Taiwans Chiphersteller TSMC ist für die Weltwirtschaft unersetzlich

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.» Nicht nur der deutsche Dichter Matthias Claudius, sondern auch die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Zum Beispiel, wie wichtig ihr die Demokratie am Beispiel Taiwan als Gegenstück zur Autokratie in China sei. Oder aber: Wie stark ihr Besuch jetzt die multimilliardenschwere Chipindustrie in die Krise stürzen kann. Nach ihrem Quasistaatsbesuch schickt China jetzt Kampfjets in die Luft und fährt mit Kriegsschiffen vor der taiwanesischen Küste auf. Mit der unmissverständlichen Botschaft, Taiwan gehöre zu China. Auch wenn die USA das anders sehen. Die Welt befürchtet einen Eroberungskrieg Chinas gegen Taiwan, spätestens 2027. Zwei Drittel aller Chips kommen aus Taiwan Mit ungeahnten Folgen für die Weltwirtschaft. Taiwan ist bekannt für dessen Chipindustrie von Weltgeltung. Etwa zwei Drittel aller weltweit benötigten Mikrochips kommen aus dem Inselstaat. Die dort ansässige Firma Taiwan Semiconductor Manufacturing Company TSMC ist der grösste Auftragsfertiger von Mikrochips und Halbleitern der Welt. Dieser produziert Chips für Tech-Giganten wie AMD, Apple, Huawei, Intel, Nvidia, Qualcomm, Xilinx und viele andere. Nur TSMC beherrscht die komplexesten und fortschrittlichsten Fertigungsverfahren der Welt: Halbleiter im 5-, 4- und bald 3-Nanometer-Verfahren. Das ist vereinfacht gesagt der Abstand der Leitungen auf einem Chip – je geringer, desto effizienter. Gleichzeitig bietet das Unternehmen auch ältere, reifere Technologien an, wie sie etwa die europäische Autoindustrie nachfragt. Für einen Pkw braucht es nicht die kleinsten Chips, diese dürfen im Vergleich zu einem Smartphone durchaus etwas grösser sein. Dafür werden in einem herkömmlichen Auto der modernsten Bauart viel mehr Chips verbaut, bis zu 1400 Stück. Unternehmen sind abhängig von TSMC Die Kehrseite des Erfolgs von TSMC: Fast die gesamte Halbleiterindustrie ist abhängig von dem Unternehmen. Wenn Taiwan in einen Krieg verstrickt wird oder China bald einmal die Hand auf Taiwans Wirtschaft haben könnte, dann heisst das für sämtliche Industrien, die am Tropf von TSMC hängen, nichts Gutes. Halbleiter sind die Grundlage für Technologien wie Computer, Elektroautos, 5G, das Internet der Dinge und künstliche Intelligenz. In einer zunehmend digitalen Welt sind wir auf immer leistungsfähigere Chips angewiesen. Der weltweite Umsatz der Halbleiterindustrie belief sich im Jahr 2021 auf rund 584 Milliarden Dollar. Ein verändertes Verbraucherverhalten durch die Corona-Pandemie (Homeschooling, Homeoffice) führte zu einer verstärkten Nachfrage nach Silizium-Bauelementen. Und die USA störten mit Sanktionen gegen chinesische Tech-Firmen eingespielte Lieferketten. Überlastete Produktionslinien bei TSMC und anderen Chipherstellern und die stetig steigende Nachfrage nach Chips haben zu einem weltweiten Chipmangel geführt. Produkte können nicht mehr zeitgerecht fertiggestellt und ausgeliefert werden, kritische Zukunftsprojekte wie die Elektromobilität in Asien, Europa und in den USA geraten ins Stocken, weil die Automobilhersteller nicht genügend Chips verbauen können. Der Elektronikriese Apple muss für dessen Produkte Erscheinungstermine auf die lange Bank schieben. Vor Pelosis Taiwan-Besuch ging der US-Chipriese Intel noch davon aus, dass es schon 2023 wieder genug Chips geben würde. Andere Experten gingen davon aus, dass es nicht vor 2025 zu einer Entspannung komme. Nun stehen diese Prognosen infrage: Alle Branchen, die auf Chips und Prozessoren angewiesen sind, müssen jetzt zittern. Denn China hat ein Druckmittel und Taiwan mit versperrten Seewegen ein noch grösseres Lieferproblem als ohnehin schon. Auch die Schweiz ist betroffen Für das Abnehmerland Schweiz ohne eigene nennenswerte Chipproduktion ist das eine mittlere Katastrophe. Besonders die Autozulieferer leiden unter dem sogenannten Chip-Shortage. Die Autozulieferbranche macht in der Schweiz einen Umsatz von mehr als 12 Milliarden Franken pro Jahr und ist und mit 34’000 Beschäftigten eine der grössten Arbeitgeberinnen im Land. Unternehmen wie SFS, Autoneum und Feintool hoffen, dass sich die Mangellage bei Chips möglichst bald entspannt. Auch Maschinenbauer und Apparatehersteller sind betroffen. Die Chipindustrie und die auf diese Produkte angewiesenen Volkswirtschaften versuchen alles, um der sich verschärfenden Chipkrise entgegenzuwirken. Und zwar mit der Errichtung von neuen gigantischen Halbleiterfabriken in Europa und in den USA. Die Vereinigten Staaten haben dafür Investitionen in der Höhe von 52 Milliarden Dollar auf den Weg gebracht. Die EU möchte mitziehen und tüftelt an einem europäischen Chip-Gesetz. Mit dem European Chip Act will die EU die Halbleiterknappheit angehen und Europas technologische Führungsrolle stärken. Derzeit hat Europa lediglich einen Anteil von 10 Prozent auf dem globalen Halbleitermarkt und ist weitgehend auf Lieferanten aus Drittländern angewiesen. Der Anteil soll auf 20 Prozent hochgefahren werden. Rund 43 Milliarden Euro will Brüssel dafür auf die Beine stellen. Das Gesetz lässt allerdings nun schon seit mehreren Monaten auf sich warten. Bau einer Chipfabrik dauert lange Was das Problem zusätzlich verschärft: Es dauert lange, bis eine Chipfabrik gebaut ist. Das dauert Jahre und kostet zwischen 10 und 40 Milliarden Dollar. Selbst TSMC versucht geografisch unabhängiger zu werden und baut eine neue Fabrik in Japan, kann die Massenproduktion aber erst 2024 aufnehmen. Bereits seit vielen Jahren fliessen Unsummen in die Branche: Im Jahr 2010 beliefen sich die Investitionsausgaben für Halbleiter auf 54 Milliarden Dollar. Ein Jahrzehnt später waren es mehr als 109 Milliarden Dollar. Der Bedarf an zusätzlichen Investitionen in Halbleiterproduktionen lag 2021 bei 64 Milliarden Dollar. Dieses Jahr sind es bereits 85 Milliarden. Nächstes Jahr sollen es 100 Milliarden Dollar sein, um gerade so die Nachfrage abdecken zu können. Da kommen die Chiphersteller auch ohne China-Taiwan-Konflikt nicht mehr nach.

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So bedroht der Taiwan-Konflikt die Weltwirtschaft