Früher undenkbar, heute üblich: Lesebrillen gibt es im Supermarkt spottbillig und in Selbstbedienung. Das gleiche Geschäftsmodell hat der dänische Unternehmer Christian Stromsted in der Schweiz auf Hörhilfen übertragen. Für 400 Fr. pro Stück sind die Geräte seiner Eigenmarke Sonetic in etwa 70 Filialen der Amavita-Apotheken erhältlich und sollen bei schwachem bis mittelschwerem Hörverlust nützen. Der Kunde unterzieht sich einem Gehörtest, das Gerät wird angepasst und ist sofort einsatzbereit. In einem Bericht der TV-Sendung Eco sagte Stromsted, dass die Produktion lediglich 50 Fr. koste und daher seine Marge trotz Vertriebskosten und Zwischenhandel immer noch ansehnlich sei.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

«Eco» verärgert Sonova

Der Ärger beim Hörgerätehersteller Sonova, bekannt durch die Marke Phonak, war nach der Sendung gross. Nicht nur wegen des werbewirksamen Auftritts von Stromsted, der früher ein Jahr lang als Marketingleiter für Sonova wirkte, sondern wegen der Bemerkungen von Moderator Reto Lipp. Dieser sagte nach dem Filmbeitrag, dass auch Sonova «neue Absatzkanäle» suche und ein «Einsteigermodell» plane. Vorgesehen sei der Verkauf in Apotheken, Drogerien und Optikerläden.

«Das stimmt nicht, wir suchen mit unseren Produkten definitiv nicht nach neuen Absatzkanälen, die den Akustiker umgehen», sagt Sonova-Sprecher Holger Schimanke. Sonova halte daran fest, dass auch in der Schweiz Hörgeräte ausschliesslich durch Akustiker vertrieben würden. Alles andere wäre gegenüber dem Kunden nicht zu verantworten. Denn der Akustiker sei am besten in der Lage, das Gerät auszusuchen und wenn nötig immer wieder anzupassen, was beim Geschäftsmodell der Billigkonkurrenz nicht vorgesehen sei.

Sona: Schnell, aber nicht billig

Allerdings lanciert auch Sonova Geräte, die der Kunde ab der Stange kaufen kann. Die Geräte der neuen Markenlinie Sona sollen an stark frequentierten Lagen wie Einkaufszentren angeboten werden, etwa mit einem Shop-im-Shop-Konzept, sagt Sonova-CEO Valentin Chapero.

Nach einem erfolgreichen Testlauf in Belgien, wo Sonova eigene Verkaufsläden hat, habe nun der Rollout in Deutschland, Frankreich und den USA begonnen - und die Schweiz dürfte demnächst folgen, rechnet Chapero. Wer nun aber hofft, Hörgeräte aus der renommierten Phonak-Werkstatt zum Schnäppchenpreis zu bekommen, wird enttäuscht. «Die Sona-Geräte werden nicht wesentlich billiger sein als in der Leistung vergleichbare andere Geräte.» Der Grund sind die Serviceleistungen, von der immer wieder möglichen Anpassung bis zum Umtausch des Gerätes. «Das ist ein Servicegeschäft. Wer immer noch meint, unsere Branche sei eine reine Produkteindustrie, hat nichts begriffen.»

«Preis nicht entscheidend»

Der Vorteil der neuen Produktelinie liege nicht im Preis, sondern an der sofortigen Verfügbarkeit. «Noch während der Akustiker mit dem Kunden spricht, wird die persönliche Software aufs Gerät geladen», sagt Chapero. Dabei werde der Grad des Hörverlusts ebenso berücksichtigt wie etwa die gewünschte Preisklasse. Im Idealfall kann der Kunde das Gerät gleich mitnehmen.

Die neusten Zahlen scheinen Sonova recht zu geben. Das Unternehmen hat Umsatz und Gewinn über Erwarten gesteigert und Marktanteile dazugewonnen. «Der Preis ist für den Kunden nicht entscheidend, sondern die Qualität», ist Chapero überzeugt. Und der Trend hin zu günstigeren Geräten, der mit der Wirtschaftskrise einsetzte, sei gebrochen. Mit dem Sona-Servicekonzept will Sonova also nicht zum Preisbrecher werden, sondern den Akustikern ermöglichen, ein Segment von Kunden zu erreichen, die sonst kein Hörgerät kaufen würden - oder noch nicht, weil ihnen der Ablauf zu kompliziert ist.