Im Machtkampf bei Volkswagen versuchen Aufsichtsratsmitglieder nach Angaben aus Arbeitnehmerkreisen, die Streitparteien an einen Tisch zu bringen. «Man versucht auf verschiedenen Ebenen ins Gespräch zu kommen», sagte eine mit den Beratungen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Eine Möglichkeit sei eine ausserordentliche Aufsichtsratssitzung.

Aufsichtsratschef Ferdinand Piech hatte den Machtkampf ausgelöst, indem er sich vom Magazin «Der Spiegel» mit den Worten zitieren liess, er sei auf Distanz zu Vorstandschef Martin Winterkorn gegangen. Über die Gründe für das Abrücken von seinem einstigen Ziehsohn wird seitdem spekuliert.

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Ein Treffen solle «so schnell wie möglich» stattfinden. Ob dies noch in dieser Woche gelinge, werde sich zeigen. Auch das «Handelsblatt» hatte zuvor über Bemühungen für eine ausserordentliche Aufsichtsratsitzung berichtet.

Seit einigen Tagen halten sich zudem Spekulationen über eine Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums. Diese einflussreiche Gremium bereitet Treffen des grösseren Kontrollrats vor. Planmässig tagt der Aufsichtsrat erst am 4. Mai, einen Tag vor der Hauptversammlung.

Im Aufsichtsrat isoliert

Der Volkswagen-Patriarch Piech scheint im Machtkampf um die Zukunft seines einstigen Zöglings im Aufsichtsrat isoliert. Am Sonntag ging ein wichtiger Vertreter des Hauptaktionärs, der Familie Piech-Porsche, auf Distanz zu Piech. «Die Aussage von Herrn Doktor Piech stellt seine Privatmeinung dar, welche mit der Familie inhaltlich und sachlich nicht abgestimmt ist», zitierte ein Sprecher Wolfgang Porsche. Er ist ein Cousin Piechs und zugleich Aufsichtsratschef der Porsche SE, die mit 51 Prozent die Mehrheit an Europas größtem Autohersteller hält.

Piech hatte sich im «Spiegel» mit dem Satz zitieren lassen: «Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.» Die Arbeitnehmerseite und das Land Niedersachsen, der zweitgrösste Eigner, stellten sich darauf demonstrativ hinter Winterkorn, der das Unternehmen mit 600'000 Beschäftigten seit 2007 führt. Er hatte sich Hoffnungen gemacht, nach seiner Zeit an der Konzern-Spitze Piech als Aufsichtsratschef zu beerben. «Winterkorn wird nicht aufgeben, er wird weitermachen», sagte ein Unternehmensinsider zu Reuters. «Winterkorn hat starke Verbündete - Niedersachsen und den Betriebsrat.» Winterkorns Vertrag läuft bis Ende 2016. «Piech will ihn killen, aber Winterkorn kämpft», zitierte die «Bild am Sonntag» einen Vertrauten des Konzernlenkers.

Winterkorns Truppen

Zusammen haben Land und Arbeitnehmer-Vertreter die Mehrheit im Aufsichtsrat - zwölf Stimmen. Die Familie Porsche-Piech verfügt über fünf Stimmen, drei davon besetzt die Piech-Seite. Hinter Winterkorn stellte sich bereits am Freitag der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh. Mit Winterkorn habe der Konzern «den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord». Wenn es nach dem Willen der Arbeitnehmer gehe, solle Winterkorns Vertrag über 2016 hinaus verlängert werden.

Niedersachsen stärkte Winterkorn ebenfalls den Rücken. Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) griff Piech direkt an: «Man sollte bitte nicht den erfolgreichen VW-Konzern durch solch öffentliche Einlassungen in eine schwierige Situation bringen», sagte er der «Bild am Sonntag». Er sehe der Ankündigung Piechs «auch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat sehr gelassen entgegen». Lies und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vertreten das Land im Aufsichtsrat des Konzerns, der mit Toyota um die Weltmarktspitze rangelt.

Was bezweckt Piech?

Dem «Spiegel»-Bericht zufolge wirft Piechs Bruder Hans Michel, der ebenfalls im VW-Aufsichtsrat sitzt, Winterkorn Versäumnisse vor. Zu Piechs Kritikpunkten zählt demnach, dass Winterkorn die Probleme im US-Geschäft bislang nicht in den Griff bekommen hat und die Hauptmarke VW bei der Ertragskraft schwächelt. Ebenfalls kritisch sehen manche, dass VW zwar seit vielen Jahren über den Einstieg ins Billigsegment diskutiert, bislang aber keine Entscheidung getroffen hat. Ein Insider bestätigte Reuters, dass es in der Vergangenheit gelegentlich kritische Bemerkungen in Richtung Winterkorn gegeben habe. «Diese könnte man im Rückblick als Entfremdung interpretieren.»

Spekulationen, er könne seine Ehefrau Ursula Piech zu seiner Nachfolgerin küren, erteilte Piech eine Absage. «Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen, und das sind keine Familienmitglieder, das ist auch nicht meine Frau», zitierte der «Spiegel» ihn. Ein Insider sagte Reuters, in der Vergangenheit habe es Hinweise gegeben, Piech wolle seine Frau als Nachfolgerin installieren: «Wenn er (Piech) klug ist, weiss er, dass er dafür keine Mehrheit im Aufsichtsrat bekommt.»

Nachfolger im Konzern

Piech machte im «Spiegel» erneut seine Ansicht klar, dass die Chefposten in Vorstand und Aufsichtsrat bei Volkswagen von Technikern besetzt werden müssten. Die Kandidaten dafür seien bereits im Unternehmen. Piech selbst will die Entscheidung, wer künftig an der Spitze des Vorstands und des Aufsichtsrats stehen soll, erst 2017 fällen - «kurz vor meinem Ausscheiden». Ein Insider sagte, Piech habe zuletzt vitaler gewirkt, Winterkorn dagegen müde: «Man merkt ihm an, dass das eine Riesen-Aufgabe ist, einen Konzern mit zwölf Marken zu führen und ständig um die Welt zu reisen. Ich glaube nicht, dass Piech etwas an der Leistung von Winterkorn auszusetzen hat. Das meiste davon hat er ohnehin mitentschieden.»

Verständnis für Piech äusserte der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. Dieser habe handeln müssen, weil Winterkorn die Probleme bei der Kernmarke VW nicht in den Griff bekommen habe. «Das Geld im Konzern wird mit Porsche, Audi, China und Skoda verdient. Aber die grösste Marke hat keinen Boden unter den Füssen.» Piech traue Winterkorn deshalb nicht zu, den Konzern in die Zukunft zu führen: «Er hat lange zugeschaut, aber jetzt hat er erkannt, dass er handeln muss. VW steht eben deutlich schlechter da, wie man das in Wolfsburg wahrhaben will.»

(reuters/ccr)