Ein schlichtes «Wir sind sehr zufrieden» kann man Stephan Howeg entlocken. Mehr will der Cablecom-Sprecher zum aktuellen Kundenwachstum nicht preisgeben. Hinter den Kulissen fallen die Aussagen umso deutlicher aus. Vom «Besten Quartal überhaupt»wird beim grössten Schweizer Kabelnetzanbieter geschwärmt. Zumindest bei der Zahl neuer Breitband- und Telefoniekunden verzeichnet Cablecom die vergangenen Wochen eine deutliche Zunahme die stärkste in diesem Jahr. Bereits von März bis September stieg die Zahl der Breitbandnutzer von 293000 auf 324000. Die Zahl der Telefonanschlüsse legte im gleichen Zeitraum um 34000 auf 162000 zu.

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Umsatzverluste

Das starke Plus schmerzt vor allem Swisscom. Der mit einem Jahresumsatz von über 10 Mrd Fr. unangefochtenen Nummer eins im Schweizer Telekommarkt entgehen mit jedem abgewanderten Kunden neben den Gesprächsminuten auch der komplette Umsatz für Anschluss, Verkehr und Grosshandel. Adrian Bult, CEO der betroffenen Division Fixnet, spricht denn auch offen davon, dass die Lage «ernst ist».

Noch deutlicher ist Swisscom-CEO Jens Alder: «Wir werden wegen Cablecom einige Umsatzverluste einfahren», sagte er im Mai der «HandelsZeitung». «Wir wollen diese Abwanderung von Kunden stoppen, aber wir sind im Moment dazu nicht in der Lage.» Deshalb setzt die Festnetzsparte des blauen Riesen alles daran, möglichst schnell ebenfalls ein Fernsehangebot lancieren zu können. Mehrere 100 Mio Fr. flossen bereits in das Produkt «Bluewin TV», weitere dreistellige Millionenbeträge sollen folgen. Auf dem Markt ist Bluewin TV aber immer noch nicht es wird zurzeit von einigen hundert Swisscom-Mitarbeitern unter realen Bedingungen auf Herz und Nieren geprüft. Der breite Start soll irgendwann 2006 folgen. Mit dem Zuwarten nimmt Swisscom die anhaltende Kundenmigration in Kauf als kleineres Übel. Alder: «Für uns ist das TV-Geschäft primär eine defensive Massnahme. Wir haben einen hohen Aufwand, ein hohes technisches Risiko sowie ein hohes Reputations- und Marketingrisiko.» Im Klartext: Bringt der Leader ein unfertiges Produkt auf den Markt, leidet sein Ruf, und das Projekt erleidet Schiffbruch. Der finanzielle Schaden wäre enorm.

Doch selbst wenn Swisscom mit ihrem TV-Angebot einen Hit lanciert, bleibt der adressierte Markt in der Schweiz mit einem Volumen von 1,3 Mrd Fr. relativ klein. 53% davon entfallen heute auf Cablecom. Zwar ist ein Umsatzzuwachs mit dem Fernsehen der nächsten Generation also digitales TV oder Video on demand absehbar, doch das wird sich in Grenzen halten: Nirgends in Europa sind der Fernsehkonsum und die Bereitschaft zum Wechsel zu digitalen Diensten so klein wie in der Schweiz. Das drückt sich auch in Prognosen für den IP-TV-Markt, also das Swisscom-Fernsehen, aus. Die Analysten von Datamonitor sehen für IP-TV in der Schweiz gerade mal einen Marktanteil von 3% im Jahr 2009 was 59000 Kundinnen und Kunden entspricht.

Für Swisscom ein Risiko

Swisscom weiss um das finanzielle Risiko, das sie mit dem Fernsehprojekt eingegangen ist: «Es ist noch nicht gesichert, dass das Geschäft einmal rentieren wird», stellte Alder vor wenigen Monaten klar. Der Einstieg ins TV-Geschäft ist für das Unternehmen ein Muss, um den Nachteil gegenüber Cablecom zu beseitigen und als Erster Quadrupleplay also Internet, Fernsehen sowie Fix- und Mobiltelefonie aus einer Hand anzubieten. Damit kann Swisscom plattformübergreifend neue Produktebündel schnüren und Boden gutmachen etwa mit der Kombination von Breitband-Internet, Mobilkommunikation sowie fixen und mobilen TV-Angeboten.

Cablecom ist sich dieses Vorteils der Konkurrenz bewusst. Deshalb vervollständigt auch der Kabelnetzbetreiber 2006 seine Angebotspalette. Im Mobilfunk wird Cablecom zum einen mit Sunrise kooperieren, das heisst als Wiederverkäuferin auf dem Sunrise-Netz auftreten. Zum anderen setzt Cablecom auf mobiles Voice over IP (VoIP), also die Telekommunikation über das Internetprotokoll. Hier gibt es eine portable Option für das bestehende stationäre Produkt «Digital Phone». Damit soll der Wachstumskurs der Umsatz legte von 561 Mio Fr. 2001 auf über 800 Mio Fr. dieses Jahr zu beibehalten werden.

Zweifelsohne wird Cablecom weiter an Kunden und Umsatz zulegen können, doch der Schein vom schier unbegrenzten Wachstumspotenzial trügt. Denn der Kabelnetzbetreiber erreicht nur rund die Hälfte aller Haushalte, Swisscom dagegen deckt mit ADSL 98% der Bevölkerung ab. Bei mehr als zwei Dritteln aller Haushalte sind die technischen Voraussetzungen erfüllt, um über die Telefonleitung fernzusehen. Zudem will Swisscom bis Ende 2006 mit VDSL, der viel schnelleren Nachfolgetechnologie von ADSL, mehr als 60% der städtischen Bevölkerung abdecken. Cablecom gewinnt gegenüber Swisscom zwar stetig an Terrain, doch in Sachen Abdeckung stationär wie mobil ist Swisscom der Kabelkonkurrenz eine Nasenlänge voraus. Ein Vorteil, den Swisscom 2006 wohl noch stärker ausspielen wird.