Hier habe ich während meiner Studienzeit als Etagenkellner gearbeitet», sagt Roberto De Nando zur grossen Überraschung und lässt sich in einen der Polstersessel im Hotel «Ascot» in Zürich-Enge fallen. Die Möblierung erinnert eher an englische Herrenclubs. «Diese Zeit war für mich eine Lebensschule. Ich musste lernen, mit verschiedenen Kunden umzugehen, angenehmen und weniger angenehmen.»

Daran hat sich bis heute nichts geändert. «Meine Erfahrungen helfen mir, auch als CEO ein offenes Ohr für die Anliegen der Kunden und deren Bedürfnisse zu haben.» «Ich weiss, womit sich unser Customer-Care-Center tagtäglich beschäftigt.» Dieses Know-how hat er sich nicht nur als Etagenkellner, sondern auch damals angeeignet, als er bei American Express arbeitete, ebenfalls als Werkstudent wie im «Ascot».

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Zuerst wurde er nicht sofort an die Front geschickt. «Ich habe im Keller die so genannten Ritsch-Ratsch-Maschinen, auch als Imprinter bekannt, verpackt und an unsere Händler geschickt.» Aber schon bald avancierte De Nando in die Abteilung Inkasso-Service, wo er als Sachbearbeiter einen direkten Draht zu den Kunden hatte. «Was ich dort gelernt habe, trägt heute noch dazu bei, dass ich verstehe, was ein guter Service ist.»

Klar habe es Kunden gegeben, die fadenscheinige Ausflüchte suchten, um ihm plausibel zu machen, wieso sie ihren Kredit überzogen. So erinnert er sich an eine Kundin, die in die USA reiste und behauptete, sie sei in eine Gegend gekommen, wo es entgegen allen meteorologischen Voraussetzungen aus heiterem Himmel plötzlich «wahnsinnig geschneit» habe. «Sie wollte mir weismachen, dass sie eine komplette neue Garderobe kaufen musste und daher in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei.» Eine Nachfrage vor Ort ergab, dass die Wetterfrösche mit ihrer Schönwetterprognose für diese Region richtig lagen. «Im Customer Service bekommt man so etwas wie einen sechsten Sinn», meint De Nando rückblickend.

Für die akademische Laufbahn nicht geschaffen

Dieser sechste Sinn scheint ihm auch während seiner Tätigkeit bei der Telekurs-Gruppe nicht abhanden gekommen zu sein, wo er es zunächst als Leiter Risk Management bis zum Leiter Business Management Card Services gebracht hat. Nach elf Jahren wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit und war als Berater für verschiedene Unternehmen im In- und Ausland auf dem Gebiet des Plastikkarten-Geschäfts tätig. Es begann eine Zeit, in der er oft für Banken, Kartenorganisationen und Processing-Firmen unterwegs war. Seine Firma hatte den doppelsinnigen Namen «Der Consulter». Seine Erklärung, dass dies für der Consulter stehe, zeugt von seinem gesunden Selbstbewusstsein.

De Nando hat schon früh gelernt, sich durchzusetzen. Seine Eltern stammen aus Italien. Sein Vater war Polier, seine Mutter Schneiderin. De Nando ist ein typischer Vertreter jener Secondos, die es weit gebracht haben, ohne dass ihnen jemand die Steigbügel gehalten hat. Die Arbeit als Etagenkellner oder als Inkasso-Mitarbeiter bei American Express möchte er auf keinen Fall missen. «Ich würde wieder den genau gleichen Weg einschlagen.» Mit einer Ausnahme. Angefangen hat er an der Uni Zürich als Student, der sich der Romanistik und der Germanistik hingeben wollte. Auch während dieser Zeit blieb er nicht untätig, was Nebenerwerbe angeht. De Nando schrieb Hörspiele, Kurzstorys und Novellen. «Aber im Laufe der Zeit schreckte mich die Vorstellung zunehmend ab, dass ich irgendwann am Pult stehen und über Schiller, Goethe, Dürrenmatt und Frisch dozieren würde.»

De Nando sattelte auf die Juristerei um. Einer seiner Lieblingsprofessoren war Peter Forstmoser. «Er imponierte mir vor allem auch deshalb, weil er nicht nur Trockenfutter servierte, sondern gleichzeitig in der Praxis tätig war und wusste, aus welchem Stoff Juristen gemacht sein sollen, die sich in der Wirtschaft bewähren müssen.» Damit spricht er an, was Forstmoser schon vor und während seiner Studienzeit immer wieder gesagt habe: «Er sagte, Wirtschaft habe immer auch juristische Aspekte, und die Arbeit der Rechtsanwälte habe immer auch einen Bezug zur Wirtschaft. Und dies vor 20 Jahren. Damals war diese Erkenntnis in der Juristengemeinde gelinde gesagt noch nicht stark verankert.»

Dass De Nando CEO der Viseca geworden ist, hat mit seinen Mandaten im Card Payment Business zu tun, wie er erzählt. Eine seiner Auftraggeberinnen war die Viseca; ein Gemeinschaftsunternehmen der Kantonal-, Regional- und Raiffeisenbanken, der Migrosbank, der Bank Coop sowie verschiedener Privat- und Handelsbanken.

Was an De Nando besonders auffällt: Er wirkt auch nach einem langen Arbeitstag, als ob er gerade aus den Ferien komme. «Ich habe in all den Jahren gelernt, mich zwar zu engagieren, aber nicht alles persönlich zu nehmen. Klar heisst es, ich fordere sehr viel, aber ich fordere von meinen Mitarbeitenden genau gleich viel wie von mir, sonst leidet die Glaubwürdigkeit. Sie ist für mich ein sehr hohes Gut.»

Dinosaurier in der Branche

Dass er nach einer Zeit der Selbstständigkeit wieder an die Front ging, stuft er heute als grosses Plus seiner neuen Tätigkeit ein. «Wenn man als selbständig Erwerbender tätig ist, gewinnt man Abstand, sieht über den Tellerrand hinaus und urteilt anders.» De Nando hat die neue Aufgabe nicht gesucht. Die Anfrage betreffend die etwaige CEO-Nachfolge kam eher unerwartet. «Ich bat um Bedenkzeit und wollte dies mit meiner Familie besprechen. Nach einer Woche habe ich eingewilligt, am Auswahlverfahren teilzunehmen.» Seine langjährige Karriere im Card-Payment-Business hat ihm geholfen, diesen Posten zu bekommen. «Ich bin quasi ein Dinosaurier in der Branche», sagt er selbstironisch. De Nando ist schlank und rank, agil und sportlich...

Am liebsten spricht er über seinen neuen Job. Mit über 900000 Kreditkartenkundinnen und -kunden und einem Marktanteil von 27% ist die Viseca nach der UBS die zweitgrösste Kreditkartenherausgeberin der Schweiz. De Nando hat fast 190 Mitarbeitende. «55% davon sind Frauen», sagt er mit sichtlichem Stolz. Er ist fest davon überzeugt, dass «Plastikgeld» in der Schweiz noch viel Marktpotenzial hat. «In anderen Ländern, nehmen wir Frankreich, England, nicht zu reden von den USA, werden selbst kleinste Beträge wie etwa eine Tasse Kaffee mit der Kreditkarte bezahlt. Hier zu Lande ist diesbezüglich immer noch eine gewisse Zurückhaltung zu beobachten. Völlig zu Unrecht», findet er. Aber das werde sich ändern. Wenn es etwas gibt, das sich De Nando auf die Fahne geschrieben hat, ist es die Erhöhung des Marktanteils der Viseca und die Steigerung des Karteneinsatzes. «Es gilt, unseren Kundinnen und Kunden klar zu machen, wie bequem diese Zahlungsmethode im Alltag ist ob für 10, 100 oder 1000 Fr. Die Schaffung von echtem Kundennutzen über unsere Dienstleistungen sowie ein Top-Service unseres Customer-Care-Centers sind dafür entscheidende Voraussetzungen.»

Beim Abschied zahlt er den Kaffee aber dann doch nicht mit der Plastikkarte. Möglicherweise nur, weil der Kellner das nicht goutiert. Dann die Überraschung: Dem ehemaligen Etagenkellner wird der Kaffee vom Haus offeriert.

Profil: Steckbrief

Name: Roberto De Nando

Funktion: CEO der Viseca Card Services SA

Alter: 43

Wohnort: Neerach

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Karriere:

1988-1999 Telekurs-Gruppe in verschiedenen Funktionen und Mitglied der Direktion;

1999-2003 «Der Consulter», Beratungsfirma auf dem Gebiet des Card Payment Business.

Firma:

Viseca Card Services SA in Glattbrugg fakturierte 2003 rund 4,1 Mrd Fr. Sie beschäftigt heute rund 190 Mitarbeitende und ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Kantonal-, Regional- und Raiffeisenbanken sowie der Migrosbank, der Bank Coop und verschiedener Privat- und Handelsbanken. Über ein breites Netzwerk erreicht die Kreditkarten-Vermarkterin Viseca nach eigenen Aussagen 60% aller Bankschalter. Auf Produktebene setzt das Unternehmen auf weltweite Marken wie Visa und MasterCard.