Public Eye übt zu «The Empty Cup» Kritik: «Die neue Nespresso-Kampagne ist sehr zynisch»

George Clooney sitzt an einem Tisch und schaut direkt in die Kamera. Sein Blick ist ernst. In der linken Hand hält er eine Kaffeetasse. Aber die Tasse ist leer. Der Kaffee fehlt. Es ist die jüngste Werbekampagne von Nespresso. Titel: «The Empty Cup». Zu Deutsch. «Die leere Tasse». Mit der Kampagne weist der Kaffeekapselgigant auf die Bedrohung der weltweiten Kaffeeproduktion durch den Klimawandel hin. Anlass ist der internationale Kaffeetag am 1. Oktober. Die leere Kaffeetasse steht symbolisch für die Klimaproblematik. «Die Fähigkeit der Bauerngemeinschaften, ihr Land vor Klimaveränderungen zu schützen und gleichzeitig die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen, ist entscheidend dafür, ob künftig hochwertiger Kaffee verfügbar sein wird», schreibt Nespresso in einer Medienmitteilung dazu. Das Unternehmen will die 140’000 Kaffeebäuerinnen und -bauern, mit denen es laut eigenen Angaben zusammenarbeitet, beim Aufbau einer regenerativen Landwirtschaft unterstützen. Clooney steht für Lifestyle – und Wohltätigkeit George Clooney ist DAS Gesicht von Nespresso. «The Empty Cup» ist bereits die 16. Werbekampagne mit dem charismatischen US-Schauspieler. Dieser verleiht dem Schweizer Kaffeekapsel-Unternehmen Eleganz und Coolness, aber auch ein Empfinden für Wohltätigkeit. Clooney ist ein Aktivist. Von 2008 bis 2014 war er UN-Botschafter des Friedens. Der überzeugte Kriegsgegner bezieht offen Stellung bei öffentlichen Auftritten und in seinen Filmrollen. Er engagiert sich für den Klimaschutz und setzt sich für die Förderung klimaverträglicher Technologien ein. «Die Bedrohung durch den Klimawandel ist real», sagte er jüngst im Zusammenhang mit der neuen Nespresso-Kampagne. Der Schauspieler und Produzent, unter anderem bekannt aus «From Dusk Till Dawn», «Ocean’s Eleven», «Up in the Air» und «Emergency Room», ist verheiratet mit der Menschenrechtsaktivistin Amal Clooney. Kritiker des Weltkonzerns sehen die Werbeaktion aber in einem anderen Licht. Die Kampagne sei sehr zynisch, sagt Silvie Lang. Sie ist bei der Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye für den Bereich Agrarrohstoffhandel zuständig. «Für die Kaffeebäuerinnen und -bauern ist die Tasse schon lange leer», so Lang. «Bloss Symptombekämpfung» Die Bauern seien schon lange grossen Missständen ausgesetzt. Weil der Preis des Rohstoffs zu tief sei, kämen die Produzierenden nicht auf existenzsichernde Einkommen. Das habe Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit zur Folge. Der Einsatz von Pestiziden und die Abholzung von Wäldern würde die Umwelt zusätzlich zu wasserintensivem Anbau belasten. Diese Missstände seien endemisch, sagt Lang. Die Ursachen der Probleme seien systemischer Natur. «Die Bemühungen, die Situation für die Bauerngemeinschaften zu verbessern, sind richtig und lobenswert. Sie sind aber oft bloss eine Symptombekämpfung. Eigentlich braucht es grundlegende Änderungen im Kaffeeanbau und -handel.» Diesbezüglich könnte Nespressos Mutterkonzern Nestlé eine Vorreiterrolle einnehmen, schliesslich verfüge der grösste Kaffeeverarbeiter der Welt über eine enorme Marktmacht. Anknüpfungspunkt könnte etwa das Anfang Jahr implementierte Einkommensförderprogramm von Nestlé im Kakaoanbau sein, mit dem die Bauerngemeinschaften unter anderem Schulgelder für die Kinder erhalten. «Einen solchen Plan gibt es in der Kaffeeproduktion noch nicht», so Lang, «das wäre aber ein wichtiger, erster Schritt.» Seit zwanzig Jahren Kooperation mit NGO Im Rahmen ihrer Kampagne weist Nespresso darauf hin, dass der Schutz von hochwertigem Kaffee seit zwanzig Jahren Teil der Firmenstrategie sei. Seit 2003 arbeite das Unternehmen mit der gemeinnützigen Organisation Rainforest Alliance zusammen. Mit einem gemeinsamen Programm sollen Ertrag und Qualität erhöht, die Umwelt geschützt und die Lebensgrundlage der Bauerngemeinschaften verbessert werden. Nespresso-CEO Guillaume Le Cunff wird für die Kampagne folgendermassen zitiert: «Ich bin stolz darauf, dass Nespresso bei der Umstellung auf eine regenerative Landwirtschaft Pionierarbeit leistet, aber wir müssen noch mehr tun. Wir rufen private und öffentliche Akteure dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, die einen spürbaren Unterschied machen.» Laut eigenen Angaben ist die Nestlé-Tochter seit diesem Jahr vollkommen klimaneutral. Die Nachhaltigkeit soll die gesamte Lieferkette und den Lebenszyklus sämtlicher Produkte umfassen. Zur CO₂-Kompensation werden unter anderem Bäume auf den Kaffeefarmen gepflanzt. Diesen Angaben widerspricht Silvie Lang von Public Eye mit einer Grundsatzkritik am Geschäftsmodell: «Kapselkaffee kann nicht nachhaltig sein. Die Kapseln sind eine ressourcenintensive Single-Use-Lösung.» Kritik an Alukapseln Umweltschutzorganisationen kritisieren Nespresso schon seit Jahren wegen des für die Kaffeekapseln eingesetzten Aluminiums. Jedes Jahr werden weltweit Milliarden von Alukapseln weggeschmissen. In der Schweiz werden sie seit 1991 gesammelt und aufbereitet. Viele verzichten aber auf das Recycling und werfen die gebrauchte Kapsel in den normalen Müll. In der Schweiz werden gemäss Swiss Recycling nur 58 Prozent der Alukapseln über Sammelstellen dem Recycling zugeführt. Weltweit dürfte die Quote massiv tiefer liegen. Die englische Tageszeitung «The Guardian» stellte vor zwei Jahren folgende Rechnung auf: «Bei einer vorsichtigen Schätzung von 14 Milliarden verkauften Kapseln pro Jahr und 0,9 Gramm Aluminium pro Kapsel bedeutet das, dass jährlich 12’600 Tonnen Nespresso-Aluminium auf der Mülldeponie landen – genug für 60 Freiheitsstatuen.» Nespresso wiederum betont, dass es auf rezykliertes Aluminium setze, was deutlich ressourcenschonender sei. Im Vergleich zur Neugewinnung würden 95 Prozent der Energie eingespart. «Nespresso-Kapseln sind keine riesigen Müllberge», heisst es im Eigenmarketing. «Alle Bestandteile der Kapsel sind wiederverwertbar – das Aluminium ebenso wie der Kaffeesatz.» So wirkt sich der Klimawandel auf den Kaffeeanbau aus Die zunehmenden volatilen Regen- und Trockenperioden – befördert durch den Klimawandel – erschweren den Kaffeeanbau auf der ganzen Welt. Expertinnen und Experten schätzen, dass derzeit 60 Prozent der Wildkaffee-Arten vom Aussterben bedroht sind und 50 Prozent der heute für den Kaffeeanbau genutzten Flächen bis 2050 unrentabel sein könnten. Als tropisches Gewächs ist der Kaffeebaum auf klimatisch stabile Bedingungen angewiesen. Steigende Temperaturen und ein übermässiger Anstieg der Niederschläge wirken sich negativ auf Ertrag und Aroma aus. Besonders die Arabica-Kaffeebäume reagieren empfindlich auf äussere Einflüsse. Was Wetterextreme für Auswirkungen haben können, zeigt ein Beispiel aus dem letzten Jahr: In Brasilien, dem grössten Kaffeeexporteur der Welt, führte eine grosse Dürreperiode in Kombination mit ungewöhnlich tiefen Sommertemperaturen zu einem starken Einbruch der Kaffeeernte. Die weltweiten Kaffeepreise stiegen in der Folge um über 80 Prozent. Die internationale Kaffeeorganisation ICO erwartet aufgrund der sich verändernden klimatischen Bedingungen mittelfristig einen signifikanten Anstieg der Kaffeepreise.

Public Eye übt zu «The Empty Cup» Kritik: «Die neue Nespresso-Kampagne ist sehr zynisch»

Public Eye kritisiert Nespresso-Kampagne