Das stärkt die Corporate Governance, führt aber zu Kritik - auch in der Schweiz, wo einzelne Bestimmungen mit der hiesigen Gesetzgebung nicht vereinbar sind.

Auf die mitunter verheerenden Missstände in der Rechnungslegung amerikanischer Grossunternehmen und die daraus entstehende Vertrauenskrise hat der Kongress im vergangenen Jahr rasch reagiert. Der schnell durchgepeitschte und Ende Juli in Kraft getretene Sarbanes-Oxley Act unterwirft die Berichterstattung der in den USA börsenkotierten Unternehmen einer stark erweiterten Kontrolle und enthält neue, weit gehende Vorschriften für die Beaufsichtigung der in diesem Bereich tätigen Rechnungsprüfer. Mit den Auswirkungen des Gesetzes auf die Schweiz hat sich eine Arbeitsgruppe der Treuhand-Kammer auseinandergesetzt. Aus ihren nun in Form einer Broschüre veröffentlichten Erkenntnissen geht hervor, dass das Gesetz neben einer Verbesserung der Corporate Governance auch Probleme mit sich bringt.

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Auf der einen Seite sind diejenigen Schweizer Gesellschaften betroffen, die ihre Wertschriften an US-Börsen kotiert haben, sowie die Töchter aller der SEC unterstellten Unternehmen. Im Rahmen einer eingehenderen Überwachung dieser Unternehmen wird die Rolle der Securities and Exchange Commission (SEC) als Aufsichtsbehörde durch eine Mehrzahl neuer Forderungen und Verbote verstärkt. Diese gehen zum Teil weit über die eigentliche Buchführung hinaus, namentlich in Bezug auf die Verantwortung der Verwaltungsräte, des obersten Managements und des Audit Committee. Dabei müssen laut Treuhand-Kammer «sogar grössere Privatgesellschaften damit rechnen, dass sie früher oder später vom Gedankengut des Sarbanes-Oxley Act tangiert werden».

Auf der anderen Seite werden sich alle betroffenen Wirtschaftsprüfer bei einer neuen, mit Sanktionsrechten ausgestatteten Kontrollstelle namens Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB) registrieren müssen. Auch ausländische Prüfer werden der Herausgabe von Prüfungsunterlagen an den PCAOB oder die SEC sowie der Unterstellung unter die US-Justiz zur gerichtlichen Durchsetzung der Aktenherausgabepflicht zustimmen müssen. Ferner wird der PCAOB alle Prüfungsgesellschaften mindestens alle drei Jahre inspizieren und festgestellte Mängel der SEC mitteilen. Unter bestimmten Voraussetzungen könnten ausländische Prüfer zwar von der Unterstellung unter einzelne Bestimmungen befreit werden, solche Ausnahmen dürften aber nur «äusserst zurückhaltend» angewendet werden, heisst es.

Unklarheiten

Noch ist es nicht so weit. Nach Angaben der Treuhand-Kammer sind viele Einzelheiten noch unklar und werden erst in den nächsten Monaten präzisiert und geregelt. So könnte es bis zum 26. April dauern, bis der PCAOB für funktionsfähig erklärt wird. Spätestens bis zum 23. Oktober bzw. 180 Tage nach der Arbeitsaufnahme des PCAOB wird dann die Registrierung der Wirtschaftsprüfer zu erfolgen haben. Zudem haben US-Regierungsstellen noch bis Ende Juli Zeit, um «detaillierte Studien» zur Umsetzung des Gesetzes fertig zu stellen.

Vor allem ausserhalb der USA, so die Kammer, hat das neue Gesetz Verunsicherungen und kritische Reaktionen zur Folge gehabt, «widerspricht es doch teilweise nationalen Rechtsordnungen». Das trifft auch im Falle der Schweiz zu. Besonders die Zustimmung zur Herausgabe von Prüfungsakten auf Anfrage des PCAOB schafft Konfliktpotenzial mit schweizerischen Gesetzen. Als Beispiele zitiert die Treuhand-Kammer das Strafgesetzbuch (Verletzung des Berufsgeheimnisses und des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses, Wirtschaftlicher Nachrichtendienst und verbotene Handlungen für einen fremdem Staat) sowie die Bundesgesetze über den Datenschutz, die Banken und Sparkassen (Berufsgeheimnis) und die Börsen und den Effektenhandel (Berufsgeheimnis). Die Schutzwirkung einiger dieser Bestimmungen könne zwar aufgehoben oder abgeschwächt werden, sollte die betroffene Gesellschaft einer Offenlegung der verlangten Angaben zustimmen, es sei aber nicht praktikabel, die Zustimmung allfälliger Dritter einzuholen.

Einen eher formellen Konflikt sieht die Kammer-Studie in den Bestimmungen, wonach der Konzernprüfer vom Audit Committee ausgewählt, entschädigt und überwacht wird, denn rechtlich bleibt die Wahl der Revisionsstelle der Generalversammlung vorbehalten. Da das Audit Committee bzw. der Verwaltungsrat einen entsprechenden Vorschlag nach sorgfältigen Abklärungen unterbreitet, dürfte diese Bestimmung materiell bereits eingehalten werden, heisst es.

Bedenken

Die Treuhand-Kammer betont, dass die Ziele des Gesetzes die Corporate Governance in den USA erheblich verstärken werden und auch anderswo allgemein als sinnvoll gelten. Es sei auch nicht auszuschliessen, dass andere Regulatoren sich bei der Ausgestaltung der eigenen Bestimmungen in Teilbereichen vom Gesetz leiten lassen: «Sinngemäss befolgen zahlreiche Schweizer Unternehmen verschiedene Detailregelungen des Sarbanes-Oxley Act schon seit Jahren.» Trotzdem hätten der teils sehr formalistische Charakter, die Unzahl von Detailregelungen sowie der hohe Aufwand für die Umsetzung des Gesetzes bei verschiedenen politischen Instanzen und wirtschaftlichen Institutionen ausserhalb der USA «eine sehr kritische und teilweise auch ablehnende Haltung» ausgelöst. «Sowohl die EU als auch die Schweiz hegen grosse Bedenken gegenüber der extraterritorialen Wirkung, die der Sarbanes-Oxley Act nach heutiger Lesart entfalten würde.»

Die Treuhand-Kammer sieht sich veranlasst, die Unvereinbarkeit des Gesetzes mit schweizerischen Gesetzesbestimmungen mit Fachleuten des Bundes zu erörtern «und geeignete Massnahmen anzuregen». Gleichzeitig setzt sich die Kammer zusammen mit dem Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten, dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, der SWX Swiss Exchange, der Economiesuisse und der Vereinigung Schweizerischer Industrie-Holdinggesellschaften aber dafür ein, «die positiven Erfahrungen aus der Anwendung des Sarbanes-Oxley Act in die schweizerische Praxis zu übernehmen». Anfang März wird eine offizielle Delegation in dieser Angelegenheit bei der SEC in Washington vorsprechen.