Unser Ziel ist der informierte Patient, der Verantwortung für seine eigene Gesundheit übernimmt», erklärt Walter Bechtiger, Vertriebsleiter der Diabetes Care Division von Bayer Schweiz. Diese stellt unter anderem Blutzuckermessgeräte für den Heimgebrauch her. 250000 Diabetiker kontrollieren in der Schweiz ihren Blutzucker selber. Das ermöglicht ihnen, Insulin und Medikamente in Eigenregie optimal zu dosieren, ohne dass sie deswegen ständig einen Arzt aufsuchen müssen. Laut IMS Health wurden im vergangenen Jahr für 46 Mio Fr. Blutzuckermessgeräte in Apotheken und Drogerien verkauft. Nummer eins ist Roche Diagnostics mit einem Marktanteil von 55%, vor Bayer (27%) und Abbott (11%).

Die Qualität der Kleingeräte für die Patienten-Kontrolle ist inzwischen annähernd so gut wie diejenige der x-mal teureren Laborgeräte. Und die Investitionen fürs häufige Messen zu Hause machen sich bezahlt. «Eine um 10% genauere Einstellung bedeutet rund 300 Mio Fr. weniger Kosten für Spätfolgen wie Erblindung, Amputationen und Nierenversagen», skizziert Bechtiger. Die Blutzuckermessung ist das eigentliche Paradebeispiel, dass der Patient zum eigenen Arzt werden kann, wenn das richtige Zubehör verfügbar ist. Für die Hersteller ist dieses Segment, das in der Schweiz jährlich um 10% wächst, deshalb besonders interessant, weil die Zahl der Diabetiker ständig steigt.

*99 Prozent Sicherheit*

Als vor Jahren die ersten Schwangerschaftstests in die Apotheken kamen, war bei den Ärzten die Entrüstung gross. Die Kritik, dass solcherlei nicht in die Hände der Frauen gehöre, wurde aber schnell entkräftet. Zu einfach war die Anwendung.

Heute bieten selbst Coop und Migros den Urintest an, der innerhalb einer Minute mit 99% Sicherheit das richtige Ergebnis liefert. Inzwischen haben sich die Schwangerschaftstests im eigenen Badezimmer mindestens so etabliert wie Blutdruckmesser, auch wenn das Marktvolumen wesentlich bescheidener ist: Für rund 7,2 Mio gingen 2004 Schwangerschaftstests über den Ladentisch. «Käuferinnen sind nicht nur junge Frauen, die eine ungewollte Schwangerschaft befürchten; mindestens so oft testen sich Frauen, die gerne schwanger werden möchten», beobachtet Urs Reinhard von der Adler-Apotheke in Winterthur.

Die Nase vorn bei den Schwangerschaftstests mit über zwei Dritteln Marktanteil hat Clearblue vom englischen Hersteller Unipath Ltd, vor Predictor, einem holländischen Produkt, das von Doetsch Grether in der Schweiz vertrieben wird.

*An der Grenze zu Wellness*

Steigender Nachfrage erfreuen sich auch Blutdruckmesser, die im letzten Jahr für insgesamt 6,3 Mio Fr. direkt an Patienten verkauft wurden. Um das kleine Kuchenstück balgen sich mindestens ein halbes Dutzend Hersteller (A & D, Braun, Hartmann, Microlife, Nissei, Omron). Dabei haben die meisten von ihnen ein Portfolio, das auch Inhalationsgeräte, Thermometer, Körperfettmess- und Massagegeräte umfasst. Das Instrumentarium für die gesundheitliche Selbstverantwortung reicht also heute vom Fieber- bis zum Fettmesser, mit fliessenden Grenzen zwischen Medizin und Wellness.

Unter Fachleuten ist allerdings umstritten, ob alles, was erhältlich ist, auch wirklich in die Hände der Patienten gehört. «Um Blutgerinnungstests - etwa mit dem Messgerät CoaguCheck von Roche - selber vornehmen zu können, muss man geschult sein», sagt Apotheker Reinhard. Auch Allergietests sollten nach seiner Ansicht besser in einer Klinik gemacht werden. Verboten ist in der Schweiz der Verkauf von HIV-Tests, und zwar aus gesundheitspolitischen Gründen. «Sämtliche Tests zur Erkennung von übertragbaren Krankheiten müssen über den Ärztekanal», begründet Isabel Scuntero von Swissmedic. Denn: Die Resultate sind meldepflichtig, damit die Behörden die Gefahr einer Epidemie abschätzen können. Manch einer umgeht allerdings die Vorschriften und ordert den HIV-Test übers Internet direkt aus den USA. Über diesen Kanal ist allerhand erhältlich, was nicht für den Laien bestimmt ist, ob Alzhei-mer-, Hormon- oder Vaterschaftstest. In den USA zirkulieren auch bereits verschiedene Tests für den Hausgebrauch. «Viel sinnvoller ist jedoch ein gründlicher Check-up bei einem Arzt», rät Scuntero.

Trotzdem: Auch bei uns dürften früher oder später Krebs-Früherkennungstests im Laden verkauft werden. Einen ersten Versuch lancierte vor drei Jahren die Vitest AG. Aber deren Verfahren zur Erkennung von Blut im Stuhl - allenfalls ein Indiz für Darmkrebs - wurde von der Ärztelobby bekämpft. Inzwischen hat sich die Firma aus dem Schweizer Markt zurückgezogen. «Wir kämpften gegen Windmühlen», meint ein leicht resignierter CEO Max Schär. Dabei habe man nur bekannte Verfahren, wie sie die Ärzte in ihren Praxislabors schon seit Jahren anwendeten, für den Endverbraucher zur Selbstanwendung modelliert.

Partner-Inhalte