Es ist Sommer 2020, und die Schweiz ist ein kleines Steuerparadies: Zug, Luzern und Glarus bieten Unternehmen fast konkurrenzlos tiefe Steuersätze. In Europa haben nur einige osteuropäische Staaten und die britischen Kanalinseln noch günstigere Konditionen – der grosse Rivale Irland ist etwa auf dem gleichen Niveau.

Stand heute hat die Schweiz also beste Voraussetzungen, internationale Unternehmen mit tiefen Steuern anzulocken.

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Doch dieser Vorteil könnte schon bald an Bedeutung verlieren. Die internationalen Regeln für die Firmenbesteuerung werden gerade neu geschrieben – und die Schweiz wird darunter zu leiden haben.

Viele Kantone senkten ihre Steuern

Doch zuerst einmal der beruhigende Blick auf den Status quo: Die Schweiz hat ihre Position im Steuerwettbewerb gegenüber dem Vorjahr gestärkt, viele Kantone senkten ihre Steuern oder gleisten Senkungen auf. Das verdeutlicht der «Swiss Tax Report» 2020 der Beratungsfirma KPMG.

Bekanntlich votierte das Stimmvolk letztes Jahr für eine Steuerreform. Die Kantone dürfen Unternehmen nicht mehr unterschiedlich – «privilegiert» – besteuern. Um dennoch attraktiv zu bleiben, mussten die Kantone reagieren. Viel tiefer würden die Steuern nun nicht mehr fallen, sagt KPMG.

Die Schweiz änderte ihre Steuerpraxis, um sich international aus der Kritik zu nehmen. Der Druck aus dem Ausland nahm dadurch aber nicht ab – im Gegenteil. Die tiefen Schweizer Sätze missfallen grossen europäischen Ländern weiterhin, sagt Peter Uebelhart, Partner bei KPMG Schweiz. «Das Gefälle zur Schweiz ist ihnen ein Dorn im Auge. Man sucht nach Methoden, wie man das aushebeln kann.»

Die OECD will Steuern neu verteilen

Die Methode wurde bereits gefunden und heisst etwas sperrig «Beps 2.0»: Unter diesem Namen plant die internationale Staatengemeinschaft eine Neuordnung der Steuerregeln, unter Obhut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Das Projekt ist kompliziert und hat vor allem zwei Stossrichtungen: Konzerne mit mehr als 750 Milliarden Euro Umsatz sollen anders besteuert werden. Verkürzt gesagt sollen sie dort die Abgaben zahlen, wo sie ihre Kunden haben. Das Vorhaben zielt vor allem auf US-Tech-Konzerne wie Google ab. Zweiter Pfeiler des Projekts ist eine globale Mindestbesteuerung.

Beide Elemente könnten der Schweiz schaden, glaubt KPMG. Finanzminister Ueli Mauerer wagte letztes Jahr bereits eine Schätzung: Der Schweiz drohten Steuerausfälle von jährlich bis zu 5 Milliarden Franken.

Ursprünglich sollte das Reformvorhaben Ende Jahr beschlossen werden. Doch nun sperren sich die USA dagegen, weil sie ihre Tech-Firmen schützen wollen. «Die USA spielen auf Zeit», sagt KPMG-Experte Peter Uebelhart.

Die Alternative zum Deal? Ein Wildwuchs

Die Schweiz kann sich dennoch nicht in Sicherheit wiegen. Denn sollte kein globaler Deal zustande kommen, würden einzelne Staaten einfach eigene Steuerregeln beschliessen. Wegen der Covid-19-Krise seien die Staaten auf der Suche nach neuen Einnahmen. «Der Druck ist gestiegen. Wenn es zu keiner globalen Einigung kommt, wird es einen Wildwuchs geben», so Peter Uebelhart.

Das Beratungsunternehmen empfiehlt der Schweiz deshalb dringend, auf andere Standortfaktoren als nur tiefe Steuersätze zu setzen – und mit guten Rahmenbedingungen bei Unternehmen zu punkten.

KPMG zählt hier bekannte Argumente auf: Die Schweiz biete gut qualifizierte Arbeitskräfte und Rechtssicherheit, habe innovative Hochschulen und effiziente Behörden und offeriere eine hohe Lebensqualität. Diese Qualitäten gelte es zu pflegen und zu verbessern. Ob Firmen wegen solcher schwer messbaren Faktoren auch eine höhere Steuerrechnung in Kauf nehmen, wird sich weisen müssen.