Kisten voller Helme. Überall. Noch stapeln sie sich im dunklen Stauraum der Container-Baracke. In einigen Wochen werden sie wieder gebraucht werden, wenn Studentinnen und Studenten der Hochschule St. Gallen (HSG) die Gerüste für die Main Stage oder den VIP-Raum ihrer jährlichen Startup-Konferenz aufbauen – den Start Summit.

Konferenzen gibt es eigentlich genug. Gerade für Startups. Seit Jahren schiessen die Veranstaltungen gehäuft aus dem Boden. Die meisten von ihnen wollen Gewinne erzielen. Der Start Summit ist anders. Als Non-Profit-Anlass wird er von sechzig Studierenden quasi im Alleingang organisiert. «Unser Asset ist das Feuer der Studierenden», sagt Deborah Dörig. Sie ist Präsidentin der Dachorganisation Start Global. «Es ist diese jugendliche Unbekümmertheit gepaart mit diesem Drang, etwas zu machen, was uns hilft.»

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Expansion in Europa

Zuletzt funktionierte das ganz gut. Start Global jedenfalls ist im Aufbruch: Die Expansion in Europa nimmt Fahrt auf, eine schärfere Mission ist formuliert, es gibt neue Strukturen. Inzwischen wird das studentische Netzwerk von bekannten Exponenten der Schweizer Startup- und Unternehmenswelt gefördert: Investor Rainer-Marc Frey und Urs Wietlisbach von Partners Group gehören ebenso dazu wie die Wagniskapitalgeber Daniel Aegerter und Daniel Gutenberg. Start Global ist das grösste studentische Netzwerk der Schweiz für Unternehmertum und Startups. «Wir versuchen, Business und Technologie einander näherzubringen und Brücken zu bauen», sagt Dörig. Sie wünscht sich, mehr Studenten würden den Unternehmerweg gehen. Idealerweise in gemischten Teams zwischen HSG und etwa der Zürcher ETH.

In der Vergangenheit gab es auch schon beachtliche Erfolge. Die Online-Bank N26 fand den ersten Investor in St. Gallen, das Künstliche-Intelligenz-Unternehmen Merantix wurde von «Starties» gegründet. So heissen jene HSG-Studierende, die einmal im Netzwerk mitgearbeitet haben.

Keine Zeit für Gelaber

Flaggschiff ist seit Jahren die Konferenz Start Summit auf dem Olma-Messe-Gelände, welche 2000 Besucher anzieht – nicht nur von der Uni. Startups werben dort um die Gunst von Investoren, Messestände von Jungunternehmern hat es überall. Aber inzwischen gibt es neben der Konferenz einen Inkubator, einen Hackathon und Satelliten in europäischen Städten. Seit drei Jahren wächst Start Global rasant.

Und trotzdem – im Kern wird alles immer noch gemanaged von Studierenden, die daneben BWL büffeln sollten. «Die Uni läuft während der Vorbereitung des Summits auf absoluter Sparflamme. Da ist jetzt echter Pragmatismus gefragt», sagt Sophie Bree. Sie ist im zweiten Studienjahr und dieses Jahr verantwortlich für den Summit. Jeden Sommer wechselt im Normalfall das Team wie auch die Leitung. «Du wirst ins wirklich kalte Wasser geschmissen», sagt sie. «Das ist die Antarktis», ergänzt Dörig. Und dann begännen einfach alle zu schwimmen. So haben Dörig und Bree in kurzer Zeit sechzig Studierende angeheuert, welche wiederum für Teilbereiche zuständig sind. Marketing-Teams, Catering, VIP-Betreuung. Und am Summit kämen dann nochmals 300 Helfer dazu. Das Beste sei, dass man aus seiner Komfortzone gekickt werde, so Bree. Eine Lebensschule hoch hundert sei das, wo keine Zeit für Redundanzen und unnötiges Gelaber bleibe. Mentor Gutenberg erklärt: «Start Global ist für mich ein richtiger Jungbrunnen an Unternehmer-Energie und neuen Ideen.»

Mentoring durch Unternehmer

Die grossen jährlichen Rochaden an der Spitze verhindern aber auch Kontinuität. Und das Präsidium träfe andere Entscheidungen, wenn die Amtsdauer nicht so kurz wäre. Um dieser Erschwernis entgegenzuwirken, ist letztes Jahr der Start Fund ins Leben gerufen worden, der von ehemaligen Starties geführt wird und in dessen Beirat Gutenberg und Co. sitzen. «Das Mentoring durch den Fund ist unschätzbar wertvoll», so Dörig. Die 22-Jährige wird etwa persönlich von Seriengründer Adrian Locher gecoacht, der den Beirat präsentiert. Bree lernt von Investor Florian Schweitzer. Um ein allfälliges Defizit zu decken, ist der Fund mit 1 Million Franken dotiert.

Die Leute im Fund helfen auch mit, die Expansion voranzutreiben. Bereits gibt es Start-Ableger in Helsinki, München und anderen europäischen Metropolen. Diese sogenannten Chapter sind finanziell unabhängig, werden aber von St. Gallen aus bei deren Aktivitäten unterstützt. «Man liegt falsch, wenn man nur von der Schweiz aus denkt», sagt Dörig. Die Mission von Start geht denn auch dahin, europaweit eine neue Generation von Pionieren zu fördern. Um den Kontinent wieder relevant zu machen, brauche es mehr Jungunternehmer, ist Bree überzeugt: «Wirkliche Veränderung muss durch etwas kommen, was langfristig, skalierbar und für sich zukunftsfähig ist.»

Verschworene Truppe

Natürlich gibt es andere studentische Netzwerke für Unternehmertum und zahlreiche auch internationale Startup-Konferenzen wie Fifteen Seconds und Pirate Summit. Die Kombination zwischen breitem Support aus Wirtschaft (und auch von Behörden) und der Gratis-Arbeit der Studierenden allerdings ist aussergewöhnlich. «Meine Bezahlung ist, dass ich mit supersmarten Leuten am Tisch sitzen kann und dass sie mich herausfordern», sagt die zwanzigjährige Bree.

Das gebe ihr die Energie, am Morgen aufzustehen und fünfzig Mails zu schreiben. Start Global entstand 1996 unter dem Namen Start Forum. Zwischenzeitlich rückte die Initiative etwas in den Hintergrund. Ab 2012 jedoch gewann Start Global wieder an Bedeutung und seit drei Jahren an Professionalisierung. Auch wenn die HSG immer noch enorm wichtig ist, so hat sich die Organisation doch ein Stück davon emanzipiert.

Auf dem Gelände der HSG kennen allerdings die meisten Studierenden die Starties. Schon nur wegen der Pullis mit dem Logo, welche diese oft, vor allem im Vorfeld der Konferenz tragen. Nicht allen Studierenden ist das geheuer. Einige glaubten auch schon, es handle sich um eine Art Geheimbund. Zumindest die Verschworenheit der Truppe für das gemeinsame Ziel passte dazu. Oder wie Wietlisbach sagt: «Von Studenten für Studenten auf eine einzigartige Art.»