Die Speerspitze der Schweizer Tabakindustrie kommt aus Deutschland. Hermann Striebel, 47-jähriger Ökonom aus dem süddeutschen Ulm, führt seit anderthalb Jahren den Schweizer Ableger von Marktführerin Philip Morris. Zum Gespräch erscheint Striebel in dezentem Mint-Anzug mit passender Krawatte und eleganter Omega, er wartet die Fragen geduldig ab und antwortet in ruhigem Ton. Doch was er sagt, ist klar und deutlich – keine Selbstverständlichkeit in diesem gesellschaftlich umstrittenen Geschäft.

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So steckt Striebel den Rahmen rasch ab. «Die Raucher als Menschen zu diskriminieren, die nicht der Norm entsprechen, diese Diskussion halte ich nicht für hilfreich.» Der hochgewachsene, sportliche Tabak-Topshot und deklarierte Genussraucher zieht einen scharfen Trennstrich zwischen Gesprächsbereitschaft mit allen Lagern und moralisch aufgeladenem Diskurs. Letzteres gehört nicht zum politischen Seilziehen, das in Form von höheren Tabaksteuern und weit reichenden Rauchverboten derzeit in Bern ausgetragen wird.

Es ist diese regulatorische Weichenstellung, die den Tabaklobbyisten aus der Lausanner Zentrale in die öffentliche Arena treibt, wo er freundlich, aber bestimmt um seinen engen Spielraum kämpft. «Mit vielem sind wir einverstanden», lächelt der freundliche Striebel das Vis-à-vis aus braun-grünen Augen an, um im nächsten Atemzug ein Umdenken zu fordern: «Es sollte wieder mehr Rationalität in die Diskussion einkehren.»

Die Alarmglocken läuten

Zwei Trends des Gesetzgebers lassen beim 1,90-m-Hünen die Alarmglocken läuten. Nicht weniger als zehn Mal hätten die Räte in den letzten 15 Jahren an der Tabak-Steuerschraube gedreht, sagt der Marketingexperte, der einst vom holländischen Foodmulti Unilever zum weltgrössten Zigarettenkonzern Philip Morris wechselte. Dies allein habe ein Paket Marlboro um 2.50 Fr. verteuert. Inzwischen machen alle Steuern zusammen (Tabak, Sonderfonds, Umsatzabgabe) fast zwei Drittel des Verkaufspreises von 6.30 Fr. aus.

Warum denn hat sich Striebel just diese Branche ausgesucht? Weil die «gesellschaftliche Verantwortung bei unseren Produkten» beginnt, sagt der Manager. «Daher sprechen wir offen über die Gesundheitsrisiken, die sich durch das Rauchen ergeben, und wir befürworten umfassende rechtliche Rahmenbedingungen für Tabakprodukte.»

Auch die saftigen Margen dürften volles Engagement erleichtern. Philip Morris International, die vor kurzem vom Mutterhaus Altria Group abgespaltet wurde, erzielte mit ihren Top-Marken Marlboro, Philip Morris und Chesterfield 2007 weltweit rund 55 Mrd Dollar Umsatz und fast 9 Mrd Dollar Betriebsgewinn. In der Schweiz liegt das Unternehmen mit 45% Marktanteil vor British American Tobacco mit Marken wie Kent und Lucky Strike sowie JT International mit Camel und Winston.

Kampf um die Verpackung

Die hohen Steuern konnten den Konsum bisher kaum drosseln. Rund 1,5 Mio der 14- bis 65-jährigen Schweizer rauchen, das entspricht fast einem Drittel. Zuletzt sank der Konsum nur um 1 bis 2% jährlich. Deshalb, so Philip-Morris-Mann Striebel, sind aus gesundheitspolitischer Sicht nicht neue Steuern erstrebenswert, sondern ein besserer Jugendschutz. Unter 18-Jährige sollten nirgends auf der Welt Zigaretten erwerben können, laute das Ziel seines Unternehmens. Zudem will der Tabak-Manager die Nichtraucher mit rauchfreien Zonen schützen. Was darüber hinausgeht, will Striebel der Eigenverantwortung der erwachsenen Raucher überlassen. Bauchschmerzen bereitet dem Schweizer Marlboro-Mann die Werbung. In der Schweiz kann sich die Industrie zwar im Kino und auf Plakatwänden ausbreiten, in TV und Radio hingegen nicht. Und vor allem tobt ein Kampf um die Verpackung. Heute müssen die Tabakfirmen übergrosse und schwarzumrandete Warnungen auf der Vorder- und Rückseite abdrucken. Schon in zwei Jahren erreicht die Abschreckungsdosis einen neuen Höchstwert. Statt dem Hinweis «Rauchen ist tödlich» verstört einen dann das Bild einer verteerten Lunge.

Den kleinen Packungsrest verteidigt Striebel mit Zähnen und Klauen. «Kommunikation mit erwachsenen Rauchern ist essenziell, um sie über Produkteigenschaften zu informieren», formuliert der Manager juristisch akurat. Und winkt mit dem politischen Zaunpfahl. «Sonst bleibt nur noch der Wettbewerb über den Preis.» Ein Graus für die Gesundheitspolitiker, die den Konsum via Hochpreise senken wollen. Warum nicht gleich einen Mindestpreis, kokettiert Marktmensch Striebel. Er hat gut lachen: Profitieren würde der Marktführer, also Striebel.