Endlich ein Manager, der es zugibt: «Ich kann eigentlich gar nichts», behauptet Roland Marti, CEO der B. Braun Medical AG Schweiz. Nichts jedenfalls, was ein anderer nicht auch könnte, meint er. Überhaupt wäre das Leben sehr viel einfacher, wenn sich alle etwas weniger wichtig nähmen und sich mehr auf die Sache konzentrierten, denn: «In 30 Jahren redet ohnehin niemand mehr von uns.»

Warum dennoch er und niemand anders die Schweizer Tochtergesellschaft des erfolgreichen deutschen Medizintechnikherstellers führt, erklärt Marti damit, er habe halt das Glück gehabt, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein.

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Bescheidenheit in Ehren, die Behauptung, nichts zu können, dürfte pures Understatement sein. Riskante oder unbedachte Personalentscheide waren es kaum, die die Inhaberfamilie Braun vertreten von Konzernchef Ludwig Georg Braun zum Erfolg führten. Ihr vor 166 Jahren gegründetes Unternehmen im Kurhessischen Bergland, 25 km südlich von Kassel, besticht derart durch glänzende Resultate und ebensolche Führung, dass es kürzlich zum «besten Arbeitgeber Deutschlands» gewählt wurde.

Im Wettbewerb der deutschen Zeitschrift «Karriere» liess es Grosskonzerne wie Coca-Cola, Commerzbank, BP und Metro hinter sich. Seine 30000 Mitarbeitenden profitieren vor allem von hervorragenden Leistungen in Kriterien wie Marktführerschaft, Entwicklungsmöglichkeiten, Jobsicherheit, Work-Life-Balance und Gehalt.

Zwar ist mit solchen Vorgaben die Messlatte auch für die Schweizer Tochtergesellschaft hoch angesetzt, Marti und sein Führungsteam sind jedoch sehr frei in der Umsetzung, insbesondere, was die Mitarbeiterführung betreffe. «Man vertraut darauf, dass wir die lokalen Eigenheiten und die Mentalitäten hier besser einschätzen können», erklärt Marti. Seine Freiheit in der Umsetzung nutzt er auf seine ganz persönliche Art. «Was einer tut, ist nicht so wichtig», sinniert er, «viel wichtiger dagegen, wie er es tut.»

Eine Intergrationsfigur

Im Gespräch scheint er oft zu schwanken zwischen dem Bedürfnis, seine Position ganz genau zu erklären, und dem Bemühen, seinem Gegenüber grösstmögliches Verständnis entgegen zu bringen. Tatsächlich sei die Integrationsfähigkeit eine seiner grossen Stärken, attestiert ihm sein Pressechef Beat Fischer. Marti selbst bezeichnet es als seine wichtigste Aufgabe, genau hinzuhören, wo Differenzen entstanden sind: «An den Schnittstellen, wo sich disziplinarische und fachliche Kräfte kreuzen, mit den richtigen Fragen die Gedanken und Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeitenden herauskitzeln.»

Integrationsfähigkeit war vor vier Jahren tatsächlich gefragt: Nach der Pensionierung des damaligen Managements galt es, fünf Standorte, die mehrheitlich auf ihr eigenes Wohl bedacht waren, Gärtchendenken pflegten und von oben nach unten geführt wurden, in ein nach Martis Worten «mindestens so erfolgreiches, aber teamgeführtes Unternehmen» zu verwandeln.

Für den damals vergleichsweise jungen Controller dürfte auch die Tatsache gesprochen haben, dass er in mehr als 15 Jahren in verschiedenen Abteilungen von B. Braun bewiesen hatte, dass er etwas bewegen konnte. Er beharrt jedoch: «Ich bin einer von 750 Mitarbeitern.»

Die Leistungen des Teams seien wichtiger als diejenigen des Einzelnen, betont der überzeugte Teamsportler, den Joggen besser gesagt: das Messen an der eigenen Leistung langweilt. Ganz immun gegen Lob und persönliche Anerkennung ist aber auch er nicht. Dass der deutsche Patron kürzlich vor versammeltem Publikum das Schweizer Führungsteam und insbesondere auch seine Leitung lobte, macht ihn auch Wochen später noch sichtlich glücklich.

Marti und seine Crew haben aber auch Grund zur Freude: B. Braun Medical AG ist sehr gut im Markt positioniert und weist mit einem Nettoumsatz von 216 Mio Fr. respektable Zahlen vor. Der angestrebte Kulturwandel ist vollzogen, die Abläufe sind verbessert, die Betriebsmittel wurden erhöht. In Escholzmatt wurde im August ein 30 Mio Fr. teures neues Produktionsgebäude bezogen, in Mitte 2006 folgt der Umzug der Verwaltung in das neue Gebäude in Sempach, das seinerseits 20 Mio Fr. kosten wird.

Sicherheit über Jahre

Speziell freut Marti, dass sein Hauptziel erreicht ist: «Jeder einzelne Standort ist für die nächsten 10 bis 20 Jahre abgesichert.» Bei einem Eigenkapital von fast 200 Mio Fr. und einem Anlagevermögen von mehr als 100 Mio Fr. dürfte bei B. Braun vorderhand niemand schlaflose Nächte haben beim Gedanken an die Zukunft.

An seinem zweiten Ziel wird er weiterhin arbeiten: «Leidenschaft für das Unternehmen wecken.» Einem jeden begreiflich zu machen, welchen Beitrag er zum Wohlergehen der Firma leisten könne und dies bei einer Belegschaft, die sich aus 30 bis 35 verschiedenen Nationen zusammensetze erfordere einen ziemlichen Kommunikationsaufwand.

Sein Ziel allerdings will er nicht durch flammende Reden, sondern durch sein gutes Beispiel erreichen. «Vordergründig Unwichtiges ist dabei wesentlich», erklärt er, also jemandem die Tür aufzuhalten oder mit anzupacken, wenn ein Lieferwagen entladen werde. «Arrogant durch die Fabrik marschieren und Reden schwingen ist einfach, das kann jeder.» Schwieriger dagegen sei, auf andere zuzugehen, ihnen die Hand zu schütteln, sie zu fragen, wie es ihnen gehe.

Ab Mitte des nächsten Jahres werden zumindest die Angestellten im neuen Schweizer Hauptsitz noch mehr Gelegenheit haben, das gute Vorbild des Chefs zu studieren: Das im deutschen Mutterhaus entwickelte «Bürokonzept 2010» sieht das Teambüro für alle vor. Marti freut sich darauf.

Der Anhänger der «clean desk policy» bräuchte ohnehin keinen ganzen Arbeitsplatz. Sein Ziel ist: «Möglichst wenig am Schreibtisch sitzen.» Sein Platz sei bei den Kunden, den Mitarbeitenden, in der Produktion: «Einfach da, wo die Musik spielt.»

Ob alle Mitarbeitenden seinem Tempo folgen mögen? Der CEO beginnt seinen Arbeitstag zwischen sechs und sieben Uhr morgens und beendet ihn selten vor sieben Uhr abends. Aus der Konzernzentrale in Melsungen verlautete vor kurzem, man wolle sich um noch etwas mehr Familienfreundlichkeit bemühen. Vielleicht sickert ja etwas davon bis in die Zentralschweiz durch.



Roland Martis Führungsgrundsätze

Ernsthaftigkeit: Respektvoller Umgang, zuhören und beobachten, Fragen stellen.

Kultur: Vertrauen leben, offen und ehrlich kommunizieren.

Werte: Seine eigene Person nicht so wichtig nehmen. Optimismus vorleben («das Glas ist halb voll»), Vorbild sein.

Zur Person

Roland Marti (45) hat nach dem eidgenössischen Buchhalter-Diplom die Controller-Akademie München und an der Universität Zürich eine Management-Weiterbildung absolviert. Der überzeugte Teamsportler hat früher Eishockey und Fussball gespielt. Seit 1985 arbeitet er bei B. Braun Medical AG Schweiz in verschiedenen Bereichen, seit 2001 als CEO. Roland Marti lebt mit seiner Frau und den drei fast erwachsenen Kindern bei Ballwil LU.