Das Schema hätte gute Chancen gehabt, im neuen Buch «Die wirrsten Grafiken der Welt» erwähnt zu werden. Dabei wollte Georg von Schnurbein im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts nichts anderes zeigen als die Vielfalt der schweizerischen Stiftungslandschaft, für den wissenschaftlichen Assistenten am Verbandsmanagement Institut (VMI) in Freiburg ein «einmaliges Phänomen». Denn in der Schweiz gibt es insgesamt 20488 registrierte Stiftungen. Davon sind die Hälfte klassische Stiftungen, die andere Hälfte Personalvorsorgestiftungen.

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Diese Landschaft ist nicht nur vielfältig, sondern auch verschlossen: Umfassendes Datenmaterial gibt es nicht, weshalb sich die Grösse des schweizerischen Stiftungssektors gemäss von Schnurbein «nur sehr schwer und ungenau abschätzen» lässt. Kirchliche und Familienstiftungen müssen nicht registriert werden, und je nach Tätigkeitsfeld sind die Stiftungen der eidgenössischen, kantonalen oder kommunalen Aufsicht unterstellt.

Rudimentäres Stiftungsrecht

Für Anonymität und Schutz vor der Öffentlichkeit sorgte ein nur rudimentär ausgebildetes Stiftungsrecht. Entsprechend ruhig blieb es in der Stiftungslandschaft. Kontrolleure und Kontrollierte pflegten ein Vertrauensverhältnis kein Wunder, da sich die Aufsicht weniger aufgrund einer klar umschriebenen gesetzlichen Grundlage als vielmehr in langjähriger Praxis entwickelte.

Es entsprach denn auch guter Schweizer Tradition und gleichzeitig dem im Jahr 2000 herrschenden Trend, dass der freisinnige Glarner Ständerat Fritz Schiesser das eh schon sehr liberale Stiftungsrecht noch weiter liberalisieren wollte, ohne dass gleichzeitig auch die Aufsicht den veränderten Verhältnissen angepasst würde. Die Mittel des Staates für Bildung, Forschung und soziale Ausgaben würden immer knapper, weshalb man zu deren Finanzierung die in jüngster Zeit stark gewachsenen privaten Vermögen heranziehen müsse, begründete Schiesser seine Parlamentarische Initiative.

Höhere Steuerabzüge sowie mehr Freiheiten für den Stifter im Umgang mit der Stiftung und dem Vermögen sollten nach Schiessers Meinung dem Stiftungswesen in der Schweiz neuen Aufschwung verleihen. Als Gegengeschäft dazu verlangte er die Einführung eines Revisionsstellenobligatoriums für Stiftungen.

Schiessers Forderungen sorgten für Unruhe. Die Arbeitsgemeinschaft für gemeinnützige Stiftungen (Ages), die heute unter dem neuen Namen proFonds 280 Mitglieder zählt, und der von 20 grossen Vergabestiftungen gegründete Verein Swissfoundations begrüssten zwar die Bestrebungen, die Errichtung und Unterstützung von Stiftungen in der Schweiz noch attraktiver zu machen, drängten aber aus Angst vor Missbräuchen auf die Beibehaltung der geltenden Regelungen also kein Recht zum Widerruf einer Stiftung durch und zur Rückübertragung des Stiftungsvermögens an den Stifter.

Interessant ist nun primär nicht, dass demnächst ein ab-gespeckter Entwurf in den Ständerat kommt, der die meisten Einwände von proFonds und Swissfoundations berücksichtigt. Auffallend ist vielmehr der Kultur- und Wertewandel innerhalb der Stiftungen selber, die als Betroffene namentlich im Bereich der Aufsicht und der Kontrolle um einiges weiter gehen wollen als die Politik.

Hier wird zwar immer wieder vor allem negativen Entwicklungen wie zum Beispiel in der Paraplegikerstiftung nach verbesserter Aufsicht und ver-stärkter Kontrolle gerufen. Im Rampenlicht der Kritik steht dabei regelmässig die Eidge-nössische Stiftungsaufsicht, die mit sieben Fachpersonen die Jahresberichte, Rechnungen und Revisionsberichte von rund 2000 Stiftungen kontrollieren muss. Mehr als Stichproben liegen da kaum drin. «Wir kennen die Problematik», sagt Aufsichts-Leiter Bruno Ferrari-Visca, «doch könnte man auch mit mehr Personal kaum mehr Missbräuche verhindern.» Stattdessen setzt er lieber auf Vertrauen und die Erfahrung einer langen Praxis, die immer wieder durch Gerichtsentscheide abgestützt wird.

Namentlich die grossen Stif-tungen wollen jedoch mehr: Die steuerliche Begünstigung von Stiftungen rechtfertige sich nur, wenn diese ihr Potenzial für die Öffentlichkeit tatsächlich wirksam machen, schreibt Swissfoundations. Es sollte deshalb sichergestellt werden, «dass Stiftungen der ihnen vorgegebenen Zielsetzung nachkommen, das heisst ihre Erträge in einem angemessenen Umfang regelmässig ausschütten». Damit Stiftungen ihre Gelder nicht horten, postuliert der Verein analog zu vergleichbaren Ausschüttungsgeboten in Deutschland und den USA, dass die Mittel für den Stiftungszweck «zeitnah» verwendet werden.

Keine Lust aufKlarere Vorschriften

Was die Stiftungen fordern, ist nach Bruno Ferrari jedoch schon ständige Praxis: «Wenn eine Stiftung jahrelang untätig ist, greifen wir oder die Steuerbehörden ein, da so genannte Thesaurus-Stiftungen verboten sind.» Er sieht da also keine Notwendigkeit, irgendwelche Vorschriften zu machen.

Eine eigenartige Situation: Da wollen gerade die einflussreichen Stiftungen im Zuge einer verstärkten Foundation Governance und Professionalisierung mehr Transparenz und klarere Vorschriften. Auf der Seite von Politik und Verwaltung ist jedoch kaum jemand da, der diesen Ball aufnimmt.



Stiftungen: Weniger Erträge und Geld für Projekte

Den Stiftungen vorschreiben, in welcher Höhe sie Ausschüttungen machen müssen?» Die Frage (siehe Hauptartikel) beantwortet Bruno Ferrari-Visca, Leiter der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht, mit einer Gegenfrage: «Wie können wir einer Stiftung helfen, die als Folge der Krise auf dem Aktien- und Finanzmarkt zu wenig Erträge hat, um ihren Stiftungszweck zu erfüllen, und dafür einen Teil des Grundkapitals verwenden müsste, was ihr aber gemäss Urkunde nicht erlaubt ist?»

Damit ist angesprochen, was sich weltweit für viele Stiftungen seit 1992 zur Herausforderung Nummer eins entwickelt hat ihre kritische Ertragslage. Allerdings ist es sehr schwierig, ein allgemeines Bild der Situation zu zeichnen, da nach den Worten von Benno Schubiger, Präsident von Swissfoundations, jede Stiftung je nach Zusammensetzung ihres Portefeuilles anders betroffen ist.

Die Sophie-und-Karl-Binding-Stiftung beispielsweise, in der Schubiger als Geschäftsführer tätig ist, hat 30% ihres Kapitals in Immobilien und 40% in festverzinslichen Wertpapieren angelegt, den Rest in Aktien. Diese eher konservative Anlagestrategie erlaubt es ihr nun, mit den Erträgen aus Liegenschaften und Festverzinslichen weiterhin beinahe im bisherigen Rahmen von rund 3 Mio Fr. Projekte zu finanzieren. Schubiger: «Stiftungen müssen gerade dann aktiv bleiben, wenn das Bedürfnis nach Unterstützung und Förderung am grössten ist.»

Christoph Degen, Geschäftsführer des schweizerischen Dachverbandes der gemeinnützigen Stiftungen proFonds, lobt in diesem Zusammenhang die gute Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht. «Wir können von Glück reden, dass die Aufsicht in unserem Land sehr pragmatisch vorgeht und dabei hilft, das Stiftungskapital auf die Dauer zu erhalten.» So sei es durchaus auch möglich und sinnvoll, Erträge für eine gewisse Zeit zurückzubehalten, um so Mittel für die Finanzierung eines grösseren Projekts bereitzustellen. (syn)

Nachgefragt

«Viele Stiftungen springen ungern in staatliche Lücken»

Bruno SchubigerDer Präsident des Vereins Swissfoundations zur Rolle der Stiftungen und möglichen Partnern.

Der Staat hat weniger Geld und kann gewisse Aufgaben nicht mehr erfüllen. Hat das Auswir-kungen auf die Stiftungen?

Benno Schubiger:Nachdem sich ums Jahr 2000 eine gewisse Stabilisierung bei den Gesuchen abgezeichnet hatte, nimmt deren Zahl jetzt spürbar zu.

Gibt es in der Folge mehr Bewilligungen?

Schubiger:Nein. Es wäre zwar wünschenswert, wenn sich die Stiftungen in schwierigen Zei-ten, wie wir sie heute erleben, antizyklisch verhalten könnten. Leider sind viele Stiftungen dazu nicht in der Lage, weil ihre Finanzmittel angesichts der Börsenbaisse eher abgenommen haben. Die Folge: Es müssen mehr Gesuche abgelehnt werden.

Gefällt den Stiftungen die Rolle des Lückenbüssers?

Schubiger:Es wird tatsächlich vermehrt argumentiert, Stif-tungen müssten in die Lücke springen, wenn der Staat Mühe habe, seine Aufgaben wahrzunehmen. Bei Projekten und Aufgaben jedoch, die nach herrschendem gesellschaftspolitischem Verständnis eindeutig oder hauptsächlich eine staatliche Sache sind, springen viele Stiftungen noch nicht oder nur ungern ein.

Wird sich das ändern?

Schubiger:Sollte es bei den Stiftungsmitteln künftig eine höhere Steuerbefreiungsquote geben, werden die Stiftungen bis zu einem gewissen Masse umdenken. Sie schalten ja auch nicht grundsätzlich auf stur, sondern stehen häufig einer Private Public Partnership offen gegenüber.

Was heisst das konkret?

Schubiger:Stiftungen wollen ja grundsätzlich ihren Zweck erfüllen, indem sie gute Projekte realisieren. Dazu arbeiten sie, wenn es sich anbietet, mit staatlichen Instanzen zusammen.

Können Sie Beispiele nennen?

Schubiger:Die Jacobs Founda-tion realisiert ihr Projekt «moving Alps» mit Regierungsvertretern der betroffenen Bergkantone, die Binding-Stiftung arbeitet im Rahmen einer mehrjährigen Kooperation mit zwei öffentlichen Bühnen zusammen und organisiert mit dem Théâtre Vidy-Lausanne und dem Schauspielhaus Zürich unter dem Label «TransHelvetia» einen Theateraustausch über die Sprachgrenzen hinweg.

Interview: Synes Ernst