Der erste Neuschnee hat die Alpen im Berner Oberland überzuckert. Die Hoteliers in der Ferienregion Berner Oberland stehen in den Startlöchern und hoffen auf eine gute Wintersaison. Anders als bei den Ferienhotels beeinflussen Schnee, Hitze, Nebel oder Regen den Geschäftsgang des Hotel Victoria-Jungfrau in Interlaken nur wenig.

Unter der Führung des Direktionsehepaars Emanuel und Rosmarie Berger wurde das einstige gehobene Sommerferienhotel zum Luxustempel für Seminare, Ferien und Wellness. Dahinter steckt harte Arbeit die Bergers sind «Chrampfer». Aussenstehende bezeichnen das Arbeitspensum als immens.

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Das Personal, inklusive das Direktionsehepaar, trägt ein 12-Punkte-Kärtchen auf sich, auf was zu achten ist. Es soll daran erinnern: Die Zufriedenheit des Gastes kommt zuerst, und dann kommt ganz lange nichts. Auch wenn Bergers in den Ferien sind, rufen sie fast täglich an. Die Gastgeber wollen wissen, ob alles in Ordnung ist. Wie alle Eltern sorgen sie sich um ihr Kind.

Emanuel Berger kümmert sich um den finanziellen Bereich, repräsentiert das Hotel und kommuniziert gegen aussen. Im Hintergrund wirkt seine Frau: Sie betreut alle Bauten, Umbauten und Renovationen, coacht die Mitarbeiterführung und spielt den Joker, wenn Not an der Frau ist. Emanuel Berger weiss, was er an seiner Ehefrau hat. «Sie trägt wesentlich zum Erfolg bei», sagt er. Sie schüttelt den Kopf, zu viel Aufmerksamkeit ist ihr unangenehm.

Birgt die Doppelführung Risiken? «Wir können gewisse Sachen besprechen, und durch Argumente den anderen überzeugen oder sich überzeugen lassen. So sind wir bisher immer zu Einstimmigkeit gekommen», sagen beide. Und die Nachteile? «Die gibt es bei uns nicht», sagt Emanuel Berger, «wir bringen Persönliches nicht in den Betrieb rein.» Ende der Diskussion.

Hoteliers seien entweder sehr gute Gastgeber oder aber gute Manager. Bergers seien beides, sagt ein Branchenkenner. Und wo sie sich zu wenig auskennen, haben sie Fachleute ins Team geholt im Controlling zum Beispiel. Früher als andere Hotelierkollegen haben sie nicht einfach auf «Learnig by doing» vertraut.

Der heutige Grand Doyen, wie ihn eine ehemalige Mitarbeiterin nennt, übernahm im Oktober 1970 mit 29 Jahren das Hotel Victoria-Jungfrau in einem desolaten Zustand. Damals existierten sogar Pläne, das baufällige Gebäude abzureissen und ein Appartement-Hotel hinzustellen.

Nach der Heirat 1973 ist seine Frau als Co-Direktorin eingestiegen. Die ersten Jahre wusste man oft nicht, wie die Rechnungen bezahlen. Beharrlich hielten sie durch, hangelten sich von Jahr zu Jahr. Die Wende kam, als durch verbesserte Resultate Investitionen möglich wurden. 1984 beteiligte sich das vom Staat Kuwait kontrollierte Kuwait Investment Office (KIO) am Victoria-Jungfrau. Ein Konsortium aus namhaften Schweizer Unternehmen übernahm ein Jahr später die Aktienmehrheit.

Heute gehören Unternehmen wie UBS, Galenica, Swiss Re, Novartis und Roche zum Konsortium. Emanuel Berger, der selber beteiligt ist, hat ein immenses Beziehungsnetz.

Dank Investoren und Bankkrediten konnten Visionen und Träume realisiert werden: Es wurde umgebaut, ausgebaut und neu gebaut. In den vergangenen zehn Jahren flossen 100 Mio Fr. ins Luxushotel. Jüngst eröffneten sie eine neue 17-Millionen-Franken teure Wellness- und Therapieanlage.

Auszeichnungen en masse

Folgerichtig jagen sich die Auszeichnungen: Im Jahr 2000 «Hotel des Jahres» (GaultMillau), 2002 «Milestone», Tourismuspreis Schweiz, 2003 «Independent Hotelier of the World» des renommierten US-Magazins «Hotels», 2004 bestes Wellnesshotel («SonntagsZeitung») und bestes Businesshotel («Bilanz»). «Die Preise sind eine wunderbare Anerkennung für das gesamte Personal», sagt Berger, «sie verpflichten aber auch: Mit jedem Preis werden die Ansprüche der Gäste höher geschraubt.»

Trotz Auszeichnungen, trotz höchsten Ansprüchen an sich selber gehen Konjunkturzyklen nicht spurlos am Hotel vorbei. Der Betriebsgewinn von 9 Mio Fr. im Jahr 2002 ist im vergangenen Jahr nach Sars, Irak-Krieg und Wirtschaftsflaute um knapp 9% gesunken. «So ein schwieriges Jahr hat es noch nie gegeben», sagte Emanuel Berger im Februar 2004. Trotzdem hat das Krisenjahr die Bergers weniger stark getroffen als andere Hotels.

Die Hoteliers in der Region anerkennen diese Leistung: «Das Direktionsehepaar hat eine gute Nase in die richtige Richtung», heisst es da. Missgunst ist bei der Konkurrenz nicht zu spüren.

Obwohl das Luxushotel Erfolg hat und mehrfach preisgekrönt ist, verdient das Personal nicht markant mehr Lohn als anderswo in der Luxushotellerie. «Wir halten uns an den Landes-Gesamtarbeitsvertrag», sagt Berger. Auch ohne besondere «Lohnzückerli»: Der Name Victoria-Jungfrau scheint Anreiz genug zu sein, um leistungswillige Leute anzulocken.

Und die Arbeitsbedingungen sind überdurchschnittlich: So schwärmt ein ehemaliger Praktikant und Absolvent der Hotelfachschule in Luzern noch heute vom guten Personalrestaurant. Und die Personalzimmer haben eigene Duschen, was in der Branche nicht selbstverständlich ist. «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich sicher fühlen. Das können sie nur, wenn sie frisch geduscht zur Arbeit erscheinen können», so die Überzeugung des Direktionsehepaars.

Man könne nur Höchstleistungen verlangen, wenn man die Voraussetzungen dafür schaffe. Diese scheinen zu stimmen: Den Gewerkschaften jedenfalls sind keine Rechtsstreitfälle aus dem Luxushotel bekannt. Bergers mussten auch noch nie aus wirtschaftlichen Gründen Personal entlassen. Aus anderen Gründen schon: «Wenn jemand die erwartete Leistung nicht erbringt, dann passt er nicht zu uns.»

Pläne für das nächste Leben

Das Direktionspaar selber leistet auch nach 33 Jahren Führungsverantwortung für das gleiche Hotel so viel wie am Anfang. Trotzdem haben sie sich mit dem Leben danach befasst. Sie wissen genau, wann dieses beginnen soll, behalten das Datum aber für sich.

Für das Luxushotel werde dann die Zukunft unsicherer sein, wie Beobachter meinen. Denn: Die Nachfolger werden riesige Fussstapfen vorfinden.

Bergers Führungsprinzipien

1. Jeder Mitarbeiter soll sich als Gastgeber fühlen.

2. Kritik und Verbesserungsvorschläge von allen Mitarbeitenden sind willkommen.

3. Offene Kommunikation.

4. Leistungsbereitschaft und Einsatz vorleben.

5. Gute Voraussetzungen für Höchstleistungen schaffen.



Zur Person

Emanuel (63) und Rosmarie (56) Berger sind seit über 30 Jahren Direktionsehepaar des Luxushotels Victoria-Jungfrau in Interlaken. Sie haben zwei erwachsene Kinder. Beide haben die Hotelfachschule in Lausanne absolviert. Emanuel Berger ist Delegierter der Grand Hotel Victoria-Jungfrau AG, zu der seit 1997 auch das Fünfsternehaus «Palace» in Luzern gehört.