Das Errichten von Stiftungen in der Schweiz ist beliebt. Bald werden die Anreize noch grösser. Wenn das vom Bundesparlament abgesegnete neue Stiftungsrecht in Kraft tritt, wird es mit den gemeinnützigen Institutionen weiter aufwärts gehen. Jeder darf künftig bei der direkten Bundessteuer die Zahlungen an Stiftungen zu 20% statt wie bisher zu 10% von seinem Einkommen abziehen, bei den Kantonssteuern sind gar bis 100% möglich. Auch ausländische Mäzene verlegen Gelder gerne in die Schweiz wie dies etwa Metro-Besitzer Otto Beisheim demonstriert. Umgekehrt hat Stephan Schmidheiny seinen mit 1 Mrd Fr. dotierten Viva Trust nach angelsächsischem Recht in Lateinamerika errichtet. Dort können die Mittel wirtschaftlich eingesetzt werden, worauf die Erträge via schweizerische Avina-Stiftung einem gemeinnützigen Zweck zufliessen.

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20000 Stiftungen

«Eine liberale Gesetzgebung nützt der Schweiz», sagt Professor Robert Purtschert, der als Direktor des Verbandsmanagement-Instituts an der Universität Freiburg die Stiftungsszene bestens kennt. Knapp 20000 Stiftungen sind registriert, die nach Schätzungen der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht ein Vermögen von rund 30 Mrd Fr. verwalten und davon jährlich 1 Mrd Fr. ausschütten.

Allein im letzten Jahr sind gegen 500 Stiftungen dazugekommen. In Zeiten, in denen der Staat den Gürtel enger schnallen muss, ist dies ein positiver Aspekt. Mehr Unternehmer oder reiche Privatpersonen können ihre Gelder damit einem kulturellen oder philanthropischen Projekt zuleiten. Purtschert warnt aber vor Übertreibungen. So würden oft Vereine in Stiftungen umgewandelt, weil sie leichter zu führen seien. Während die Geschäftsführung bei einem Verein von einem manchmal unbequemen Vorstand kontrolliert wird, tendieren machtbewusste Stiftungslenker dazu, die Exekutive und Legislative in einer Person zu vereinen.

Allerdings fällt es vielen gemeinnützigen Institutionen schwer, genügend Stiftungsräte zu rekrutieren. Das gilt weniger für die 8600 Personalvorsorge-Stiftungen, die einem klaren Zweck dienen. Demgegenüber sind einige der übrigen 11000 Stiftungen negativ in die Schlagzeilen geraten. So hat etwa die Solothurner Pro Facile in riskante Hedge-Fonds investiert, viel Geld verspielt, und Ständerätin Anita Fetz wegen umstrittener Wahlkampfzuwendungen in ein schiefes Licht gesetzt. Früher schon wurden Unregelmässigkeiten bei den Sozialwerken von Obdachlosenpfarrer Ernst Sieber publik, und massive Vorwürfe handelten sich auch die Berghilfe, Pro Helvetia oder die Paraplegiker-Stiftung von Nationalrat Guido Zäch ein.

Die Kritik richtet sich ganz allgemein gegen zu wenig Transparenz. Unter dem Schleier der Verschwiegenheit fällt es manchen Verantwortlichen leicht, eingegangene Spenden ihrem Zweck zu entfremden oder Gelder falsch anzulegen. Die Stiftung Zewo für Lauterkeit im Spendenwesen vergibt ihre Gütesiegel jetzt nur noch an gemeinnützige Institutionen, wenn sich diese zur Rechnungslegung gemäss Swiss Gaap FER verpflichten.

Stiftungen, die sich auf das Spendensammeln konzentrieren, operieren in einem gesättigten Markt. Diese ideellen Organisationen sind zu einem guten Teil auf freiwillige Helfer angewiesen. Experten schätzen diese Zeitspenden auf jährlich etwa 10 Mrd Fr. ein. Damit wird auch die volkswirtschaftliche Bedeutung aller Non-Profit-Organisationen ersichtlich: Knapp 110000 Beschäftigte tragen 2% zum Bruttoinlandprodukt bei. Allerdings sind nicht alle Stiftungen gleich personalintensiv. Nebst den spendensammelnden Institutionen gibt es tausende von Rechtseinheiten, die sich auf ein mehr oder minder grosses Stiftervermögen stützen. Gerade in diesem Sektor aber ortet Purtschert ein Governance-Problem. Wird von diesen finanziellen Mitteln längere Zeit nichts ausgeschüttet, kann die hochgelobte dritte Kraft im Staate ihre Wirkung nicht entfalten. «Eine Stiftung darf nicht einfach nur Geld horten», sagt Christoph Degen, Geschäftsführer von Profonds, dem Dachverband gemeinnütziger Stiftungen in der Schweiz. Ob dem auch nachgelebt wird, steht jedoch in den Sternen. Allein auf Bundesebene gibt es 2000 eingetragene Stiftungen, die von gut einem halben Dutzend Beamten kontrolliert werden.

Laisser-faire bringt Standortvorteile

In den USA schreibt das Stiftungsrecht eine Ausschüttung zwingend vor. Was in einem Jahr eingenommen wird, ist in der gleichen Periode auszuzahlen. Auch Deutschland kennt eine straffe Abgabeverordnung. Das ist mit ein Grund, weshalb das nördliche Nachbarland trotz zehnmal mehr Einwohnern gleich viele Stiftungen zählt wie die Schweiz. Deutsche Stiftungen dürfen maximal ein Drittel zurückbehalten, der Rest muss verteilt werden. In der schweizerischen Stiftungsszene macht Degen viel Pragmatismus aus: «Dieses Laisser- faire hat uns erhebliche Standortvorteile eingetragen.»

Der Basler Rechtsanwalt sieht die Steuerbefreiung als wichtigen Eckpfeiler für die gemeinnützigen Stiftungen. Überdies würden sich parallel zum neuen Stiftungsrecht auch wesentliche Verbesserungen bei der Mehrwertsteuer ergeben. Bisher wurden die Zuwendungen von Unternehmen als Sponsoring taxiert und mit der indirekten Steuer belastet. Kann eine Vergabestiftung jetzt nachweisen, dass kein Werbeeffekt mit einer Spende verbunden ist, entfällt die Mehrwertsteuer.

Umstrittene Stiftungen mit Wirtschaftszweck

Fast alle Stiftungen sind wirtschaftlich tätig. Die operativen Stiftungen, wie etwa eine Pro Juventute, betreuen Projekte in eigener Regie. Demgegenüber leisten Förderstiftungen einen finanziellen Beitrag, ohne sich in die Führung einzumischen. Mit einer neuartigen Struktur operiert die Gemeinschaftsstiftung Corymbo, unter deren Dach die Spender ihre individuellen Fonds gründen können. Zündstoff bergen jene Stiftungen, die einem rein wirtschaftlichen Zweck dienen. Die Hasler-Stiftung etwa hat mit dafür gesorgt, dass die Ascom in einem deregulierten Telekommunikationsmarkt unbeweglich war und den Anschluss an die Weltspitze verlor. Gleiches war in Deutschland mit der Nixdorf-Stiftung zu beobachten. Der einst blühende Computerproduzent musste faktisch Pleite gehen, bis er im Schoss von Siemens landete. Das Einrichtungshaus Möbel Pfister gehört seit 1965 der eigenen Fürsorgestiftung F.G. Pfister. Bei dieser Nachfolgeregelung standen Steuererleichterungen ebenso im Vordergrund wie etwa bei der Uhrenfabrik Rolex, die von einer Stiftung kontrolliert wird. Die Familienstiftung Sandoz verfügt über mehrere Firmen, Hotels und ein Aktienpaket von Novartis.

Als der Hauskrach um Daniel Affolter beim Reisekonzern Kuoni vor drei Jahren eskalierte, geriet die Kuoni-Hugentobler-Stiftung ins Rampenlicht. Abfindungszahlungen an den Stiftungsratspräsidenten in Millionenhöhe deckten die selbstherrliche Rolle dieser rein wirtschaftlich ausgerichteten Institution auf. Da wurden die Grenzen des vor knapp 100 Jahren geschaffenen Stiftungsrechts aufgedeckt. Hans Michael Riemer, Stiftungsrechtler und Professor an der Universität Zürich, arbeitete Anfang der 90er Jahre einen Vorentwurf für das Justizdepartement aus, der bereits in der Vernehmlassung scheiterte. Stiftungen mit einem rein wirtschaftlichen Zweck wären gemäss diesem Papier nicht mehr erlaubt gewesen. Jetzt kann die Stiftungsszene Schweiz mit einem liberalisierten Stiftungsrecht weiterwachsen.

Euroforum: Tagung

Eine Euroforum/«HandelsZeitung»-Tagung zum Thema «Stiftungsszene Schweiz» vom 7./8. Dezember 2004 beleuchtet die aktuellen Herausforderungen für die ge-meinnützigen Stiftungen. Praktische Managementbeispiele werden ergänzt durch Aufsichts- und Rechtsfragen. Weitere Informationen: Euroforum HandelsZeitung Konferenz AG, Tel. 01 288 94 51. E-Mail: corinne.stucki@euroforum.ch

Swiss Gaap FER: Zahlen und Leistung offen legen

Die Rechnungslegung für Non-Profit-Organisationen wird transparenter. Erstmals haben in diesem Jahr 150 Mitglieder der Fachstelle für ge-meinnützige, Spenden sammelnde Organisationen (Zewo) ihren Jahresabschluss nach den neuen Regeln von Swiss Gaap FER 21 erstellt. Im nächsten Jahr verpflichten sich weitere 300 Institutionen, diesen Rechnungslegungsstandard zu übernehmen. Die finanzielle Berichterstattung nach den Grundsätzen von «true and fair» wird ergänzt durch eine Rechnung über die Veränderung des Kapitals und einen Leistungsbericht. Ohne die Einhaltung von FER 21 können Stiftungen, die öffentlich Spenden sammeln, das Gütesiegel Zewo nicht mehr führen. (spe)