Rheinmetall, Raytheon & Co.: Die Profiteure des Ukraine-Kriegs

Die Waffenschmieden haben in den letzten Jahren unter Budgetkürzungen der Regierungen gelitten, zudem wurden sie von den Investoren links liegen gelassen. Mit dem Angriff auf die Ukraine findet ein Umdenken statt. Viele Waffenfirmen sind im Aufwind. Rheinmetall, Deutschland: Der grösste Rüstungskonzern Europas ist stark gefordert. Rheinmetall profitiert von den angekündigten Rüstungsanstrengungen Deutschlands (100 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr für die Bundeswehr) und von Lieferungen in die Ukraine. Rheinmetall-CEO Armin Papperger erklärte gestern, er könne den ukrainischen Streitkräften innert weniger Wochen fünfzig Leopard-1-Panzer liefern. Die Firma aus Düsseldorf hat Waffensysteme, Cyberabwehrsysteme, Kettenpanzer, Radpanzer und Logistiksysteme im Wert von 43 Milliarden Euro im Lager. In der Schweiz werden Flugabwehrsysteme hergestellt. Rheinmetall-Schweiz-Chef Oliver Dürr hat seine Mitarbeitenden dazu angehalten, endlich schneller zu produzieren. Der Rheinmetall-Aktienkurs hat sich seit dem Angriff der Russen auf 207 Euro verdoppelt. Er dürfte weiter steigen, wenn die Bundesregierung grünes Licht für die Panzerlieferung in die Ukraine gibt. Kale-Baykar, Türkei: Zwar nicht börsenkotiert, aber gut für ehrgeizige europäische und amerikanische Nachahmer in der Branche: Das privatwirtschaftliche Joint Venture zwischen dem Keramikhersteller Kale und der Tech-Firma Baykar aus der Türkei produziert die Drohne Bayraktar TB2 («Fahnenträger»). In der Vergangenheit genoss die Firma Baykar gemäss Bloomberg den Support von Präsident Recep Erdogan, dessen Schwiegersohn Selçuk Bayraktar Chief Tech Officer von Baykar ist. Die Drohne wird in der Ukraine gegen russische Artilleriekolonnen eingesetzt; ihre lasergelenkten Lenkwaffen sollen Dutzende russische Panzer zerstört haben. Das türkische Produkt gilt als Billigdrohne (Kosten: 1,5 Millionen Franken) und dürfte mit seinem Einsatz in der Ukraine für Aufmerksamkeit sorgen. Airbus, Frankreich/Deutschland/Spanien/England: Der Flugzeugbauer aus Europa hat eine Defense Division. Diese ist nur am Rand in den Krieg involviert. Tankflugzeuge sind fast jede Nacht über Polen oder Bulgarien im Einsatz, dazu Transportflieger vom Typ A400M. Hingegen könnte die Produktion von zivilen Airbus-Fliegern unter dem Krieg leiden. Airbus bezieht das Leichtmetall Titan aus Russland, das zentral für die Flugzeugproduktion ist – unter anderem für die Triebwerksaufhängung. Der Aktienkurs von Airbus hat deshalb gelitten und ist seit Kriegsbeginn von 109 auf 103 Euro gesunken. Northrop Grumman, USA: Die Firma produziert die Drohne RQ-4 Global Hawk. Sie wird eingesetzt, um die Kommunikation der russischen Armee auszuhorchen. Täglich starten mit Sensoren verbaute Black Hawks auf Sizilien und fliegen übers Schwarze Meer und an der Westgrenze der Ukraine entlang. Die Drohne gilt als Highend-Produkt und kostet 200 Millionen Franken je Stück. Der Aktienkurs von Northrop Grumman hat seit Kriegsausbruch um 25 Prozent zugelegt – auf 462 Dollar. Thales, Frankreich: Die Thales Group verkauft Überwachungssysteme, Kommunikationssysteme, Drohnen und leicht zu bedienende Flugabwehrraketensysteme. Die von Thales produzierten und von Grossbritannien gelieferten Starstreak-Flugabwehrraketen werden derzeit von den Ukrainern gegen tief fliegende russische Helikopter und Kampfjets eingesetzt. Angeblich sollen die Briten bereits 4000 Starstreaks geliefert haben. Der Aktienkurs der in Paris domizilierten Firmengruppe hat seit Kriegsbeginn um einen Drittel zugelegt. Raytheon, USA: Raketenabwehrsysteme wie Patriot, Radarsysteme oder Triebwerke für Kampfjets – 147’000 Mitarbeitende von Raytheon Technologies entwickeln alles aus einer Hand für die Luftfahrt und Rüstungsindustrie. Aus den Spannungen in Osteuropa und im südchinesischen Meer kann Raytheon derzeit einen Nutzen ziehen und vermehrt Waffen dorthin liefern. Mit einem Jahresumsatz von 64 Milliarden Dollar profitiert der Konzern aktuell auch vom US-Regierungsauftrag, eine Hyperschallwaffe zu entwickeln. Als Antwort auf Russlands Hyperschallwaffe Kinschal, die laut Moskau am 18. März ein unterirdisches Munitionslager in der Ukraine zerstörte. Die Raytheon-Aktie hat seit Dezember um einen Drittel zugelegt. Lockheed Martin, USA: Die Herstellung der Antipanzerwaffe Javelin erfolgt durch das Javelin-Joint-Venture, das 1988 durch Texas Instruments und Martin Marietta gegründet wurde. Mittlerweile ist die Rüstungssparte von Texas Instruments in Raytheon aufgegangen, und Martin Marietta wurde im Rahmen einer Fusion mit der Lockheed Corporation zu Lockheed Martin. Die Waffen werden derzeit von Soldaten in der Ukraine eingesetzt. Darüber hinaus hat die Slowakei mit der Stationierung von einem Patriot-Raketenabwehrsystem von Lockheed begonnen. Die deutsche Bundesregierung will bis zu 35 F-35 Tarnkappenjets von Lockheed ordern. Auch die Schweiz kauft F-35-Jets für rund 6 Milliarden Franken. Volle Auftragsbücher sind Balsam für die Aktionäre und Aktionärinnen: Das Papier hat um etwa einen Drittel zugelegt. Leonardo, Italien: Der italienische Rüstungskonzern Leonardo stellt Militärflugzeuge und -hubschrauber für Land- und Wassereinsätze, Angriffs- und Spezialoperationen her. Der Konzern beschäftigt 50’000 Mitarbeitende, davon die Mehrheit in Italien. Leonardo richtet seine Verkaufsstrategie auf künftige Brandherde in der Welt bis 2026 aus. Wobei der Konzern von folgenden Zunahmen der Rüstungsbudgets ausgeht: Südamerika plus 6 Prozent, Afrika plus 5 Prozent, Asien plus 4 Prozent. Auch für Europa verzeichnet Leonardo ein Plus: Seit Kriegsausbruch in der Ukraine ist die Aktie auf einem Höhenflug und hat um fast 40 Prozent zugelegt. General Dynamics, USA: Der US-Rüstungsriese General Dynamics stellt unter anderem Kampfpanzer her. Die zwei bekanntesten Modelle sind der M1 Abrams und das Modell Stryker. Polen erklärte sich allenfalls bereit, Panzer in die Ukraine zu liefern. Und will dafür von den USA neue M1 Abrams kaufen. Aus Sicht von General Dynamics ein Geldregen: Es geht um einen Auftragswert aus Polen von 4,8 Milliarden Dollar. Auch in Deutschland ist der M1 ein beliebtes Modell. Mehr Aufträge für GD bedeutet auch mehr Aufträge für Rheinmetall: Die Deutschen liefern das Panzerrohr für den M1 Abrams. Und sogar die Schweiz profitiert: Die schweizerische Mowag, die zu General Dynamics European Land Systems gehört, fertigt Panzerkomponenten. Der Aktiengewinn bleibt bei General Dynamics und dessen Aktionären: deutlich mehr als 20 Prozent plus.