Braucht es je für ein Lehrbuch ein Musterbeispiel für ein sinnvolles Zusammengehen von industriell ausgerichteten Unternehmen, so dürfen die beiden S aus der Zentralschweiz nicht fehlen. Die Übernahme von Sarna durch Sika - vorläufig als Kaufangebot der Sika an die Sarna-Aktionäre zum Preis von 175 Fr. pro Aktie deklariert - macht in vielerlei Hinsicht Sinn, ja drängte sich, wie vom früheren Sarna-Aktionär Tito Tettamanti druckvoll angeregt, geradezu auf:

- Es entsteht mit einem Volumen von über 600 Mio Fr. das umsatzstärkste globale Unternehmen für Abdichtungsfolien (PVC und Thermoplastic-Polyolefine) für Flach- und Steildächer, Tunnels, Schwimmbäder und Spezialanwendungen.

- Das Unternehmen bewegt sich mit hohem Wachstumspotenzial in einem zukunftsträchtigen Geschäft, in dem Renovationen an Bedeutung gewinnen.

- Die beiden Partner ergänzen sich geografisch ideal: Sarna mit der Hausmarke Sarnafil war bisher vor allem in der Schweiz, den USA, in Grossbritannien und in der Aufbauphase in China stark präsent, Sika mit der umsatzmässig nur etwa halb so grossen Sparte Dichtungsbahnen vor allem in Kontinentaleuropa. Sika öffnet mit den 71 eigenen Länderorganisationen der Sarna, die bisher nur in 14 Ländern vertreten war, neue Märkte.

- Unternehmenskultur und Mentalität sind ähnlich, wenn nicht gar deckungsgleich, geprägt durch einen dem Sozialen und der Ethik verpflichteten Führungsstil.

*Die Chemie stimmt*

Im wahrsten Sinne des Wortes stimmt die Chemie auf der Achse Baar-Sarnen. Auch wenn es Fritz Studer, den VR-Präsidenten der Sarna, schmerzt, «ein liebgewonnenes Unternehmen» zu verkaufen. Die Idee eines Zusammengehens sei schon vor einem Jahr andiskutiert worden, bestätigt Sikas VR-Präsident Walter Grüebler, dann allerdings wieder auf Eis gelegt worden, weil Sarna stark mit der Veräusserung der verlustbringenden Automotive-Sparte beschäftigt gewesen sei - und noch ist. In wenigen Tagen hat Sarna diesen Klotz nicht mehr am Bein und alle Bereiche als Autozulieferer devestiert.

*Ein faires Angebot*

Jetzt aber liegt die Offerte von Sika auf dem Tisch: 175 Fr. bietet der Käufer je Sarna-Aktie, miteingeschlossen eine Prämie von 15% gegenüber dem Durchschnitt der Eröffnungskurse der vergangenen 30 Handelstage oder eine Prämie von gar 24,3% gegenüber dem Durchschnitt der Eröffnungskurse der vergangenen sechs Monate. Der VR der Sarna erachtet dieses Angebot als fair und empfiehlt es seinen Aktionären - auch den gewichtigen Investoren Tweedy Browne und Lombard Odier Darier Hentsch Fund Managers - zur Annahme. Ob ein weiterer Bieter auftaucht und die Sika-Offerte übertrifft, ist nicht auszuschliessen, wird aber von beiden Seiten als gering eingeschätzt. Sika würde das Angebot nicht über 175 Fr. pro Aktie hinaus erhöhen.

Von der Börse wird Sarna zwar verschwinden, nicht aber vom Baumarkt. Sarnafil (Umsatz 2004: 379,1 Mio Fr.) führt das Dichtungsbahnengeschäft für Sika als selbstständiger Unternehmensbereich (mit eigenem VR) der Zuger; die Dichtungsbahnenproduktion der Sika wird in jene der Sarnafil integriert und für die Produkte wohl der Begriff Sarnafil-Sika oder etwas Ähnliches gewählt. Vor allem aber erhält der Sarna-Hauptsitz im Obwaldner Kantonshauptort die Rolle als Sika-Kompetenzzentrum zugesprochen. Arbeitsplätze (heute 380) werden deshalb im Sarnafil-Bereich kaum abgebaut, hingegen wird sich Sarna-CEO und VR-Delegierter Matti Paasila nach dem Verkauf der Automotive-Sparte beruflich neu orientieren. Paasila trat 2003 in die Sarna ein. Die entscheidenden Fehler wurden vor seinem Amtsantritt begangen. Schuld an der desolaten Lage der Automotive-Sparte tragen insbesondere Manager in Deutschland.

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