Sat1-Geschäftsführer Roger Schawinski zieht die Notbremse. Die erfolglose Late-Night-Show von Anke Engelke wird eingestellt, verkündete der Schweizer Medienmacher letzten Montagabend intern. Und tauchte danach unter. Für Schawinski droht der TV-Herbst in Deutschland zum Fiasko zu werden. Die Sende-Flops der letzten Wochen und das Ende von Anke Late Night kratzen massiv am Image des neuen Chefs. Und verunsichern die Werbekunden. Aber auch eine weitere Chance könnte dem glücklosen Chef nach nicht einmal einem Jahr an der Spitze des zweitgrössten deutschen TV-Kanals durch die Lappen gehen.

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Kein eigenes Profil

Schawinski ist es bislang nicht gelungen, dem Sender-Konzern Prosieben-Sat1 sein eigenes Profil aufzusetzen. Dabei war er im Dezember letzten Jahres mit grossen Ambitionen und jeder Menge Vertrauen des Prosieben-Sat1-Besitzers Haim Saban an den Start gegangen. Der kalifornische Medienmilliardär versprühte Aufbruchstimmung im Werbemarkt, nachdem die Pleite des bisherigen Eigentümers Kirch Media überwunden war.

Und Fernsehprofi Schawinski versprach neue Formate und neue Quotenerfolge. Mit Anke Engelke etwa, die das Erbe von Harald Schmidt antreten sollte, nachdem Deutschlands bester Late-Night-Talker unmittelbar nach Schawinskis Antritt seine Show hingeschmissen hatte. Der Fehler von Roger Schawinski in der Ende 2003 aufwallenden Euphorie des Neustarts war, sich voll und ganz auf das Format «Late-Night-Show» zu stützen. Mit Anke Engelke, unbestritten Deutschlands bester Comedy-Star, aber eben kein durchaus tiefgründiger Allround-Quassler wie Harald Schmidt, wollte Schawinski dem Sender seinen Stempel aufdrücken.

Doch die Rechnung ging auch nach Sommerpause und Studioumbau nicht auf. Der Marktanteil dümpelte mal bei 8% und zuletzt bei 5,6% herum und lag immer weit entfernt von Schmidt-Rekorden, die bei 2,5 Mio Zuschauern und zielgruppenrelevanten Marktanteilen von über 20% lagen. Unlängst hatte senderintern der seit letztem März agierende Vorstandsvorsitzende von Prosieben-Sat1 und Rohner-Nachfolge, Guillaume de Posch, die Show erstmals zur Disposition gestellt, sollte im Herbst nicht die Quote von 12% erreicht werden.

Mitarbeiter des Sat1-Mannes bestätigen, dass ihr Chef derzeit ausserhalb der «europäischen Zeitzone» weilt und für die nächste Zeit nicht ansprechbar sei. Man vermutet ihn in Kalifornien bei Konzernchef Saban. Dort dürften beide gespannt auf die Brutto-Werbeumsätze der Sendergruppe (Sat1, Prosieben, Kabel1, N24) für September warten. Zwar lag der Konzern im August mit 41,4% Anteil am Bruttowerbemarkt vor RTL (34,9%), RTL2 (7,1%), ARD (3,4%) und ZDF (2,0%), doch konnte der Vorsprung im August nur um magere 0,2% im Vergleich zum Vorjahr ausgebaut werden, während der grösste Mitbewerber RTL Group seit Monaten mit zweistelligen Minusraten deutlich hinterherläuft.

Werbeindustrie könnte sich wieder abwenden

Da im September gleich zwei als Mega-Formate angekündigte Sendungen auf Prosieben-Sat1, «Hire and Fire» mit Big-Brother-Macher John de Mol und die Beziehungsshow «Kämpf um deine Frau», beim Publikum ebenfalls durchfielen, befürchten die Senderverantwortlichen, dass sich die Werbeindustrie wieder vom Sender abwenden könnte. «Nach drei Jahren Rezession im TV-Werbemarkt hatten wir in diesem Jahr endlich die Trendwende geschafft», sagt Andreas Kühner, Sprecher des Sendervermarkters Sevenone Media. «Aber wir können schnell reagieren und befürchten keine Auswirkungen auf das Werbegeschäft», sagt der TV-Vermarkter.

Blitzschnell hatte der Sender schon bei «Hire and Fire» reagiert und die Sendung nur einen Tag nach der enttäuschenden Erstaustrahlung wieder gekippt. Für diesen Flop ist laut Vorstandschef de Posch Saban selbst verantwortlich, der den eigentlichen Hintergrund-Akteur John de Mol gedrängt haben soll, doch einmal selber vor der Kamera zu stehen.

Der Quotenreinfall mit «Kämpf um deine Frau» trifft Roger Schawinski direkt, da sich der 59-Jährige speziell dieses Sendeformat, neben Anke Engelke, auf seine Fahne geschrieben hatte. «Damit wollte er sich unbedingt profilieren und hat sein ganzes Wohl und Wehe daran gehängt», meint ein Insider. Zwar liefe das Vorabendprogramm auf beiden Sendern mit neuen Reality- und Gerichtsshows inzwischen ganz gut, das sei aber alles noch auf dem Mist seines Vorgängers Martin Hoffmann gewachsen. Einzig das neue Nachrichtenformat auf Sat1 mit dem früheren ZDF-Mann Thomas Kausch verbucht Quotenerfolge. Damit kann Schawinski punkten, nachdem er im Sommer «relevantere und ernsthaftere Sat1-News» versprochen hatte.

Als neuer Show-Präsentator jedoch konnte Schawinski bislang nicht überzeugen. Für die privaten Sender in Deutschland aber zählen neben spannenden Spielfilmen hauptsächlich die besseren Showformate, die Zuschauer binden und Werbeagenturen überzeugen.

Mit Saban wird sich Schawinski vielleicht gerade über das ab Januar 2005 geplante neue Showformat Telenova, eine aus südamerikanischen TV-Gefilden übernommene «qualitativ hochwertige Vorabendserie mit einer starken Hauptdarstellerin», unterhalten, von dem sich der Sat1-Chef den Durchbruch verspricht. Pech nur, dass dem Vernehmen nach das ZDF in den kommenden Wochen ein ähnliches Sendeformat präsentieren will und Schawinski damit die Premiere auf dem deutschen TV-Markt vermasseln könnte.