So reagieren die Unternehmen auf Omikron

Omikron überrollt die Schweiz. Die Gesundheitsbehörden gehen davon aus, dass auf dem Höhepunkt der Omikron-Welle 10 bis 15 Prozent der arbeitstätigen Bevölkerung gleichzeitig in Isolation oder in Quarantäne sein werden. Je nachdem, wie stark Unternehmen von Ausfällen infizierter oder von den Bestimmungen betroffener Mitarbeitender gebeutelt werden, gibt es Pläne, um der Lage Herr zu werden. Oder eben nicht. Um kritische Infrastrukturen, den Finanzplatz oder die grossen Lebensmittelhändler muss man sich keine Sorgen machen. Pharma sieht sich für den Omikron-Sturm gerüstet. Und Industriebetriebe haben Notfallpläne in der Schublade. In der Gastronomie sieht es hingegen düster aus. Ein Überblick. Infrastruktur Der Stromnetzbetreiber Swissgrid gibt Entwarnung. Trotz vereinzelten Krankheitsfällen bei Mitarbeitenden in kritischen Funktionen. «Unsere Massnahmen haben zum Ziel, die Mitarbeitenden vor einer Ansteckung zu schützen», sagt Sprecher Kaspar Haffner. Das kann «bis hin zur vorübergehenden Einquartierung von Mitarbeitenden in kritischen Funktionen gehen», um den sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten. Beim Stromversorger Axpo gelten in den Netzleitstellen neben der 3G-Regelung verschärfte Abstandsregeln und eine generelle Maskenpflicht, Plexiglastrennwände, Putzen und Desinfizieren, was das Zeug hält. Plus: «Zutritt hat nur noch das zwingend vor Ort erforderliche Schichtpersonal, das in getrennten Schichten arbeitet», sagt Sprecher Noel Graber. Im Axpo-Kernkraftwerk Beznau (KKB), dessen Personal über eine überdurchschnittlich hohe Impfquote verfügt und vielfach bereits geboostert ist, gilt der bestehende Schichtplan insbesondere für die Operateure der Anlage. Es wurden aber Anpassungen bei der Präsenz vor Ort vorgenommen: «In allen Abteilungen, wo dies möglich ist, müssen nur noch mindestens ein Drittel der Mitarbeitenden vor Ort sein», sagt Graber. Für alle Mitarbeitenden gelten Maskenpflicht, wenn mehr als eine Person in einem Innenraum ist, eine Homeoffice-Pflicht und eine strikte Anweisung, wo immer möglich Sitzungen per Video-Konferenz abzuhalten. Ausserdem sind für das ganze Werk eine Zertifikatspflicht bei Fremdpersonal und eine Meldepflicht bei Corona-Krankheitssymptomen in Kraft. Im KKB werden zudem zweimal pro Woche PCR-Tests im Betrieb durchgeführt, um zu vermeiden, dass das Virus in das Werk geschleppt wird. Mit Blick auf alle möglichen Krisenszenarien hat das KKB gemäss den Notfallplänen für den Worst Case auch die Möglichkeit einer vorübergehenden Unterbringung von Mitarbeitenden direkt am Standort analysiert. Das wäre allerdings erst eines der letzten Mittel zur Vermeidung von Betriebsausfällen. Das Risiko, dass es so weit kommen wird, stuft das KKB angesichts des bisherigen Erfolgs der bereits umgesetzten Schutzmassnahmen als gering ein. Auch in den Wasserkraftwerken der Axpo ist zum aktuellen Zeitpunkt keine solche Kasernierung vorgesehen. Die Wasserkraftwerke verfügen zwar über Notfallunterkünfte, jedoch ist für den Betrieb deutlich weniger Personal erforderlich als bei Kernkraftwerken. Zudem können Unterhaltsarbeiten bei Bedarf auch verschoben werden. Und: Bei gravierendem Personalmangel können sich Wasserkraftwerke gegenseitig aushelfen. Bei der Bahn ist es schon weniger rosig. In der Westschweiz und im Tessin fehlen in diesen Tagen zwischen 10 und 15 Prozent des Personals. In diesen Regionen kann nicht das ganze Bahnangebot gefahren werden. Betroffen sind Verbindungen der SBB-Tochtergesellschaften Lémanis beziehungsweise Tilo. In der Deutschschweiz ist hingegen noch genügend Personal im Einsatz, um alle Züge fahren zu können. Erfahrungen mit der Grippewelle im Jahr 2015 machen Absenzen diesmal voraussehbar und schränken den Betrieb deshalb nicht ein. Sollte es dennoch zu einem Mangel kommen, könnte fahrkundiges Personal aus anderen Stellen ans Steuer, etwa aus dem Kader oder Ausbildner. «Der Ausfall von Zugverbindungen kommt erst als letzte aller Massnahmen infrage», sagt Sprecherin Sabrina Schellenberg. Nicht nur die Bahn, sondern auch die Post bringt allen was. Das soll auch so bleiben, wenn es nach dem gelben Riesen geht: «Aktuell sind die Dienstleistungen nicht eingeschränkt», sagt Post-Sprecher Stefan Dauner. Aber: «Auch wir verzeichnen einen Anstieg.» Grosse Ausfälle von Mitarbeitenden wegen Omikron würde die Post vor grosse Herausforderungen stellen. Die Post hat dafür mehrere Pläne in der Schublade, sowohl für grosse Sortierzentren als auch kleinere Zustellbasen. Die Massnahmen reichen von der internen Jobbörse, sodass Büromitarbeitende die Kollegen und Kolleginnen in den Paket- und Briefzentren verstärken könnten, bis hin zum Verschieben von Mitarbeitenden aus anderen Abteilungen und Standorten. Auch Temporärangestellte sind denkbar. Im allerschlimmsten Fall darf die Post auf Unterstützung vom Zivilschutz hoffen. Und dann wäre da noch die Swisscom als Grundversorger. Weil in diesem Unternehmen überproportional mehr Menschen am Computer arbeiten als im Feld, hilft das Homeoffice über die Omikron-Welle hinweg: Der Anteil jener Mitarbeitenden, die von zu Hause aus arbeiten, liegt bei 80 bis 85 Prozent. «Und die verkürzte Quarantäne- und Isolationsregelung wird nun auch helfen, das Risiko der drohenden Ausfälle zu entschärfen», sagt Swisscom-Sprecher Sepp Huber. Wo es mehr direkten Kontakt gibt, ist in den Swisscom-Shops und beim Technik-Aussendienst, wie in der Tochtergesellschaft Cablex. Wenn physisch anwesendes Personal nötig ist, besonders an Schlüsselstellen, dann setzt die Swisscom auf eine sogenannte Split Operation, damit nie alle Leute gleichzeitig vor Ort sind. Das heisst: Schichtbetrieb rund um die Uhr, etwa in den Netzsteuerungszentralen in Zürich und Bern. Pharma Big Pharma steht vergleichsweise gut da. «Wir haben bisher nur wenige durch Corona bedingte Ausfälle in der Forschung und Produktion», sagt Roche-Sprecher Karsten Kleine. Die Ausfälle der Mitarbeitenden könne man gut durch Krankheitsvertretungen abdecken, sodass es zu keinem Unterbruch in der Forschung, in der Produktion und im Geschäftsverlauf komme. Darüber hinaus gilt bei Roche eine allgemeine Homeoffice-Pflicht. Bei Novartis sind heikle Bereiche wie Labortätigkeiten und Produktion sowie andere für die tägliche Leistung zuständige Bereiche stärker im Fokus als Bereiche, bei welchen auch in Quarantäne vom Homeoffice aus gearbeitet werden kann. Man beobachte derzeit «zahlreiche krankheitsbedingte Abwesenheiten». Diese hätten aber bisher keine negativen Auswirkungen auf die geschäftlichen Tätigkeiten. Wenn es zu Mitarbeiterausfällen kommt, «müssen bei Bedarf notwendige Priorisierungen getroffen werden». Ansonsten gilt ähnlich wie bei Roche, dass für die Mehrheit der Angestellten Homeoffice auch in der Quarantäne möglich ist. «In allen anderen Bereichen sehen wir zurzeit noch keine Annäherung an kritische Absenzenraten», sagt Novartis-Sprecher Satoshi Sugimoto. Galenica, Lieferant von Arzneimitteln an Apotheken, Spitäler und Arztpraxen, profitiert in diesen schwierigen Zeiten von den Impfkampagnen und der Sensibilisierung auf den Schutz vor Ansteckungen während der Grippewelle im Jahr 2015. Zwar fallen derzeit 5 Prozent der Angestellten wegen Corona aus. Weil aber frühzeitig geimpft und geboostert wurde, ist der Ausfall verkraftbar. Sollte es doch noch dicker kommen, müssen bei Engpässen die Leute vom Büro im Lager mithelfen. Fällt ein Distributionszentrum aus, wird es durch ein anderes kompensiert. Und wenn in zirka zwei Wochen ein neuer Höhepunkt bei den Infektionszahlen erreicht werden sollte, dann könnte eine Taskforce, die sich täglich trifft, schnell Massnahmen ergreifen. «Derzeit fällt keine unserer Leistungen aus», sagt Sprecher Andreas Petrosino. Industrie Während bei Galenica 5 Prozent der Belegschaft ausfallen, ist es bei Siemens Schweiz derzeit nur 1 Prozent. Rund 60 Personen wurden positiv getestet. Aber: «Wir merken, dass auch bei uns die Corona-Ansteckungen zunehmen», sagt Siemens-Schweiz-Sprecher Bruno Estermann. Bewältigbar wären Ausfälle bis zu 30 Prozent. Dort ist man noch lange nicht. Sehr viele Mitarbeitende arbeiten von zu Hause aus. Und die meisten Service-Aktivitäten können verschoben werden. Gehen die Infektionszahlen aber weiterhin so stark nach oben, hat Siemens in der Schweiz eine Triage vorgesehen und die kritischen und wichtigen Infrastrukturen definiert. «Entsprechend werden die Fachleute dort eingesetzt, falls es tatsächlich zu sehr grossen Personalausfällen kommt», sagt Estermann. Zudem wurden Ausfallszenarien für die Schweiz entwickelt. In kritischen Fällen könnte Siemens Schweiz auf globale Dienstleistungen der Siemens AG zurückgreifen. Homeoffice allerorts – so auch beim Industriekonzern ABB. Das Unternehmen registriert vermehrt Absenzen, aber ohne wesentliche Einschränkungen. «Zu Produktionsunterbrüchen ist es bislang nicht gekommen», sagt ABB-Sprecher Daniel Smith. Der Konzern trifft dennoch Vorkehrungen. Für den Betrieb werden kritische Teams aufgeteilt, um Ausfällen vorzubeugen. Impfungen empfiehlt ABB seinen Mitarbeitenden weiterhin proaktiv über Intranet und Webinare. Eine genaue Übersicht darüber, wie viele Ausfälle der Elektrotechnik-Anbieter Burkhalter hat, gibt es nicht. «Prozentual so viele, wie alle anderen Betriebe auch», sagt Firmenchef Zeno Böhm. Was momentan helfe, den Engpass zu überwinden, sei die Winterpause: Auf den Baustellen ruht die Arbeit. Kritisch ist bei Burkhalter hingegen der Betrieb von Rechenzentren. «Doch viele dieser Überwachungsarbeiten können von zu Hause aus gemacht werden.» So viel zum derzeitigen Stand der Dinge. Für den Peak in wenigen Wochen stockt Burkhalter sämtliche Teams auf: «Auf zehn Leute kommen ein bis zwei zusätzlich hinzu», sagt Böhm, «wir überplanen den Sollbestand.» Zudem gibt es für alle Funktionen eine Stellvertretung – das wichtigste Learning aus der Grippewelle 2015. Banken und Lebensmittelhändler Keine Sorgen machen muss man sich offenbar um den Finanzplatz und die Lebensmittelversorgung. Bei Migros und Coop helfen Massnahmenpläne und Schutzkonzepte, die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Sollte Not am Mann sein, werden Mitarbeitende in die relevanten Bereiche verschoben beziehungsweise hilft man sich gegenseitig aus. Alarmstimmung herrscht bei beiden nicht. Auch nicht beim Discounter Denner: «Bei absehbaren Engpässen können sich die Standorte dank unserem dichten Filialnetz untereinander aushelfen», sagt Denner-Sprecherin Nadja Hauser. Sollte es doch noch eng werden, könnte Denner auf Temporär-Arbeitskräfte setzen, welche der Discounter über die Plattform Coople rekrutiert. Die UBS hat noch keine signifikanten Engpässe und setzt auf Homeoffice. Man habe aber Vorkehrungen getroffen. Die Börse SIX auch: Wo physische Präsenz vor Ort nötig ist, arbeiten die Mitarbeitenden örtlich getrennt und innerhalb der Teams strikte aufgeteilt. Für den Fall, dass Mitarbeitende ausfallen, gibt es Pläne für die Fortsetzung des Betriebs über vier Wochen. «Heikel wird es dann, wenn wir in dieser Zeitspanne keine Umgehungslösungen schaffen können», sagt SIX-Sprecher Jürg Schneider. Gastronomie Das grosse Sorgenkind ist die Gastronomie. In diesem Sektor rumpelt es gewaltig. Wenn Homeoffice ein Segen für die meisten Betriebe in der Schweiz ist, trifft auf die Beizer genau das Gegenteil zu. Geht kaum jemand ins Büro, dann verkaufen die Lokale weniger. Gastronom Michel Péclard (Pumpstation, Fischer’s Fritz) setzt derzeit in seinen 14 Betrieben etwa so viel um, wie sonst in einem. «Es wäre eigentlich sinnvoller, die Betriebe zu schliessen», sagt er. Am Dienstag war Krisensitzung: Die Schliessungen mehrerer Lokale von Péclard stehen im Raum. Dass die Quarantäne immerhin verkürzt wurde, begeistert Péclard auch nicht: «Das ist einfach ein Desaster. Wenigstens sind es jetzt nur noch fünf Tage.» Unglücklich über die Quarantäne- und Isolationsregeln ist auch der Luzerner Gastrokönig Samuel Vörös von der Firma Schatz. «Die Regeln für die Quarantäne und die Isolation sind für uns wirtschaftlich ein grosses Problem. Bei der Grippe 2015 kamen die Mitarbeitenden viel früher zurück, es sind ganz andere Dimensionen.» Seit Weihnachten habe sich die Situation komplett verändert. «Vorher waren es nur Einzelfälle, nun fallen reihenweise Leute aus.» Vier Personen pro Tag sind es etwa bei Gastronom Manuel Wiesner, welche sich in Isolation aufgrund eines positiven Falles begeben müssen. Er führt Betriebe wie die Asialokale Nooch und Negishi. Die Isolation betrifft Köche, Kuriere und Kader. Und natürlich auch die Gäste. Eine Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage ist für Wiesner da schon hilfreich.