Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte in Europa ein gewaltiges Wirtschaftswachstum. Vielerorts wurden Produktionsstätten weit über ihre Leistungsgrenze hinaus belastet, anderseits entstanden zahlreiche neue Fabrikationsbetriebe. Güter wurden in und quer durch alle Industrienationen transportiert. Das bestehende, damals noch wesentlich dichtere Schienennetz bot den Bahnen dazu die grössten Möglichkeiten. Wenn irgendwie machbar, wurden Transporte vorrangig per Bahn spediert.

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Allerdings liess der Umschlag der Güter sehr zu wünschen übrig. Die grossen Waren- und Gütermengen konnten aufgrund der vorhandenen Mittel (personell und maschinenmässig) nur sehr aufwendig bewältigt werden. Neue Geräte und Methoden in diesem Arbeitsbereich waren gefragt.

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB waren von dieser Entwicklung besonders stark betroffen. Sie suchten deshalb nach technischen Lösungen, um beispielsweise den Zeitaufwand bei der personalintensiven Stückgutmanipulation zu vermindern. Eine Lösung des brennenden Problems sahen sie im System der damals neu aufkommenden Palettierung, welche ursprünglich in den USA entwickelt worden war und nach dem Krieg in verschiedenen europäischen Ländern zur Anwendung kam.

Hinter der Idee des rationellen Güterumschlags stand seitens der SBB Franz Hegner, der als treibender Motor für ein einheitliches Palettentransportsystem galt. Er organisierte unter anderem 1953/54 Studienreisen in mehrere Länder, wie z. B. nach Schweden, wo er mit Experten und mit Leuten vom Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins dort bereits funktionierende Palettenpoolsysteme näher kennen lernen wollte, um Ähnliches in der Schweiz zu verwirklichen.

Die Geburt der Studiengesellschaft SSRG

Im Herbst 1954 wurden zahlreiche Industrieunternehmungen, mit denen die SBB engen Güterverkehr pflegten, durch den damaligen SBB-Generaldirektor Hugo Gschwind und den Präsidenten des Vororts, Heinz Herold, über den Plan zur Gründung eines schweizerischen Palettenpools orientiert. Damit stand die Absichtserklärung, welche wenig später mit einer begleitenden Informationsdemonstration im Güterbahnhof von Basel noch untermauert wurde. Die Gründungsimpulse zum Start der Schweizerischen Studiengesellschaft für rationellen Güterumschlag (SSRG) waren gelegt, ebenso der Ursprung zur heutigen SGL. Ein Vorstand wurde gewählt, die Aufgaben und Ziele der Studiengesellschaft definiert und entsprechende Arbeitsgruppen eingerichtet. Die Führung des Sekretariats der SSRG übernahmen die SBB, die nebst der personellen Besetzung auch die notwendigen Räumlichkeiten in Bern an der Mittelstrasse, dem Sitz der SBB-Generaldirektion, zur Verfügung stellten.

Zwar wurden die Aufgaben der SSRG vom Palettenpoolsystem abgeleitet, diese waren jedoch nicht die einzigen. Denn auch damit zusammenhängende Bedingungen wurden aufgegriffen, wie etwa die hierfür verwendeten Flurförderzeuge und stationäre Förderanlagen, aber auch das Umfeld der Lagerbewirtschaftung. Und bei allen diesen Aufgaben standen in den ersten SSRG-Aktivitäten die Erarbeitung von Norm-Empfehlungen, Sicherheitseinrichtungen und rationellen Arbeitsabläufen im Vordergrund. Das Paletten-Normmass 1200 x 800 mm bestand allerdings schon wurde jedoch in vielen Details wie Material, Ausführung usw. durch die Arbeit der SSRG noch verfeinert und auch zur offiziellen Richtlinie erweitert.

Nebst der Palettierung von Gütern standen Probleme und Aufgaben des Umschlags von Schüttgütern (Getreide, Zement, Koks usw.) im Zentrum der SSRG-Aktivitäten. Auf Initiative der Studiengesellschaft wurden dazu einerseits spezielle Richtlinien und Empfehlungen für diesbezügliche Bahn- und Strassentransportfahrzeuge sowie Silos erarbeitet, anderseits auch alternative Möglichkeiten zur Einbindung der Palettierung durch spezielle Sackgebinde-Abfüllungen initiiert.

Arbeitsschwerpunkte lagen nicht nur bei den Paletten

Das Bekanntmachen und Verbreiten der neuen Erkenntnisse und Methoden waren ein wesentliches Anliegen der SSRG. Sie vertrieb ihre erarbeiteten Publikationen und lancierte als Sprachrohr die Herausgabe eines eigenen Mitteilungsblatts. Auch der direkte Praxisbezug der Anschauungsunterricht vor Ort durch Gerätevorführungen und Betriebsbesichtigungen war ein viel genutztes Informationsmittel.

Rund zehn Jahre nach der Gründung wurde ein weiterer Meilenstein der SSRG gesetzt. Das Bedürfnis nach einer allgemeinen, aber sehr umfassenden Präsentationsplattform aller Fördertechniken und der dazugehörenden Komponenten wurde immer offensichtlicher. Die Mustermesse (Muba) in Basel, wo bisher nur Schweizer Hersteller zugegen sein konnten, bot nicht mehr den optimalen Rahmen. Das sah auch die damalige Basler Messegesellschaft, namentlich deren Vizedirektor Georges Kindhauser, so. Die Messegesellschaft schuf daraufhin zusammen mit einem Messebeirat, in dem die SSRG ein wichtiges Mitglied war, die Internationale Fördertechnik-Messe IFM.

Vom Güterumschlag zur Logistik

Rationeller physischer Güterumschlag allein war anfangs der 70er Jahre längst nicht mehr das zentrale Thema der SSRG. Der technische Fortschritt und vor allem die immer stärker in den Vorder-grund tretende Internationalisierung führten dazu, dass um 1980 in der Wirtschaft immer häufiger der Begriff Logistik für sämtliche Aufgaben des inner- und ausserbetrieblichen Materialflusses verwendet wurde. Zudem liess sich die Verknüpfung mit dem einhergehenden Informationsfluss durch die Integration von Computertechnologien nicht mehr separat betrachten. Mit Logistik wurde fortan der Material- und Informationsfluss im direkten Zusammenhang definiert.

Trotz zunehmender Bekanntheit und stetem Mitgliederwachstum zeigte sich immer öfters, dass der SSRG zum Teil die Hände gebunden waren. Ausserdem mangelte es an Geld für bestimmte Vorhaben. Das alles lag nicht zuletzt an der Rolle, ein Gast der SBB zu sein, obschon in keiner Weise die Absicht bestand, sich von dieser gewählten Einrichtung zu lösen. Da aber die Kostenaufwendungen kontinuierlich anstiegen, wurde dem damaligen Vorstand der SSRG unter dem Präsidium von Pius Wildhaber nahe gelegt, Möglichkeiten einer Eigenständigkeit zu suchen. Anlässlich der Generalversammlung von 1984 wurde die Loslösung von der SBB mit gleichzeitiger Namensänderung in Schweizerische Gesellschaft für Logistik SGL beschlossen und somit auch der neuen Sachgebietsbezeichnung Rechnung getragen.

Peter Dürrenberger wurde in der Folge als neuer SGL-Präsident gewählt, ebenso ein neuer Vorstand. Eine zentrale Aufgabe dieses Gremiums war es, die «neue» Gesellschaft auf kommende Aufgaben und Ziele auszurichten und ihr vor allem als jetzt eigenständigem Wirtschafts- und Fachverband den Weg zu ebnen. So war unter anderem eine wichtige Änderung, statt mittels eines (Vereins-)Sekretariats, wie es bisher in der Zusammenarbeit mit der SBB bestanden hatte, zukünftig die Gesellschaft durch eine eigene Geschäftsstelle zu führen. Eine Massnahme mit gravierender Auswirkung, wie sich erst viel später zeigen sollte, die aber die erfolgreiche Verbandszukunft bedeutete.

Einst mit zahlreichen Praxisdemonstrationen begonnen, rückten zunehmend gezielte Aus- und Weiterbildungen ins Zentrum der Gesellschaftsaufgaben. So konnten 1987 erstmals die durch die SGL erarbeiteten Unterlagen für den durch sie neu geschaffenen und eidgenössisch anerkannten Lageristenberuf präsentiert werden. Zuvor war durch die SGL-Aktivitäten die Staplerfahrer-Ausbildung aktuell geworden, welche heute mehr denn je von Bedeutung ist. Um diese Ausbildungen optimal umzusetzen, wurde 1988 eigens die Tochterorganisation SVBL Schweizerische Vereinigung für Berufsbildung im Lagerwesen gegründet.

Ab etwa 1990 kamen dann weitere logistikrelevante und eidgenössisch anerkannte Ausbildungskonzepte hinzu, wie zum Beispiel der eidg. dipl. Logistikleiter, Logistikfachmann mit EF und der eidg. dipl. Logismatiker. Sie bilden heute eine wichtige Basis für fast alle in der Wirtschaft mit Logistik konfrontierten Ausbildungen; ausgehend von der Berufslehre, erstrecken sie sich über spezifische Weiterbildungen und münden schliesslich in Fachhochschul- und universitäre Abschlüsse.

Die ganz neue SGL

Am 9. September 1992 wurde in Näfels anlässlich der Generalversammlung die Neuorganisation beschlossen, und gleichzeitig trat der erste Leiter der neu errichteten Geschäftsstelle in Bern, Gérard Roux, sein Amt an. Unter seiner Leitung wurden in der Folge viele neue Aufgaben kreiert und in die Realität umgesetzt oder bestehende mit neuen Inhalten versehen. Bezeichnend ist, dass er es verstand, die ursprüngliche, fast nur vom Erfahrungsaustausch lebende Organisation in eine agierende Wirtschaftsplattform für alle Logistik-interessen umzuwandeln. Vieles davon reflektiert sich heute in Kongressen, Workshops, den Arbeitsgruppentätigkeiten, den Aus- und Weiterbildungen sowie zahlreichen durch die SGL initiierten Events. Die SGL wurde und ist es bis heute geblieben Wegbereiter des modernen, organisierten und koordinierten Logistikgedankenguts branchenübergreifend und auch international.

Den SGL-Verantwortlichen ist es in Zusammenarbeit mit dem engagierten Geschäftsleitungsteam gelungen, die neue SGL nicht nur im ersten Gang zu fahren, sondern die gesamte Getriebe- und Schaltpalette zu nutzen. Die SGL hat damit in der Schweizer Wirtschaft eine bedeutende Marktposition und -stärke erreicht. Ohne sie ist manche (Logistik-)Lösung nicht mehr denkbar.

Man kann heute nach 50 Jahren festhalten: Der Werdegang der SGL ist stets von einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geprägt gewesen. Die Gesellschaft ist dadurch jung geblieben. Sie hat aber auch bis heute das Glück gehabt, immer zur richtigen Zeit über begeisterte Initiatoren zu verfügen. Darunter waren viele, die über den berühmten Tellerrand hinausschauen konnten, um aufgegriffene Aufgaben und Probleme in tragfähige Zukunftslösungen umzusetzen.

Man denke nur an die Schaffung der europäischen Dachorganisation ELA (European Logistic Association), die ebenfalls durch engagierte SGL-Führer ins Leben gerufen und bis heute zielgerichtet geführt wurde. Die ELA nimmt heute eine wichtige Position in der internationalen Anerkennung von logistikgetriebenen Systemen und Konzepten ein, bei denen nicht wenige sogar schweizerischen Ursprungs sind.

Die Schweizerische Gesellschaft für Logistik SGL wird hinsichtlich ihrer akribisch erarbeiteten Stärke, Dynamik und mit den stets aktiven Logistikern auch in Zukunft einen wesentlichen Stellenwert in der Wirtschaft einnehmen national und auch über Grenzen hinweg.