Rausch-Chefin: «Sehnsucht nach Pop-up-Stores in grossen Städten»

Was bedeutet für Sie echte Schönheit? Wenn man authentisch sein kann und sich wohlfühlt in seiner Haut. Und mit den Haaren? Natürlich. Kopf-Haut-Haar. Wer ist der typische Kunde, die typische Kundin von Rausch? Frauen und Männer, bei den Spezialprodukten mehr Frauen. Wir haben eher ein traditionsreiches Publikum. Also 50 plus. Wollen Sie das ändern? Wir schätzen unser Zielpublikum und wollen es auf keinen Fall verlieren. Wir möchten es aber ausdehnen. Für mein Jobinterview bei Rausch wurde ich damals gefragt, ob ich Rausch verwende. Ich antwortete: Nein – aber ich kannte es. Jeder in der Schweiz kennt Rausch. Aber ich fühlte mich nicht abgeholt, nicht angesprochen. Jetzt bin ich Fan! Das müssen Sie jetzt fast sagen. Ich habe ganz viele Sachen ausprobiert, immer wieder geswitcht. Jetzt fühle ich mich wohl mit der optimalen Haarpflege. Ich bin jetzt 45 Jahre alt – und genau solche Leute müssen wir ansprechen.Sandra Banholzer Alter: 45 Jahre Familie: verheiratet, zwei Kinder Ausbildung: Hochschule für Wirtschaft (HSW), Luzern, Betriebsökonomin FH mit Fachrichtung Marketing, Tourismusfachschule Sierre, VS, Tourismusfachfrau HF Karriere: 2003 bis 2007: Sales Manager, Luzi AG 2007 bis 2009: Sales Manager, Chocolat Frey 2009 bis 2010: Trade Manager M-Industry, Kanada 2011 bis 2014: Head Marketing & Sales Export, Chocolat Frey 2015 bis 2016: Key Account Manager, Mibelle 2017 bis 2019: Head of Sales, Mitglied der Geschäftsleitung, Midor 2019 bis 2020: Head of BU International, Migros Industrie Seit 2021: CEO, Rausch AG Einer 25-jährigen Studentin tut es aber weh, 16 Franken für ein Shampoo auszugeben. Wahrscheinlich, aber nicht unbedingt. Es ist erstaunlich, was junge Leute für «professional haircare» ausgeben, die ihnen der Coiffeur empfohlen hat. Da unsere Shampoos sehr ergiebig sind, zahlt man übrigens pro Haarwäsche nicht mehr. Eine Flasche reicht für bis zu 45 Mal Haare waschen. Letztlich zahlt man also weniger. Die jüngere Zielgruppe hat ein Verständnis für nachhaltige und qualitativ hochwertige Produkte. Rausch ist darum auch für jüngere Kundschaft interessant. Jetzt müssen wir dafür moderner auftreten und kommunizieren. Welches sind die drei Topseller-Produkte? Weidenrinden gegen juckende Kopfhaut, fettige Schuppen und als Läuseprävention, Huflattich gegen trockene Schuppen und Ginseng gegen Haarausfall. «Wir haben so viel zu erzählen!» Was verwenden Sie persönlich? Heute Morgen die Kamillen-Amaranth-Repair-Produkte, diese Linie verwende ich zurzeit sehr gerne. Sie ist gut für mein langes Haar mit trockenen Spitzen. Ausserdem mag ich den frischen Kräuterduft sehr. Sehen Sie Head & Shoulders, das Anti-Schuppen-Shampoo von Gigant Procter & Gamble, als Konkurrenz? Nur schon von der Rezeptur und der Wirksamkeit her ist es nicht vergleichbar. Wir legen viel Wert auf natürliche Inhaltsstoffe und einen hohen Anteil an Kräuterextrakten. Aber uns ist klar, dass der Konsument die Produkte selbstverständlich vergleicht, wenn er vor dem Regal steht. Ist ein Rausch-Shampoo nicht auch ein Statement im Badezimmer? Da sind wir beim Thema Look ’n’ Feel. Das müssen wir überarbeiten, aber das ist ein sehr grosses Projekt, das Zeit benötigt. Wir arbeiten derzeit intensiv an unserem Packaging. Im Rahmen des Projektes stellen wir uns auch die Frage, was unsere Kunden visuell anspricht, welche Farben, welche Formen ideal sind, und natürlich auch ganz einfach – was passt am besten in das Badezimmergestell unserer Kundschaft. In der «Bilanz» haben Sie vor einigen Wochen gesagt, man habe in gewissen Bereichen noch nicht den gewünschten «digitalen Fitnessgrad» erreicht. Was meinen Sie genau? Wir müssen einige Bereiche noch digitalisieren, wie zum Beispiel unseren Aussendienst. Auch müssen wir besser und zeitgemässer kommunizieren, wofür wir stehen, und den Content abbilden und publizieren. Wir müssen schauen, dass wir mit unseren Partnern besser zusammenarbeiten können, und Produkte genau platzieren, Banner aufschalten, bessere SEO machen. Wir haben so viel zu erzählen! Gibt es Überlegungen, eigene Läden zu eröffnen? Ja, gibt es. Wir hatten dieses Thema auch in einem Strategie-Workshop angesprochen und die Sehnsucht nach Pop-up-Stores geäussert in grossen Städten wie Wien, Berlin, Zürich, vielleicht auch in Schanghai oder Seoul. Wir haben dort bereits einen Coiffeur-Flagship-Store, wo unsere Produkte verwendet und dadurch sichtbar werden. Bei einem Flagship-Corner wäre auch eine Kooperation mit einem anderen Schweizer Brand möglich. Zusammenfassend: Das Produkt ist gut, aber es braucht mehr Storytelling. Genau, wir müssen einfach lauter Musik machen. Hat Rausch Sie dafür geholt? Sie sind die erste Chefin, die nicht aus der Familie kommt. Können Sie dadurch freier agieren? Es ist sicherlich eine spezielle Situation für die Mitarbeitenden, nach fünfzig Jahren Marco Baumann und vier Jahren Lucas Baumann plötzlich eine Person, die nicht aus der Familie stammt, als CEO zu haben. Deshalb ist es mir ein grosses Anliegen, mittendrin zu sein. Damit mich die Leute sehen, spüren und damit sie verstehen, wer ich bin und was ich erreichen möchte, welche Werte mir wichtig sind. Und damit ich gut kommunizieren kann, wo wir mit Rausch hin möchten. Ich kann sicherlich einige anstehende Themen neutraler und mit weniger Emotionen betrachten und angehen, weil ich eben von aussen komme. In der Mitteilung bei Ihrem Antritt im Frühjahr war zu lesen, dass man Sie auch geholt hat, um einen Neuanfang zu signalisieren. Ich glaube, Neuanfang ist das falsche Wort. Es ist eine Weiterentwicklung. Ich habe in Toronto gelebt und in ganz Nordamerika gearbeitet und bin mit dem internationalen Vertrieb und Marketing vertraut. Dort wollen wir auch den Pflock für Rausch einschlagen, uns international weiterentwickeln. Wir wollen mehr Menschen mit unseren Produkten glücklich machen und sind überzeugt, dass wir Potenzial haben, um international weiter zu expandieren. Darin besteht meine Expertise, und das war mitunter ein Grund für meine Wahl. Rausch wollte als Wunschkandidaten jemand aus einem Familien-KMU. Das trifft bei Ihnen nicht zu. Sie waren davor bei der Migros Industrie tätig. Warum fiel die Wahl auf Sie? Ursprünglich habe ich bei einem Familienunternehmen angefangen. Meine erste Stelle war bei der Luzi AG, einem Duftstoffhersteller aus Dietlikon. Dieser ist auch familiengeführt. Danach stiess ich zur Migros Industrie. Natürlich ist die Migros die grösste Arbeitgeberin der Schweiz. Aber sie ist auch ein Konglomerat aus KMU. Ich war bei Chocolat Frey, bei Mibelle, Midor. Das sind keine riesigen Unternehmen. Die Migros Industrie ist international sehr verwurzelt. Das war genau mein Job. Ich war für die Internationalisierung des Genusssegments, sei es Schoggi, Kaffee, Guetzli, zuständig. Das haben wir für andere Retailer produziert, meist unter ihrem Brand. Manchmal auch Marken wie beispielsweise Café Royal. Dann haben Sie in Dubai, China oder Amerika neue Abnehmer gesucht? Vor allem in Europa und Nordamerika, aber auch in Asien oder Australien. Die Migros Industrie hat international ein grosses Portfolio. Mein letzter Job war bei Delica, die aus der Fusion von Chocolat Frey, Midor und Delica entstanden ist. Ich habe die Business Unit international geführt und war auch für die ausländischen Tochtergesellschaften verantwortlich. Jetzt sind Sie bei Rausch in Kreuzlingen gelandet. Was ist der Unterschied? Die Fokussierung auf eine Kategorie. Das begrüsse ich sehr. Jetzt habe ich Haar und Körper und vorher hatte ich einen ziemlich breiten Laden. Trotzdem bewege ich mich in einem internationalen Umfeld. Wir haben drei Tochterfirmen in Deutschland, Österreich und Italien. Dazu haben wir Partner in Middle East und Asien. Meine Rolle begeistert mich, weil ich jetzt auch wieder die Produktion unter mir habe. Ich war mein Leben lang in Produktionsbetrieben. Es macht Spass, etwas in der Schweiz zu produzieren. Ein Familienunternehmer ist agiler, dafür muss ich hemdsärmeliger Dinge selbst anpacken.Das Familienunternehmen Rausch Rausch ist ein Schweizer Familienunternehmen und wurde 1890 gegründet. Heute beschäftigt das Unternehmen in Kreuzlingen rund 120 Angestellte, im Ausland weitere Dutzend und ist in mehr als 22 Ländern aktiv. Der 2016 zurückgetretene ehemalige CEO Marco Baumann und seine beiden Söhne Lucas und Tom Baumann halten die Mehrheit. Lucas Baumann war Chef von Rausch, bis er 2021 an Sandra Banholzer übergab. Tom Baumann vertritt die Familie im Verwaltungsrat. Was kann die Migros Industrie von Rausch lernen und umgekehrt? Ich konnte in der Migros Industrie viele Stationen durchlaufen, national und international. Die Migros ist professionell und menschlich. Strategien und Prozesse werden gemeinsam angegangen. Jetzt bei Rausch sind dafür die Entscheidungswege viel kürzer, wir haben keinen Konzern, an den wir noch rapportieren müssen. Wie viele Flaschen produziert Rausch pro Jahr? Wir stellen ein paar Millionen Flaschen pro Jahr her. «In der Schweiz sind wir im Fachhandel wie auch bei Coop die Nummer eins in der Kategorie Haarpflege. Wir wollen das auch ausserhalb der Schweiz schaffen.» Rausch ist bei Coop gelistet, richtig? Ja. Aber nicht bei der Migros. Nein. Ich habe aber auch schon Rausch-Produkte in der Migros gesehen. Unsere Partner sind Coop und der Fachhandel, also Apotheken und Drogerien. Damit sind wir gross geworden. Manchmal muss man sich entscheiden, mit welchem Partner man sein möchte. Wir haben nichts gegen die Migros, ich bin, wie sie wissen, ein Migros-Kind. Aber wir verkaufen nicht aktiv an die Migros, halten keine Geschäftsbeziehung. Sie will aber unsere Produkte trotzdem und kauft sie im Ausland durch Parallelimport ein. Wenn Sie direkt an die Migros verkaufen, befürchten Sie, dass Sie die Fachhändler verlieren. Ja, weil die Drogerien und Apotheken dann befürchten, dass die Migros die Preise senkt. Coop arbeitet schon länger mit Marken zusammen und weist ein anderes Preisniveau auf. Im Gegensatz zu den Warenhäusern können sich die Fachhändler durch ein vertieftes Produktwissen und persönliche Beratung abheben. Wir müssen nicht flächendeckend überall vertreten sein. Strebt Rausch ein Wachstum im internationalen Umfeld an, weil Sie hierzulande nicht mehr wachsen können? In der Schweiz haben wir eine hohe Bekanntheit und sind im Fachhandel wie auch bei Coop die Nummer eins in der Kategorie Haarpflege. Wir wollen das auch ausserhalb der Schweiz schaffen. Rausch ist in Kreuzlingen, welches an Konstanz grenzt. Bei DM kostet ein gutes Pflegeshampoo einen Bruchteil von einem Rausch-Shampoo ... Jeder Konsument, jede Konsumentin hat selber die Wahl, welches Produkt er oder sie kaufen möchte. Mit einem Rausch-Shampoo bekommt man eine sehr hohe Qualität und wirksame Produkte. Das schätzen unsere Kundinnen und Kunden seit Jahren. Dafür legen Sie die Hand ins Feuer … Wir achten darauf, dass unsere Produkte in Deutschland und Italien gleich teuer sind, ja. Es ist überall das gleiche Preisniveau in den Apotheken. Manchmal gibt es Promotionen oder Aktionen, aber wir sind sehr bestrebt, für Preishygiene zu sorgen. Kartellrechtlich ist es untersagt, Verkaufspreise den Händlern vorzuschreiben. Wir dürfen nur unverbindliche Preisangaben machen und wir verkaufen nicht günstiger ins Ausland. In Deutschland kann man ab Januar rezeptpflichtige Medikamente online bestellen. Sind Apotheken ein Auslaufmodell? Apotheken zeichnen sich durch ihr Qualitätsmerkmal aus. Unsere Produkte helfen bei verschiedensten Haar- und Kopfhautproblemen und sind viel mehr als nur Pflegeprodukte. Sei es für Schuppen, für trockene Haare, für juckende Kopfhaut, Prävention gegen Läuse, graue Haare, Haarausfall. Wir bieten teilweise ein komplexes Sortiment und dafür braucht es eine kompetente Beratung. Durch die Ausbildung in den Apotheken sind die Kunden gut beraten, erfahren etwas über unsere Produkte. Sie wissen haargenau, wo sie ansetzen müssen. Was betonen Sie dabei besonders? Die 130-jährige Kräuterkompetenz. Die naturnahen Produkte. Die hervorragende Wirksamkeit, die unbestritten ist. Wir haben nicht nur Wohlfühlprodukte, sondern wir packen Haarprobleme an der Wurzel an. Jeder weiss, eine gesunde Kopfhaut gibt schönes Haar. Das klingt mehr nach Nostalgie als nach einem echten Verkaufsargument. Wir zeichnen uns auch durch eine sehr gute Verträglichkeit aus. Wir hatten in den letzten vierzig Jahren keinen einzigen Warenrückzug. Alle unsere Produkte werden in unabhängigen Studien auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit hin geprüft. Ausserdem benutzen wir so viel Natur wie möglich in unseren Produkten. Natur ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr von Rausch. Damit werben mittlerweile viele andere. Wir heben uns von der Konkurrenz ab, weil wir alle unsere Produkte in der Schweiz entwickeln und produzieren. Wir stellen die Extrakte selber her. Das machen nur wenige. In gewissen Produkten kombinieren wir bis zu zehn Extrakte. Wir stellen sogar gewisse Kräuter in unserem Kräutergarten selbst her. Spitzwegerich oder Hauswurz wird hier von unserem Hausgärtner angepflanzt und von Hand gepflückt. Wie wollen Sie das machen? Nicht ganz so amerikanisch, wie ich es in meiner Karriere auch schon gesehen habe. Aber ein Pinselstrich davon täte uns ganz gut. Wir arbeiten dafür auch mit Influencern zusammen, zum Beispiel in Südkorea oder in unseren Märkten Deutschland, Österreich und natürlich auch der Schweiz. Also steht Ihnen die Schweizer Bescheidenheit in puncto internationaler Bekanntheit im Weg. Wir haben einen neuen Auftritt, den Lucas Baumann vor zwei Jahren angestossen hat. Diesen haben wir noch nicht auf das Produkt gebracht. Wir wollen den Auftritt unserer Produkte modernisieren, das Look ’n’ Feel anpassen und klarmachen, wofür wir stehen, und das auch auf der Flasche ersichtlich machen. So verwenden wir seit eh und je keine Silikone. Auch das ist wichtig. Das ist sowieso ein Spagat, den wir machen. Je nach Vertriebskanal passt eine andere Botschaft zum Produkt, wenn der Konsument vor dem Regal steht. «Ich weiss, wie man laut wird. Schliesslich spiele ich Dudelsack.» Aber Ihre Produkte sind nicht mal bio ... Nein, unsere Produkte sind nicht biozertifiziert. Uns geht es auch nicht um ein Label, sondern darum, dass wir unsere Rezepturen laufend neuen Bedürfnissen und den regulatorischen Vorgaben anpassen können. In Bezug auf Bio haben wir entschieden, dass wir zukünftig überall, wo verfügbar und sinnvoll, Bio-Kräuter verwenden werden. Steht diese Neuerung dann auch fettgedruckt auf der Flasche? Das wissen wir noch nicht. Es ist eine grosse Herausforderung, alle Angaben auf das Produkt zu packen. Wir haben so viele gute Argumente und auch Claims, die Etikette ist einfach nicht gross genug. Wir verwenden jetzt 100 Prozent recyceltes PET für unsere Shampooflaschen. Das steht aber hinten drauf, sodass es die wenigsten sehen. Dafür stehen auf Ihren Flaschen grossgeschrieben: «Für geschädigtes Haar», «gegen Schuppen», «gegen graue Haare». Das löst bei mir nicht gerade Kauflust aus. Unsere Produkte sind tatsächlich wirksam gegen diese Probleme. Nachweislich. Aber es ist uns bewusst, dass verschiedene Zielgruppen auch unterschiedlich angesprochen werden müssen. Daran arbeiten wir auch im Zuge der Modernisierung der Verpackungen. Wir sind ein typischer tüchtiger Betrieb, eine solide Schweizer Marke – das dürfen wir mit erhobener Brust erzählen, wie gut wir sind, die Musik lauter spielen lassen. Und Sie sind die Dirigentin. Das ist so. Ich weiss, wie man laut wird. Schliesslich spiele ich Dudelsack. Ihr Ernst? Doch klar. Im Moment habe ich eine Durststrecke mit Kindern und Job, bin aber noch immer aktiv in einem Dudelsack-Verein tätig. Wie sind Sie auf dieses besondere Hobby gekommen? Der angelsächsische Einfluss aus Ihrer Auslandtätigkeit? Ich wollte etwas Spezielles machen und es kam mir in Kanada entgegen, da es eine grosse, schottische Gemeinde hatte. In Ihrem Linkedin-Profil haben Sie zweimal «maternity leave», Kinder-Auszeit, aufgeführt. Weshalb? Ich habe jeweils ein ganzes Jahr Pause gemacht. Warum sollte ich das nicht transparent machen? Man sieht ja die Lücke. Mein CV wäre unvollständig. Ich habe zwei Mädchen und zweimal jeweils ein Jahr Pause gemacht, bevor ich wieder zurück in den Job ging. Wer hat danach die Kinder betreut? Die Mädchen sind inzwischen fünf und sieben Jahre alt. Unsere Familie hat in diesem Sinne die umgekehrte Rollenverteilung. Mein Mann war die letzten vier Jahre lang zu Hause als Hausmann. Zu 100 Prozent? Ja, auch wir leben das traditionelle Familienbild – einfach umgekehrt. Jetzt arbeitet mein Mann wieder. Wir waren schon immer sehr gleichberechtigt, mein Mann und ich. Wir haben uns entschieden, eine Familie zu gründen, aber haben uns damit auch entschieden, dass jemand von uns daheimbleibt. Wir wussten einfach noch nicht wer. Beim ersten Kind blieb ich zu Hause. Dann, nach einem Jahr, kam mein Mann und wollte auch mehr Zeit mit unserer Tochter verbringen. Dann haben wir es total umgekehrt. Nicht nur Teilzeit, sondern beide 100. Er 100 Prozent zu Hause, ich 100 Prozent bei der Arbeit. Dann kam das zweite Kind, das lag dann wieder bei mir. Dann haben wir wieder gekehrt. Und jetzt wieder zurück. Das ist unser Modell und funktioniert für uns sehr gut. Eine Wunschvorstellung? Jede Familie muss das selbst für sich entscheiden. Wir haben beide kein Egoproblem. Ich wurde aber ein paarmal schräg angeschaut, als ich gesagt habe, ich habe zwei Kinder und arbeite 100 Prozent. Ich wurde rasch als Rabenmutter abgestempelt. Seltsamerweise hat dann aber auch niemand gefragt, ob mein Mann dafür zu Hause bleibt. Sind wir in der Schweiz noch nicht weit genug für diese Modelle? Grundsätzlich sollte jeder die Freiheit haben, das Modell zu leben, wies für ihn passt. Ich kenne Beispiel von Doppelspitzen, von anderen Familienmodellen, von flexiblen Arbeitszeiten. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das gilt auch beim Job. Ich kann nur für etwas arbeiten, wo ich mit Haut und Haaren dabei bin.