Hansjörg Wyss hat sein Lebenswerk vollendet: Der 68-Jährige konnte vergangene Woche die Fusion von Synthes-Stratec mit dem Solothurner Familienunternehmen Mathys bekannt geben. Ein für den gebürtigen Berner so wichtiges Ereignis, dass er seine extreme Medien- und Öffentlichkeitsscheu für einmal ablegte und sogar in der Sendung «10 vor 10» auftrat.

Um Wyss vor die Kamera zu lotsen, bedurfte es allerdings einer internen «Verschwörung». Dem Vernehmen nach hat die Investor-Relations-Abteilung von Synthes-Stratec das Fernsehteam an den Firmensitz nach Oberdorf eingeladen und Wyss somit vor vollendete Tatsachen gestellt.

Obwohl Synthes-Stratec einer breiten Öffentlichkeit wenig bekannt ist, gehört das Unternehmen zur Elite von Corporate Switzerland. Innovativ, fokussiert und von einer Profitabilität, die ihresgleichen sucht, hat Synthes-Stratec dieses Jahr nur knapp die Aufnahme in den SMI verpasst. Im Blue- Chip-Index würde das Unternehmen so manch andere Gesellschaft in den Schatten stellen.

*Ein Patron der alten Schule*

Die Erfolgsgeschichte der Baselbieter steht und fällt mit dem Namen Hansjörg Wyss. Er ist ein Patron der alten Schule, kein Mana-ger. «Ein Typ wie Ernst Thomke», sagt jemand, der mit ihm zusammengearbeitet hat. Wyss ist etwas hemdsärmlig, ein typischer Ingenieur, mit grosser Begeisterung für das Technische. «Er lebt für die Produkte», sagt einer, der in gut kennt. Das dürften langsam auch die Bankanalysten und Journalisten begriffen haben. Wenn nach Umsatzprognosen gefragt, reagiert Wyss jeweils etwas unwirsch. «Ich gebe nie Outlooks. Was mich interessiert ist die Einführung neuer Produkte», sagte er auch an der Telefonkonferenz von letzter Woche.

Wyss wohnt in den USA, wo er 1974 die amerikanische Tochtergesellschaft der Synthes gründete - in Tucson, Arizona. Obwohl als Mehrheitsaktionär nicht nur Präsident, sondern auch CEO, verbringt er nur etwa 20 bis 30% seiner Zeit im Unternehmen.

Wyss gilt als guter Kletterer und Tennisspieler und nimmt als Langläufer auch schon mal an einem Marathon teil. Sein Herz schlägt offenbar auch für den Umweltschutz. So sitzt er im Vorstand der Wilderness Society und präsidiert gegenwärtig die Southern Utah Wilderness Alliance. Ausserdem unterstützt Wyss den Grand Canyon Trust.

*Wyss ist gerne an der «Front»*

Wenn Wyss sich aber seiner Synthes-Stratec widmet, besucht er gerne deren Produktionsanlagen und die Verkaufsleute. Letztere sind keine Vertreter im Sinne der Pharmaindustrie. Es handelt sich um Spezialisten, die oft neben den Chirurgen am Operationstisch stehen und ihnen sogar assistieren.

Synthes-Stratecs Produktegamme könnte - salopp ausgedrückt - auch die Werkzeugkiste eines Heimwerkers füllen: Werkzeuge, Schrauben, Nägel, Platten. Nur, dass diese Utensilien für die operative Behandlung von Knochenbrüchen sündhaft teuer sind und Bruttomargen von durchschnittlich fast 83% abwerfen. In den so genannten Traumamärkten in den USA und Europa hat das kombinierte Unternehmen einen Anteil von etwa 50% bzw. 40%.

Wenngleich sich Wyss operativ wenig in das Unternehmen einmischt: In zwei Bereichen hält er die Zügel fest in der Hand: Einerseits bei der Personalpolitik, anderseits bei strategischen Entscheidungen. Und er weiss sich durchzusetzen.

Wie Wyss es damals fertig brachte, mit der von ihm gegründeten USA-Tochter die Muttergesellschaft zu übernehmen, ist bis heute nicht klar. Bekannt ist hingegen, dass Wyss mit dem Stratec-Gründer Rudolf Maag, der nach der Fusion von Synthes und Stratec 1999 Vizepräsident und CEO wurde, aneinander geriet. Dem Vernehmen nach wollte Maag am Prothetik-Geschäft festhalten, während Wyss dieses abzustossen gedachte. Wyss setzte sich durch, und Maag verliess in der Folge das Unternehmen. Wenig später wurde das Prothetikgeschäft verkauft.

Nach der Fusion mit Stratec warf Wyss auch ein Auge auf die Schwesterfirma Mathys. Sie war nach der Gründung der AO-Stiftung, 1958, deren erster Industriepartner. Die AO-Stiftung wurde von vier Chirurgen ins Leben gerufen. Sie forscht an neuen Behandlungsmethoden für Knochenbrüche und vergibt den drei Unternehmen Mathys, Synthes und Stratec (vormals Straumann) Produktlizenzen. Diese berechtigen die jeweilige Firma zum alleinigen (geografisch definierten) Vertrieb von Synthes-Produkten. Mathys hält die Lizenzen für Japan und den pazifischen Raum.

*Die Nachfolge ist aufgegleist*

Das frühe Werben Wyss? um Mathys wurde nicht erwidert. Robert Mathys senior soll gesagt haben, das Unternehmen werde nur über seine Leiche verkauft.

Lange schien es, dass seine beiden Söhne dieser Unabhängigkeitsdevise auch nach seinem Ableben treu bleiben wollten. Seit Jahren schon bekundete Wyss in aller Öffentlichkeit sein Interesse an Mathys. Und Robert Mathys junior sagte den Medien ebenso stereotyp, dass ein Verkauf nicht in Frage komme.

Dass die Familie Mathys nun plötzlich dem Verkauf zustimmte, dürfte mehrere Gründe haben. Ein Faktor scheint zu sein, dass Mathys im wohl lukrativsten Orthopädiemarkt - jenem für Wirbelsäulenimplantate - in den Rückstand zu geraten drohte. Drei grosse Konkurrenten - darunter Synthes-Stratec im Frühjahr - haben Erfolg versprechende Technologien in diesem Bereich eingekauft. Aber auch die AO-Stiftung war ein Katalysator für die Fusion, wie deren CEO, Gregor Strasser, der «HandelsZeitung» bestätigte.

Operativ scheint das Unternehmen hingegen keine Probleme zu haben. Neben einem gesunden Umsatzwachstum konnte Mathys auch die Gewinnmarge verbessern. Die Ebit-Marge, die vor ein paar Jahren noch 13 bis 14% betragen habe, liege heute bei etwa 17%, sagt ein Industrieexperte. Ein anderer Beobachter schätzt - angesichts des hohen Verkaufspreises von 1,5 Mrd Fr. - die Margen noch höher.

Wie dem auch sei, die Analysten bezweifeln nicht, dass Synthes-Stratec die Übernahme schnell bewältigen kann und sich die Profitabilität angleicht. Wyss ist an seinem unternehmerischen Ziel angelangt. Obwohl starke Persönlichkeiten neben ihm einen schweren Stand haben, scheint seine Nachfolge aufgegleist zu sein. Gegenüber der «Finanz&Wirtschaft» nannte Wyss vier potenzielle Nachfolger. Als Präsident wird Wyss wohl nicht so schnell abtreten. Das widerspräche seinem Naturell.

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