Wir erhielten eine Steuerbefreiung für fünf Jahre plus Subventionen.» So begründet Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher ihren Standortentscheid für Taiwan, wo Ems eine Polymere-Werkstoff-Anlage aufbaut. Was zählte, waren finanzielle Anreize. Genauso dürfte es ausländischen Konzernen in der Schweiz gehen. Allerdings ist der Vorsprung der Schweiz bei Unternehmenssteuersätzen in den letzten Jahren nicht zuletzt unter dem Druck von Irland und den neuen EU-Ländern geschrumpft. «In der Schweiz beträgt der Steuersatz für Firmen nur 17%, verglichen mit 51% in Paris», sagt Hans Peter Hasler, Vizepräsident des US-Biotechkonzern Biogen Idec, welcher 2004 den internationalen Hauptsitz von Paris nach Zug verlegte.

Während in Konkurrenzländern wie Österreich und Irland Konzerne vermehrt mit individuellen Steuermodellen umworben werden, steht in der Schweiz das wichtigste Instrument zur steuerlichen Unterstützung von Einzelbetrieben, der Bundesbeschluss zu Gunsten wirtschaftlicher Erneuerungsgebiete (BWE) oder Bonny-Beschluss, zur Debatte (siehe Kasten). Angeheizt wird diese, seit bekannt wurde, dass der US-Konzern Amgen mit Steuergeschenken ins wirtschaftsschwache Galmiz im Kanton Freiburg gelockt werden soll. Er wäre aber bei weitem nicht der erste ausländische Konzern, der ein Steuerzückerchen erhalten würde.

*Investitionen von 2,8 Milliarden*

Zwischen 1996 und 2003 haben 286 Unternehmen innerhalb des Bonny-Beschlusses von Steuererleichterungen oder -erlassen profitiert. Gemäss einer Studie des Beratungsbüros Infras belaufen sich die entgangenen Erträge bei den Bundessteuern in dieser Periode auf 110 bis 180 Mio Fr. Die Steuerausfälle auf Kantonsebene betragen mindestens nochmals so viel. «Den Bonny-Kantonen dürften die Ausfälle aber egal sein, weil die zusätzlich generierten Steuern durch die neuen Unternehmen die in der Höhe vom Kanton gewährten Steuererleichterungen übertreffen», sagt Thomas von Stokar, Geschäftsleitungsmitglied von Infras.

Die von den Bonny-Firmen ausgelösten Investitionen von 2,8 Mrd Fr. in der Berichtsperiode korrelieren mit der Höhe der Steuererleichterungen und sind im Kanton mit den meisten Steuergeschenken, Neuenburg, entsprechend am höchsten (siehe Grafik). Unter dem Strich wurden durch Bonny-Projekte 4700 Arbeitsplätze geschaffen.

Zwar gibt es kein Unternehmen, das seinen Steuererlass an die grosse Glocke hängt. Doch eine Umfrage von Infras ergab: In die BWE-Regionen sind ein Drittel der Unternehmen wegen Bonny gekommen. Weiter gelten bei den befragten Firmen die BWE-Erleichterungen nach der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte als zweitwichtigster Faktor, um die Investitionen in der Region zu realisieren.

Was das Instrument für einen Bonny-Kanton bedeutet, zeigt das Beispiel des Kantons Schaffhausen, der die letzten Jahre ausländische Multis wie Wal-Mart und Timberlake anlockte. Thomas Holenstein, der kantonale Delegierte für Wirtschaftsförderung, sagt: «Im Kanton Schaffhausen sind seit 1998 etwa 180 juristische Personen angesiedelt worden, davon profitieren zurzeit elf vom Bonny-Beschluss.» Angesichts des internationalen Steuerwettbewerbs sei es eine Illusion zu glauben, die Schweiz könne beim Ansiedeln von ausländischen Unternehmen auf einzelne Steuererleichterungen verzichten. Im Gegensatz zu Irland gebe es etwa in Deutschland zwar keine Steuererleichterungen für Firmen. Doch Schaffhausen habe beispielsweise kürzlich das Rennen um eine Produktionsfirma mit 250 Stellen an Deutschland verloren - die Deutschen hätten mit 30 Mio Euro Subventionen gelockt.

*Keine Garantien*

Als wichtiges Instrument für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz gilt der BWE auch beim Wirtschaftsförderer des Kantons Bern, Denis Grisel. Die Firmen, die zum Zug kommen wollten, müssten aber nachweisen, dass sie das eingesparte Geld reinvestierten. «Wir haben keine Garantien, dass solche Firmen hier bleiben oder überleben. Doch viele der Ansiedlungen sind nach 20 Jahren nach wie vor im Kanton Bern und investieren weiterhin», sagt er.

Ein unrühmliches Beispiel: Profitiert und dann nach Ende der Steuerbefreiung wieder aus dem Kanton Neuenburg abgewandert, ist der US-Konzern Silicon Graphics. «Um zu verhindern, dass die Firmen, die von Erleichterungen profitieren, die Planzahlen nicht erfüllen, befristen wir die Erleichterungen fallweise auf fünf Jahre und verlängern sie erst nach einer Überprüfung um weitere fünf Jahre», sagt Eric Scheidegger vom Seco.

Während der Kanton St. Gallen auch mit «tax holidays» wirbt, zeigt sich der Nicht-Bonny-Kanton Zürich Steuergeschenken abgeneigt - die Zürcher haben seit 1999 weniger als zehn Firmen Erleichterungen gegeben. «Mit befristeten Steuergeschenken zieht man Firmen nicht an Land», heisst es beim Amt für Wirtschaft und Arbeit.

Noch strikter gibt sich der Tiefsteuerkanton Zug: «Obwohl im Kanton Zug Steuererleichterungen möglich sind, wurden bisher alle Gesuche abgewiesen», sagt Bernhard Neidhart, Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit. Wie stark die Firmen die Steuern gewichteten, sei individuell. Klar sei, dass für kurz- und mittelfristig denkende Firmen Steuergeschenke sehr wohl das Kippargument sein könnten.

«Die Rechnung ist aus Sicht der Nicht-Bonny-Kantone ungünstig», sagt Infras-Experte von Stokar. Jährlich gehe ihnen durch den BWE ein zweistelliger Millionenbetrag an Bonny-Kantone verloren.

Das Fazit der Infras-Studie: Der BWE hat bisher kaum zu einer langfristigen, sich selbst verstärkenden wirtschaftlichen Dynamik beigetragen. Bund und Kantone haben jeden über den BWE geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplatz mit 23000 Fr. unterstützt. Damit liegt die Kostenwirksamkeit des BWE im Rahmen vergleichbarer Programme des Europäischen Strukturfonds in den Nachbarländern. Bei der Förderpolitik der EU werden jedoch deutlich mehr Mittel zur Erfolgskontrolle eingesetzt.

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