Hans-Peter Schär hatte sich seinen Abgang als Verwaltungsratspräsident bei Schweizerhall anders vorgestellt. Bereits im letzten Sommer kündigte die Basler Beteiligungsgesellschaft an, das Aufsichtsgremium habe Rudolf Hintermeister als neuen Vizepräsidenten und designierten Nachfolger von Schär gewählt. Damit ist der gewichtigste Aktionär aber nicht einverstanden. Alexander Knapp Voith, der seine Beteiligung zwischenzeitlich auf knapp 20% aufgestockt hat, strebt an der Generalversammlung vom 25. April selbst einen Sitz im Verwaltungsrat an, ergänzt um zwei weitere Leute, die er nominiert. Im Kongresszentrum der Messe Basel, wo sich Schär mit zwei anderen Verwaltungsräten verabschiedet, kommt es zur Kampfwahl. Der offizielle Kandidat, Rechtsanwalt René Muttenzer, wird von drei Gegenspielern herausgefordert. «Wir wollen einen neutralen Verwaltungsrat», begründet Knapp Voith gegenüber der «HandelsZeitung» seinen Aktionärsantrag.

Vor Jahresfrist schien die Stimmungslage zwischen VR-Präsident Schär und seinem Hauptaktionär noch ungetrübt. Den angebotenen Sessel im Verwaltungsrat schlug Knapp Voith jedoch aus. Als Einzelkämpfer wollte der Deutsche mit spanischem Pass und Wohnsitz in St.Moritz nicht mittun. Schliesslich möchte er bei Schweizerhall etwas bewegen. Das aber traut er den bisherigen Verwaltungsräten nicht zu. Der 48-jährige Investor beklagt sich über den Interessenfilz nach dem Motto «Du bei mir, ich bei dir». Gemeinsam mit Sven Hoffmann, einem ehemaligen Kadermitglied von Roche, und Hans J. Löliger, zuletzt Chief Executive Officer bei der Sipcap Group, will er neue Ideen einbringen.

*Börsenwert bald 1 Milliarde franken?*

Erst kürzlich hat sich die Gesellschaft einer Dualstrategie verschrieben. Nebst dem Chemiehandelsgeschäft stieg Schweizerhall mit 140 Mio Fr. bei nichtbörsenkotierten Unternehmen im Bereich Life Science ein. «Die Chancen der Biotechnologie kann ich nicht beurteilen», äussert sich Knapp Voith skeptisch. Früher habe man auf die Chemie gesetzt, und da würden sich auch Wachstumschancen ergeben. Ihm schwebt eine Kapitalerhöhung vor, die vor allem durch Sacheinlagen zu Stande käme. Mit dem Zukauf von Firmen hofft der Financier, die Börsenkapitalisierung von derzeit bescheidenen 150 Mio Fr. auf 1 Mrd Fr. anzuheben.

Derart aggressive Expansionsschritte sind dem 72-jährigen Schär, der zwei Jahrzehnte lang die Fäden in der Hand hielt, äusserst suspekt. Er befürchtet, Knapp Voith wolle Schweizerhall danach in seine Einzelteile zerlegen, weil die «mehr wert sind als das Ganze». Fakt ist, dass die Rechnung für den Financier bisher nicht aufgegangen ist. Als er sich 1999 beim Basler Chemiehändler einkaufte, lag der Börsenkurs etwa dort, wo er nach einer Verdoppelung heute wieder ist (siehe Kasten). Ihn habe damals Boucheron interessiert. Die französische Marke mit Parfum, Luxusuhren und Schmuck brachte Glamour ins sonst eher nüchterne Chemiegeschäft. Das blieb auch dem Finanzanalysten Reto Garzetti nicht verborgen. Mit seiner SGA Gesellschaft für Aktienhandel beteiligte er sich an Schweizerhall und empfahl den Titel seiner Kundschaft, darunter auch Knapp Voith.

Der weitere Ausbau des Luxusgütergeschäftes hätte allerdings erhebliche Investitionen in eigene Shops und das Marketing erfordert. Das war VR-Präsident Schär zu riskant. Zu jener Zeit formierten sich die Branchengiganten. Sie waren zur Arrondierung ihrer Geschäftsfelder bereit, jeden Preis zu zahlen. Schweizerhall verkaufte Boucheron für 500 Mio Fr., leitete davon einen Fünftel via Dividenden und Nennwertreduktionen an die Aktionäre zurück, legte einen gleichen Anteil in die strategischen Reserven, tilgte sämtliche Schulden und engagierte sich mit 140 Mio Fr. neu in der Biotechnologie. Die Basler standen mit einer soliden Bilanz da, doch an den Aktienmärkten ging es abwärts. Der Bonus «Luxusgüter» war verflogen, Schweizerhall galt nun in Anlegerkreisen wieder als biedere Chemieaktie. Die einst hochgelobten Start-ups in der Life Science fielen ebenso in Ungnade wie Hightech und Telekommunikation.

*«Propeller-Filz aus St.Moritz»*

Reto Garzetti hat auf das Kurstief reagiert. Innerhalb von acht Monaten verminderte die SGA ihre Beteiligung an Schweizerhall von rund 8% auf 2%. Knapp Voith kaufte im Hinblick auf die Generalversammlung zu. Er hofft, mit eigenen Leuten im Verwaltungsrat die Corporate Governance zu verbessern und damit finanzkräftige Investoren anzulocken. «Wir müssen interessanter werden», bringt es der Financier auf den Punkt. Der abtretende Verwaltungsratspräsident kontert die Kritik am Aufsichtsgremium, das fast aus lauter Golfclubfreunden bestehe: «Neu hätten wir dann den Propeller-Filz aus St. Moritz.» Im Engadiner Nobelkurort hat der weit gereiste Geschäftsmann, der in jungen Jahren das Privatinstitut in Zuoz besuchte, ein Pauschalabkommen mit den Steuerbehörden abgeschlossen. Über seine Cumberland AG hält er kleinere Beteiligungen an mehreren Schweizer Firmen und sitzt im Verwaltungsrat der deutschen Immobiliengesellschaft Deutsche Real Estate. Jetzt soll ein weiteres Mandat bei der Schweizerhall dazukommen. Knapp Voith gibt sich optimistisch: «Die eigenen Aktien sind beim Wahlgang nicht stimmberechtigt.» Mit der Unterstützung von weiteren freien Aktionären hofft er, seinen Dreiervorschlag durchzubringen.

Der abtretende Schär, über seine Familie auch künftig mit gut 15% beteiligt, reagiert gelassen: «Wir brauchen Leute, die etwas von der Sache verstehen.» Er meint damit etwa Professor François L?Eplattenier, den früheren Forschungschef von Ciba Geigy und heutigen Chairman des Novartis Venture Fund, der seit einem Jahr als Verwaltungsrat das wissenschaftliche Know-how in der Biotechnologie sicherstellt. Dringt Knapp Voith mit seiner Wahlliste durch, hat er im neuen fünfköpfigen Verwaltungsrat die Mehrheit. «Die Macht will ich nicht», spielt der Financier seinen Vorstoss herunter. Und wenn er verliert? Dann steigt der gewichtigste Aktionär vielleicht aus. So sicher aber ist das nicht.

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