Maggia – das sahen wir letztes Jahr – kommt es auch zu Dichtestress. Das Tessin ist für einen solchen Ansturm nicht gemacht. Der PCR-Test aber ist tatsächlich schwierig für unser Geschäft. Die Kosten dafür, bei An- und Rückreise, können für eine vierköpfige Familie schnell einmal ein paar hundert Franken ausmachen. Ein Sonderbetrag, der sich in keinem Ferienbudget findet. Universal Reisen könnte den Gästen den Test spendieren. Das liegt leider nicht drin. Aber es laufen Gespräche mit der spanischen Regierung, dass die Kosten vom Einreiseland übernommen werden könnten. Auf den Sommer hin muss sich da dringend etwas ändern. Die Zeiten sind unsicher, bieten aber auch Chancen. Was hätte Ihr Vater in einer solchen Situation gemacht? Expandiert oder zurückgekrebst? Darüber haben wir intern oft diskutiert. Er hätte wohl die Chancen ergriffen. Und so haben wir uns für Investitionen entschieden. Eines unserer Hotels auf Mallorca haben wir Ende 2020 für sehr viel Geld renoviert. Damit wir parat sind, wenn es wieder losgeht. Heute besitzt Universal 14 Hotels auf Mallorca. Denken Sie daran, günstig an weitere Bunker zu kommen? An Bunker denken wir bestimmt nicht. Wohl aber daran, unser Portfolio zu ergänzen. Wir schauen uns ständig Häuser an, leider aber sind die meisten davon noch immer viel zu teuer. Ein Hotel an der Playa de Palma würde uns sicher reizen – auch deshalb, weil diese Gegend neun bis zwölf Monate im Jahr bewirtschaftbar ist. In der Universal-Zentrale in Vaduz arbeiten 20 Leute, der Grossteil der Firma ist in Spanien. Wie geht es Ihren 650 Angestellten dort? Mussten Sie Leute entlassen? Auch in Spanien gibt es eine Form der Kurzarbeitsentschädigung. Wir halten an der ganzen Belegschaft fest, Entlassungen gab es keine. Wir haben den Kontakt mit den Mitarbeitenden stets aufrechterhalten und die Zeit für interne Schulungen genutzt. Alle freuen sich nun darauf, dass es endlich wieder losgeht! Um die Maggia auszustechen, gibt es ein probates Mittel: runter mit den Preisen. Wie wird sich Mallorca kurz- und mittelfristig entwickeln? Momentan zeigen sich die Preise relativ stabil, nur leicht unter jenen von 2019. Alle Anbieter wollen ja endlich wieder Geld verdienen. In guten Jahren kann man eher mit den Preisen spielen. Zu Jahresbeginn brachten wir Frühbuchertarife, die wir ein paar Mal verlängert haben, aber auf breiter Front gehen wir nicht tiefer. 2021 wird definitiv zum Kurzbucherjahr, viele Gäste werden erst kurz vor der Abreise entscheiden. Die Treue Ihrer Gäste ist legendär. Viele buchen über Generationen jedes Jahr zur gleichen Zeit im gleichen Zimmer. Wie hoch ist der Anteil der Stammgäste? Der liegt bestimmt bei 50 Prozent, die meisten davon sind schon fünfmal oder öfters mit uns gereist. Nicht nur ältere Gäste, sondern auch jüngere Menschen. Oft solche, die schon mit ihren Eltern und Grosseltern mit uns nach Mallorca geflogen sind. Wie belohnen Sie die Treue – gibt es eine Art Universal-Cumulus-Punkte? Das würden wir gerne, es ist aber problematisch. Wenn wir nur die Direktbucherinnen und -bucher belohnen, lassen wir jene aussen vor, die über externe Reisebüros reservieren. Da suchen wir immer noch nach der perfekten Formel. Bei uns ist es grundsätzlich so: Nach der fünften und zehnten Buchung gibt es eine kleine Belohnung, nach der fünfzigsten Reise gibt es zwei Wochen Gratisferien. Diesen Bonus lassen wir Jahr für Jahr mehreren Gästen zukommen. Eine weitere Spezialität bei Ihnen: Immer am ersten Tag eines neuen Jahres kann man bereits fürs Folgejahr reservieren. Am 1. Januar 2022 also schon für 2023. Macht das irgendjemand? Herr Traxel zum Beispiel. Wer ist Herr Traxel? Ein langjähriger Stammgast, der jedes Jahr fünf Minuten nach Mitternacht seine Juniorsuite im Universal-Hotel Cabo Blanco fürs Folgejahr bucht. Die Pandemie zeigte sich natürlich auch hier: 2019 erreichten uns sehr viele Reservationen für 2020. Die mussten wir wegen der Pandemie alle wieder stornieren. Wir sahen Tag für Tag, wie das Kapital wegschmolz. Aufgrund der unsicheren Lage erreichten uns dann 2020 kaum mehr Vorreservationen für 2021. Aber auch das wird sich wieder bessern. Universal ist einst wegen eines Steuerstreits von Basel nach Vaduz gezogen. Bleiben Sie dort? Zug soll ja auch ein sehr harmonisches Steuerklima haben. Wir fühlen uns grundsätzlich wohl im Ländle, sehen uns aber aktuell mit einer Herausforderung konfrontiert: Spanien stuft Vaduz immer noch als Steuerparadies ein, als Paraíso fiscal. Unsere Hotels können ihre Rechnungen als Gruppe nicht konsolidieren, weil das für Firmen mit Sitzen, die gemäss Spanien als Steuerparadies eingestuft werden, nicht möglich ist. Auch bei arbeitsrechtlichen Härtefällen liegt weniger drin. Das ist nicht EU-konform. Wir müssen warten, bis die spanischen Behörden endlich reagieren und Liechtenstein von der Liste streichen. Gilt die Schweiz in dieser Hinsicht auch als Paraíso fiscal? Nicht mehr. Also ab nach Zug? Wir prüfen die Situation aktuell. Eine Sitzverlegung über den Rhein hinüber in die Schweiz liegt wohl näher. Aber entschieden ist noch nichts. Jemand, der schon 500-mal auf Mallorca war, kann uns bestimmt helfen, ein paar Inselmythen zu klären. Bitte sehr. Das ekstatische Partyleben pausiert diesen Sommer wohl. Ist Malle auch ohne Ballermann Malle? Malle zum Glück nicht. Aber Mallorca sicher. Die Insel bietet viel mehr als diese Partyhochburg, die zudem eine so kleine Fläche einnimmt, dass ihre Bedeutung kolossal übertrieben wird. Eine Frechheit. Auch Mallorcas Regierung will sich definitiv von diesem Image lösen. Wer dreissig Jahre lang jeden Sommer ins gleiche Zimmer im gleichen Hotel auf Mallorca reist, ist ein Bünzli. Das kann man so sehen. Und ich würde es wohl persönlich auch nicht so machen. Aber ein solcher Gast ist auch jemand, der Qualität und Sicherheit wertschätzt. Was sehr gut in diese Zeit passt. Mallorca ist das 17. deutsche Bundesland. Das hört man immer wieder mal. Man hat es an Ostern gesehen, als Mallorca kurzzeitig geöffnet wurde. 40'000 Deutsche reisten sofort hin. Die Hotels mussten öffnen – und kurz darauf wieder schliessen. Schlimm. Welches ist der 27. Kanton der Schweiz? Mallorca oder Österreich? Es gibt keinen 27. Kanton. Schweizer reisen an alle Ecken und Enden der Welt. Mallorca ist Ihr Klumpenrisiko. Das stimmt schon. Bis auf ein Jahr hatten wir aber immer Glück damit. Wir haben früher mal ein Wintergeschäft mit eigenem Hotel im karibischen Antigua aufgebaut, es aber wieder bleiben lassen. Es war sehr aufwendig, auch bezüglich Qualitätskontrolle. Wir prüfen immer mal wieder ein Winterangebot, das müsste aber etwas wirklich Spezielles sein. Wer ist der König von Mallorca? Jürgen Drews? Gewisse Leute meinen das. Auch mein Vater wurde seinerzeit als Hotelkönig von Mallorca bezeichnet. Aber eigentlich gibt es nur einen König: den Kunden. Was ist schlimmer: Undertourism oder Overtourism? Beides ist schlimm. Ökologisch ist Overtourism schwieriger, ökonomisch ist es der Undertourism. Unter dem Strich ist der Undertourism für die Lebenswirklichkeit der Leute vor Ort wohl härter, weil sie so kein Einkommen mehr haben. Es braucht eine Balance. Wann kommt der Overtourism wieder? So schnell wird das sicher nicht gehen. Es dauert zwei Saisons und nicht nur eine? Auf jeden Fall. Es gibt ja nicht nur Mallorca. Es gibt ja auch die Maggia. Verändert Corona die Konsummuster komplett? Das glaube ich nicht. Die Menschen werden einen Teil aus der Pandemie mitnehmen. Kurze Shopping-Trips werden wohl wegfallen, aber wenn das Angebot für eine internationale Reise stimmt, werden sie es annehmen. Sie zählen 69 Jahre. Wie sieht die Nachfolgeplanung aus? Mein Sohn Yannik, vierzig, ist seit zehn Jahren in der Firma und leitet seit Anfang 2020 unsere Hotelgesellschaft auf Mallorca. Er wird das Unternehmen dereinst übernehmen. Yanniks Frau arbeitet übrigens auch in der Firma und leitet die Incoming-Agentur. Die innerfamiliäre Übernahme: mañana? Das ist noch nicht bestimmt.Philippe Erhart, der Mallorca-Macher Der heute 69-jährige Philippe Erhart liess sich am Heilpädagogischen Institut in Basel zum Schulischen Heilpädagogen ausbilden. Von 1988 bis 1995 arbeitete er als Heilpädagoge in Solothurn. 1995 stieg er bei Universal Reisen ein, seit 1998 ist Erhart CEO des Unternehmens. Was Sie bestimmt sagen können: Wo gibt es auf Mallorca eine richtig gute Paella? Natürlich im Universal-Hotel Romántica in Colonia de Sant Jordi. Wir denken eher an einen Ort, der noch nicht zu Ihrem Imperium gehört. Verstehe. An der Playa de Muro, im Norden der Insel, gibt es das famose «Can Gavella», wo man die Paella mit den Füssen im Sand geniessen kann. Hammer. Und ein Plätzchen für den Hammer-Sonnenuntergang, mit extra viel Romantik und etwas Farbigem im Glas? Etwas Schöneres als unsere Hotels gibt es fast nicht dafür. Wenn Sie das ausserhalb suchen, braucht das etwas Vorbereitung. Fahren Sie am Nachmittag der Westküste entlang der Serra de Tramuntana, suchen Sie ein Lokal aus – und reservieren Sie für Sonnenuntergang. Hammer? Hammer. Dieses Interview wurde das erste Mal am 30. Mai 2020 publiziert.

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Philippe Erhart: «Wir hoffen auf die Hälfte»